Infografik
Vegesack: Schülerandrang droht Schulen zu überfordern
Vegesack ist bei jungen Familien so beliebt wie vielleicht noch nie. Die Schulen aber platzen schon heute aus allen Nähten. So soll es in dem Stadtteil weitergehen.
1 Einwohner, Schüler und Schulen in Vegesack
Mit gut 35.000 Einwohnern, darunter 3.350 Schüler, wohnen in Vegesack etwa ebenso viele Menschen wie in den beiden übrigen Stadtteilen Bremen-Nords, wie in Blumenthal und Burglesum.
Der Stadtteil ist mit sechs öffentlichen Grundschulen, zwei Oberschulen und einem öffentlichen Gymnasium ausgestattet. Fast all diese Schulen sehen umfassenden Sanierungs- und Ausbauarbeiten entgegen. Denn das Bildungsressort erwartet, dass bald noch erheblich mehr Schüler in Vegesack zur Schule gehen werden als heute.
Die Abiturientenquote lag in Vegesack voriges Jahr bei etwa 35 Prozent. Allerdings ist sie tendenziell in den vergangenen Jahren gesunken. Die Quote derer, die die Schule ohne Abschluss verlassen haben, lag 2018 bei 8,1 Prozent und bewegt sich damit seit Jahren auf einem ungefähr gleichbleibenden Niveau.
Beeinflusst werden die Schulabschlüsse laut Bildungsressort Bremen durch mehrere Faktoren. So gab es 2012 besonders viele Abiturienten, weil nach der Einführung des Abiturs nach acht Jahren (G8) zwei Jahrgänge ihren Abschluss machten. Ein anderer Faktor ist der Zuzug von Menschen aus anderen Ländern ohne Sprachkenntnisse. Viele von ihnen wohnen in Vegesack. Seit dem Schuljahr 2015/16 ist die Anzahl besonders hoch. Das könnte ein Grund dafür sein, dass der Anteil an Abiturienten leicht gesunken und der Anteil an mittleren Schulabschlüssen gestiegen ist.
2 Herausforderungen und Probleme im Bildungsbereich
Das größte Problem sieht Ulrike Baltrusch-Rampf, Fraktionssprecherin der CDU im Beirat Vegesack, in den rapide steigenden Schülerzahlen, auch aufgrund der Kinder Geflüchteter. "Ab 2015 sind sehr viele von ihnen uns nach Vegesack gekommen", erklärt sie. Dadurch gebe es im Stadtteil nun noch mehr Schüler mit ausländischem Pass als zuvor. Die personell wie räumlich überwiegend schlecht ausgestatteten Schulen Vegesacks seien damit in der Praxis leider überfordert, sagt Baltrusch-Rampf.
Tatsächlich hatten den Zahlen des Bremer Bildungsressorts zufolge im Jahr 2018 etwa 53 Prozent aller Vegesacker Kinder ein Jahr vor ihrer Einschulung Probleme mit der deutschen Sprache. Nur in Gröpelingen sind es noch mehr. Aus Sicht von Baltrusch-Rampf wären unter diesen Umständen zumindest zwei Lehrer pro Klasse erforderlich, um Vegesacks Kinder angemessen zu unterrichten.
"Aber es ist verdammt schwer, überhaupt Lehrer nach Bremen-Nord zu bekommen", sagt die CDU-Politikerin. Der Bremer Norden gelte vielen Pädagogen als minder attraktiver Standort. Erschwerend hinzu komme, dass viele Züge zwischen Bremen-Stadt und dem Norden Bremens ausfielen. "Eine Katastrophe" sei das, sagt Baltrusch-Rampf.
Doch nicht nur an Personal mangele es den Vegesacker Schulen. Die Oberschule an der Lerchenstraße bräuchte für die inklusive Beschulung im Bereich Wahrnehmung und Entwicklung neue Klassen. Die Quote der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf bis einschließlich der zehnten Klasse liegt in Vegesack bei 8,7 Prozent. 92,5 Prozent von ihnen werden in den Schulen inklusiv gefördert, die anderen besuchen Förderzentren.
Auch hätten fast alle Schulen Vegesacks zu wenig Räume zur Verfügung. Baltrusch-Rampf berichtet von maroden Turnhallen, von sanierungsbedürftigen Toiletten und von vielen Unterrichtsausfällen, die Eltern und Schüler immer wieder beklagten.
Jannik Michaelsen (SPD) rechnet mit einem schnelleren Anstieg der Schülerzahlen in Vegesack als angenommen. Er hält einen Zuwachs von bis zu 20 Prozent bis zum Jahr 2025 für realistisch. Das Bildungsressort geht in seiner Schulstandortplanung von knapp zehn Prozent aus. Für Michaelsen ist klar: "Das kann nicht nur mit Anbauten aufgefangen werden, auch Neubauten sind erforderlich". Zumal man sich an einigen Vegesacker Schulen schon heute mit Mobilbauten behelfe. Manche Kinder müssten zudem außerhalb Vegesacks beschult werden. "Das aber wird sich ändern", zeigt sich Michaelsen zuversichtlich.
3 Rahmenbedingungen und Lebensumstände
Vegesack ist dicht besiedelt: Die knapp 35.000 Bewohner verteilen sich auf rund zwölf Quadratkilometern. Arbeitslosigkeit ist das größte Problem des Stadtteils, sagt Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt. Von der Vulkan-Pleite in den 1980er habe sich der Stadtteil zwar erholt, doch um Arbeitsplätze zu schaffen, müssten mehr Gewerbeflächen her.
Der Mangel an Arbeitsplätzen schlägt sich auch in der Kinderarmut nieder. 39 Prozent der Kinder unter 15 Jahren lebten 2018 von Hartz IV. Das liegt deutlich über dem Landesdurchschnitt.
28.000 Euro haben die die Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen des Stadtteils im Jahr 2013 – das sind die aktuellsten erhältlichen Zahlen – durchschnittlich verdient. Das mittlere Einkommen lag jedoch niedriger: bei 19.900 Euro – die eine Hälfte verdiente also mehr, die andere weniger.
Eine Bevölkerungsgruppe ist häufiger als andere einkommensschwach oder von Armut bedroht: die Alleinerziehenden. Der Anteil an allen Haushalten mit Kinder liegt in Vegesack bei gut 28 Prozent. Fast 17 Prozent der Vegesacker Haushalte haben drei oder mehr Kinder: das ist ein vergleichsweise hoher Wert.
Mit einem Klick zu jedem Stadtteil im Land
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 10. November 2019, 19:30 Uhr