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Sozialbetrug: Bleibt Millionenschaden für Behördenchefs folgenlos?

Der mutmaßliche Sozialbetrug in Bremerhaven hat offenbar keine persönlichen Konsequenzen für Verantwortliche in Bremerhavens Behörden. Das geht aus dem abschließenden Entwurf des Parlamantarischen Untersuchungsausschusses hervor, der Radio Bremen vorliegt.

Klaus Rosche vor Untersuchungsausschuss
Bremerhavenes ehemaliger Sozialstadtrat Klaus Rosche (SPD) vor dem Untersuchungsausschuss. An seiner Behörde gab es viel Kritik. Bild: Radio Bremen

Mit dem ehemaligen SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Patrick Öztürk geht der Ausschuss dafür umso härter ins Gericht. Er wird der Lüge und der Vorteilsnahme bezichtigt. Das Gremium will die Schlussfassung des Berichts am kommenden Mittwoch beschließen.

FDP: "Wer grob fahrlässig handelt, muss auch haften"

Persönliche Konsequenzen für die Verantwortlichen in den Behörden fordert nur die FDP Das wurde zwar zur Kenntnis, aber nicht in den Bericht selbst aufgenommen. Insbesondere der mittlerweile pensionierte Sozialstadtrat Klaus Rosche und die Bremerhavener Sozialamtsleiterin Astrid Henriksen sollen bereits 2013 erste Hinweise auf den mutmaßlichen Betrug gehabt haben. Darum wollte die FDP prüfen lassen, ob Rosche und Henriksen für den eingetretenen Millionen-Schaden haften müssen. Aus FDP-Sicht müsse ebenfalls geprüft werden, ob auch der Geschäftsführer des Jobcenters, Friedrich-Wilhelm Gruhl, gegen Dienstpflichten verstoßen habe.

"Wir haben gehofft, dass diese Forderung in den Bericht kommt und lange darüber gesprochen wird, aber da war nichts zu machen", sagte Hauke Hilz von der FDP. Andere Parteien hätten zunächst Zustimmung signalisiert, diese dann aber wieder zurückgezogen. SPD-Vertreter wollen sich zu dem Bericht nocht nicht äußern, wie Pressesprecher Matthias Koch sagte. Sondern erst wie unter den Parteien ursprünglich vereinbart am Mittwoch, wenn der Bericht vorgelegt wird.

Patrick Öztürk soll Mandat ausgenutzt und gelogen haben

Patrick Öztürk und Anwalt Temba Hoch vor dem Untersuchungsausschuss in der Bremischen Bürgerschaft
Patrick Öztürk (links) mit seinem Anwalt vor dem Untersuchungsausschuss. Bild: Radio Bremen | Boris Hellmers-Spethmann

Einstimmig verurteilten die Mitglieder hingegen das Verhalten Patrick Öztürks. Er habe sein ehemaliges SPD-Bürgerschaftsmandat zum eigenen Vorteil missbräuchlich genutzt, so der Bericht. Öztürk war Mitarbeiter und Vorstandsmitglied der Sozialvereine seines Vaters, die im Fokus der Ermittlungen stehen. Der Ausschuss sieht für Öztürks Verfehlungen "unzweifelhafte Belege", außerdem stehe für den Ausschuss fest, dass Öztürk bei einem Redebeitrag zum Sozialbetrug in der Bürgerschaft gelogen hat. "Patrick Öztürk wird zur Niederlegung seines Mandats in der Bremischen Bürgerschaft aufgefordert", heißt es im Berichtspapier einmütig.

Forderung nach besserer Zusammenarbeit und mehr Personal

Im Schlussteil des Abschlussberichts werden zahlreiche Handlungsempfehlungen gegeben. So heißt es etwa, die Behörden in Bremerhaven und Bremen müssten darauf hinwirken, dass "Missbrauchsanfälligkeiten systematisch überprüft werden". Gefordert wird auch eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Behörden und eine angemessene personelle Ausstattung bei betroffenen Dienststellen.

Der mutmaßliche Missbrauch war aufgefallen, weil zwei Vereine in Bremerhaven Zuwanderer aus Osteuropa nach Bremerhaven geholt haben sollen, um mit ihrer Hilfe Sozialleistungen zu kassieren. Der Schaden soll insgesamt rund 7 Millionen Euro betragen. Gegen mehrere mutmaßlich Beteiligte ermittelt die Staatsanwaltschaft, darunter auch gegen Patrick Öztürk.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 26. Januar 2018, 19:30 Uhr

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