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Nachhaltigkeit in der Schifffahrt: Wie entwickelt sich die Branche?

Deutscher Schifffahrtstag in Bremen rückt Nachhaltigkeit in den Fokus

Bild: dpa | Hinrich Bäsemann

Die Schifffahrt soll sauberer werden – darum dreht sich der Deutsche Schifffahrtstag in Bremen und Bremerhaven. Aber wie ist der Stand in der Branche und vor Ort?

Klimaneutral bis 2050 – so das erklärte Ziel der Europäischen Kommission. Die Vorgabe betrifft alle Wirtschaftsbereiche, vor allem auch den Transportsektor. Und da fast 80 Prozent des EU-Außenhandels über den Seeweg laufen, wird sich die Schifffahrt verändern müssen. Bis 2016 gab es wenig bis gar keine Regeln für die Abgase auf See. Immerhin: Die EU will bis 2050 Seeverkehr ohne Abgase erreichen. Welche Rolle spielen da Bremen und Bremerhaven und wie sehen neue Konzepte aus? Das sind Themen beim Deutschen Schifffahrtstag, der bis Sonntag in beiden Städten stattfindet.

Ist Nachhaltigkeit in der Schifffahrt überhaupt schon angekommen?

Noch nicht wirklich. Diesel-Schiffsmotoren sorgen weltweit tatsächlich immer noch für große Umweltverschmutzungen. Allerdings: Es gibt zumindest positive Tendenzen, neue Wege einzuschlagen. Alle wissen, dass es wie bisher nicht weitergehen kann – aber wie genau, das ist vielfach noch unklar. Häufig rechnen sich neue Antriebsarten noch nicht, heißt es vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik.

Wie sehen denn aktuelle Konzepte für neue Schiffe aus?

Getüftelt wird an allerlei neuen Perspektiven. Es gibt Start-up-Unternehmen, die zum Beispiel daran arbeiten, herkömmliche Containerschiffe durch eine Art Segelschiff zu ersetzen. Dabei geht es um Schiffe, die tatsächlich ganz ohne Abgase auskommen – und dann vielleicht sogar noch autonom fahren. Da sind Kombi-Motoren mit Wind- und Stromantrieb in den Tests. Oder mit Wasserstoff und Methanol als Antrieb.

Wegen der Energiekrise gerät der Antrieb mit LNG – also mit Flüssiggas – gerade in den Hintergrund. Dafür gibt es immer mehr Forschungsprojekte zu neuen Kraftstoffen, zum Beispiel auf Basis von Bioabfällen – auch an der Hochschule in Bremerhaven. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mahnt, grundsätzlich neu zu denken.

Wenn man sich vorstellt, dass all das, was wir im Moment mit Schiffen transportieren, möglicherweise über die Schiene oder die Straße laufen soll, dann merkt man gleich: Es geht auch um die Frage des "Wieviel". Brauchen wir überhaupt noch diese großen Stoffströme oder müssen wir nicht den Konsum auch dematerialisieren?

BUND Bremen-Vorsitzender Klaus Prietzel
Klaus Prietzel, Vorsitzender BUND Bremen

Die weltgrößte Reederei Maersk hat inzwischen übrigens acht neue Containerschiffe bestellt, die in zwei Jahren mit grünem Methanol fahren sollen.

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Bild: Radio Bremen

Und was läuft in Bremen und Bremerhaven bei nachhaltiger Schifffahrt?

Da ist noch Luft nach oben. Es gibt vereinzelte Projekte, bei denen es um klimaneutrale Schiffsantriebe und Häfen geht.

Alles, was wir an Möglichkeiten haben – seien es Segeltechnologien zum Unterstützen des Antriebs, irgendwann Brennstoffzellen oder sogar synthetische Kraftstoffe in der Zukunft – das sind Lösungswege, die wir haben. Wir gehen im Moment davon aus, dass es nicht einen einzigen Lösungsweg geben wird, sondern eine Vielzahl.

Iven Krämer, Referatsleiter Hafenwirtschaft und Schifffahrt, Häfenressort

Aber die Häfen sind noch zögerlich, denn es geht um Milliardenivestitionen und man sucht nach günstigeren Alternativen. Auch beim Schiffbau zum Beispiel in Bremerhaven soll noch stärker auf sogenannte grüne Schiffe gesetzt werden. Die Lloyd Werft hat vor kurzem ein Konzept für eine Mega-Jjacht mit Batteriespeicher vorgestellt. Allerdings sollen die Hauptmotoren nach wie vor mit Diesel angetrieben werden, weil es aus Sicht der Werft für längere Reisen wenig Alternativen gibt.

Derzeit läuft die Ausschreibung für den Neubau des Forschungseisbrechers Polarstern mit Heimathafen Bremerhaven. Unklar ist noch, wo das Schiff gebaut wird. Die Lloyd Werft hat sich auch beworben. Fest steht aber: Das Schiff des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) soll Maßstäbe bei neuen Antrieben setzen – so zumindest der Plan.

Wie sieht es beim Hafenbau aus – kommt der umstrittene Offshore-Hafen für die Windkraft-Industrie in Bremerhaven jetzt doch noch?

Danach sieht es nicht aus. Auch wenn durch die Energiekrise jetzt mehr Windkraft gefragt ist: Der BUND, der ja gegen den Ausbau des Hafens geklagt hatte, ist überzeugt, dass es künftig noch weniger große Häfen braucht. Denn die Anlagen würden immer effizienter, weshalb insgesamt weniger Windkraftanlagen auf See benötigt würden. Das sehen manche Politikerinnen und Politiker in Bremen allerdings anders – zum Beispiel aus SPD und CDU. Da bleibt abzuwarten, was der richtige Weg mit Blick auf die Nachhaltigkeit in der Schifffahrt ist.

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Bild: Radio Bremen

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Autor

  • Dirk Bliedtner
    Dirk Bliedtner Autor

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 29. September 2022, 19:30 Uhr