Interview

Darum ist diese Klimaaktivistin "bereit, ins Gefängnis zu gehen"

Carla Hinrichs, Klimaaktivistin und Sprecherin der Gruppe "Aufstand der letzten Generation", blockiert mit anderen Aktivisten am Morgen eine Kreuzung zur Autobahn A7 (Archivbild)

Klimaprotest Carla Hinrichs

Bild: dpa | Christian Charisius

Bremen Zwei hat eine Aktivistin der Gruppe "Letzte Generation" ihre Motive verraten. Sie hält den radikalen Protest derzeit für notwendig und hofft auf die Politik.

Um Widerstand zu leisten, kleben sich Klimaaktivisten und Aktivistinnen auf Straßen fest oder bewerfen Kunstwerke mit Tomatensoße, Kartoffelbrei und anderen Lebensmitteln. Zuletzt wurden Privatjets auf dem Flughafen Schipol bei Amsterdam blockiert. Aufmerksamkeit um jeden Preis, doch wie groß ist da die Gefahr, dass das eigentliche Ziel aus dem Blick gerät? Carla Hinrichs ist Sprecherin der "Letzten Generation"-Deutschland und erklärt im Interview mit Bremen Zwei, warum sie den radikalen Klimaprotest für angebracht hält.

In der vergangenen Woche hatten sich Aktivisten in Berlin auf die Fahrbahn geklebt und ein Rettungswagen konnte deshalb angeblich nicht rechtzeitig beim Opfer sein. Der Vorwurf hat sich inzwischen als unbegründet erwiesen. Über den Hintergrund der Aktion ist dennoch kaum berichtet worden, sondern nur über diesen Vorfall. Ist das in Ihrem Sinne?

Ich glaube da können wir direkt hier anfangen und nicht nur über diese Situation sprechen, sondern über den Notfall. Und das kann ich gerne tun, denn wir rasen in eine unfassbare Katastrophe – in eine Klimakatastrophe. Wenn wir der Wissenschaft zuhören, dann werden 2050 zwei Drittel unserer Ernten ausfallen. Das bedeutet, dass die Menschen sich dann nicht wie bei Corona um Klopapier streiten, sondern um Lebensmittel. Und die Regierungen erkennen den Notstand, den wir haben, einfach noch nicht als solchen an. Und deswegen leisten wir gerade massiv Widerstand, um wirklich in ein Handeln zu kommen und nicht zu erstarren in dieser Krise.

Trotzdem nochmal die Frage: Wenn so eine Aktion stattfindet und Sie eigentlich auf das, was sie gerade geschildert haben, aufmerksam machen wollen. Doch dann redet niemand über das, was wir ändern sollten – sondern nur über die Protestaktion und den vermeintlichen Schaden. Was denken Sie darüber?

Ich bin fest davon überzeugt, dass, wenn die Menschen sich mit der Krise emotional verbinden, wenn sie in sich hineinhören, dass sie dann nicht sauer werden, weil wir diesen Protest leisten, sondern dass sie dann sauer werden auf unsere Regierenden. Auf die Regierenden, die unsere Lebensgrundlagen, meine Lebensgrundlagen als junges Mädchen nicht schützen. Und dass sie sich nicht von ihrem Überlebenswillen abbringen lassen, nur weil sie wütend sind, weil sie vielleicht im Stau stehen.

Carla Hinrichs, Sprecherin der "Letzten Generation"
Carla Hinrichs ist Sprecherin der "Letzten Generation"-Deutschland. Bild: dpa | Bernd von Jutrczenka

Nun soll es ein Treffen geben mit dem Kanzler und Ministern und Ministerinnen. Was erhoffen Sie sich von diesem Treffen?

Wir erwarten, dass sie dort hinkommen und mit uns in Verhandlungen treten. Mit uns sprechen, anerkennen, dass diese Krise so groß ist, dass die einfachsten Sicherheitsmaßnahmen jetzt nicht mehr auf sich warten lassen können. Und das ist zum Beispiel ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Wir rasen immer weiter in diese Katastrophe rein. UN-Generalsekretär António Guterres hat das gesagt bei der Eröffnung der COP-27-Klimakonferenz. Wir sind auf dem Highway in die Klimahölle und die Staaten treten noch aufs Gaspedal. Wir müssen jetzt bremsen und da braucht es zum Beispiel als ersten Schritt ein Tempolimit oder auch die Fortführung des 9-Euro-Tickets.

Wir sind auf dem Highway in die Klimahölle und die Staaten treten noch aufs Gaspedal.

Carla Hinrichs in Anlehnung an António-Guterres-Eröffnungsrede bei der UN-Klimakonferenz 2022

Und wenn in der Politik jetzt über Haftstrafen für Klimaaktivisten debattiert wird – diskutieren Sie darüber auch in Ihren Gruppierungen mit anderen Aktivistinnen und Aktivisten?

Wir sind angetreten mit dem Wissen, dass was wir tun, uns gegebenenfalls ins Gefängnis bringen wird. Ich mache das nicht gerne, ich wünschte es wäre nicht notwendig, aber ich weiß aus der Geschichte, dass friedlicher, ziviler Widerstand das effektivste Mittel ist, um wirklich bei so großem Unrecht schnellen Wandel zu bewirken. Wir haben nur noch kurze Zeit, wir brauchen einen schnellen Wandel. Deswegen bin ich, auch wenn es mir weh tut, bereit dafür ins Gefängnis zu gehen. Deswegen sitzen jetzt gerade 13 meiner Mitstreiterinnen im Gefängnis in München, für mehr als einen Monat.

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Autorin

  • Anja Goerz
    Anja Goerz

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 8. November 2022, 8:40 Uhr