Brandanschlag auf Bremer "Friese": "Hass gegen Andersdenkende"

Mehrjährige Haftstrafe nach Brandstiftung in Bremer Jugendzentrum

Bild: dpa | Sina Schuldt

Nach dem Brandanschlag auf das Jugendzentrum "Friese" fällt das Landgericht ein klares Urteil. Der Haupttäter muss wegen schwerer Brandstiftung und Körperverletzung ins Gefängnis.

Das Konzert im Erdgeschoss des Jugendzentrums Friesenstraße ist am späten Abend des 15. Februar 2020 in vollem Gange, als Besucher Rauch bemerken. Es beginnen für die Gäste Minuten voller Panik. Erst suchen sie nach dem Feuer im Erdgeschoss, dann sieht einer der Besucher, wie aus einem Fenster im ersten Stock des Gebäudes dichter Qualm quillt.

Als er die Tür zum Jugendcafé öffnet, schlagen ihm Flammen entgegen. "Wie ein Inferno" habe das ausgesehen, erzählte der Zeuge vor Gericht. Panisch durchsucht er die zweite Etage des Gebäudes, das als Backstage-Bereich genutzt wird. An diesem Abend aber hält sich dort zum Glück niemand auf.

"Glück im Unglück", dass nicht noch mehr passierte

Das Jugendzentrum "die Friese"
Das Jugendzentrum "die Friese". Bild: Radio Bremen

Mindestens 27 Menschen feierten laut Gericht zur Tatzeit im linksalternativen Zentrum "Friese", bei drei Personen konnte das Gericht konkrete Verletzungen nachweisen. Es sei "Glück im Unglück", dass nicht noch mehr passiert sei. So fasst es der Vorsitzende Richter Hendrik Göhner bei der Urteilsverkündung zusammen.

Das Bremer Landgericht verurteilt den 29 Jahre alten Hauptangeklagten Jan E. wegen schwerer Brandstiftung und mehrfacher Körperverletzung zu vier Jahren und neun Monaten Gefängnis. Die beiden anderen Angeklagten kommen mit Bewährungsstrafen wegen unterlassener Hilfeleistung davon. Sie seien zwar Mitwisser, aber nicht Mittäter gewesen, so das Gericht.

Hass als Beweggrund

Damit geht die Große Strafkammer bei Jan E. sogar ein Jahr über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Der Vorsitzende Richter begründet das mit dem Beweggrund der Tat: Hass auf politisch andersdenkende Menschen. "Es ging darum, den Leuten in der Friese etwas kaputt zu machen", so der Vorsitzende Richter, "weil sie nicht ins politische Weltbild passten."

Ein Weltbild, von dem sich die Prozessbeobachter am vierten Verhandlungstag im Februar haben überzeugen können. Die Ermittlungsführerin des Bremer Staatsschutzes berichtet da von der Hausdurchsuchung auf dem Hof von Jan E. im Landkreis Verden. Bei der Durchsuchung machten die Beamten Fotos, die auf den Monitoren im Gerichtssaal gezeigt werden.

Ermittler fanden "Nazi-Schreckenskabinett"

Anwältin Lea Voigt, eine Frau mit dunklen langen Haaren und Brille in einem Gerichtssaal.
Anwältin Lea Voigt nennt die Wohnung des Angeklagten ein "Nazi-Schreckenskabinett". Bild: Radio Bremen

Die Bilder dokumentieren ein regelrechtes "Nazi-Schreckenskabinett", wie es Lea Voigt, die Anwältin der Nebenklage formuliert: An der Wand hingen Reichskriegs- und Hakenkreuzflagge, im Bücherregal stand ein Exemplar von Hitlers "Mein Kampf", in der Scheune fanden die Ermittler ein in den Boden geritztes Hakenkreuz mit dem Schriftzug "Danke Uwe", eine Anspielung an den NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt.

Rechtsanwältin Voigt sagt, in den Akten gebe es zudem Hinweise auf eine Vernetzung mit anderen militanten Neonazi-Gruppen über Bremen und Niedersachsen hinaus. Das sei in den Ermittlungen aus ihrer Sicht nicht ausreichend ausgeleuchtet worden. Aber immerhin sei jetzt klar, "dass es auch in Bremen Neonazis gibt, die nicht nur dieser Ideologie anhängen, sondern auch bereit sind, dem Taten folgen zu lassen".

Ein rechtsextremer Anschlag, wenn auch nicht von langer Hand geplant

Zwei Männer mit aufgerollten Fahnen stehen neben einem Polizisten
Auch die anderen beiden Männer sind seit längerem in der rechtsextremen Szene aktiv. Etwa im Umfeld der Neonazi-Partei "Die Rechte". Bild: Recherche Nord

"Dass es sich hier um einen rechtsextremen Anschlag handelt, ist aus unserer Sicht erwiesen", sagt Lea Voigt. Dass die Tat, wie das Gericht befand, nicht von langer Hand geplant gewesen sei, mache für diese Bewertung keinen Unterschied.

Das Gericht geht von einer spontanen Tat aus: In latent aggressiver Grundstimmung seien die Angeklagten an jenem Abend durchs Viertel gezogen. "Sie waren auf Stress aus", so Richter Göhner. Die "Friese" sei dabei nicht zufällig ausgewählt worden, sie sei seit langem als linker Treffpunkt bekannt und durch entsprechende Sticker und Plakate auch als solcher erkennbar.

War es sogar eine versuchte Tötung?

Im ersten Stock des Jugendzentrums spielten zwei der Angeklagten Tischkicker, während der Hauptangeklagte in den Nebenraum ging. Dort zündete er nach Überzeugung des Gerichts den Ärmel einer Jacke an – und nahm dabei in Kauf, dass viele Menschen durch den Brand verletzt werden könnten.

Ein Gruppe demonstriert mit einem Banner "Nie wieder Faschismus".
Während der Urteilsverkündung demonstrieren einige gegen rechte Gewalt. Bild: Radio Bremen

Die anderen beiden Angeklagten hätten den Brand zwar nicht gelegt, aber sie holten auch keine Hilfe. Stattdessen gingen sie nach Hause. Deshalb wurden sie wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt.

Viel hat offenbar nicht gefehlt – und die Strafe für den Hauptangeklagten wäre noch um einiges höher ausgefallen. Denn auch ein versuchtes Tötungsdelikt hat das Gericht zumindest in Erwägung gezogen. Hätte der Angeklagte mehr als einen Brandherd gelegt oder direkt im Erdgeschoss gezündelt, dann hätte das Urteil auch auf versuchten Mord lauten können. So aber konnte ihm nicht nachgewiesen werden, dass er den Tod von Menschen billigend in Kauf genommen habe.

Darstellung der Angeklagten sei "unplausibel"

Als "völlig unplausibel" hingegen stufte das Gericht die Darstellung der Angeklagten ein. Sie hatten angegeben, volltrunken gewesen zu sein. Sie hätten in der Friese nur auf die Toilette gehen wollen – dass es sich um ein linkes Zentrum handelte, hätten sie nicht gewusst. Und die Kleidung sei beim Anzünden einer Zigarette eher versehentlich in Brand geraten.

Ein von Reue geprägtes Geständnis sei das sicher nicht gewesen, so der Vorsitzende Richter. Dass die Strafe höher ausfiel als erwartet, das lag in erster Linie an der politischen Motivation des Haupttäters – und an den nachhaltigen Folgen für die Opfer.

Sie berichteten im Prozess, dass sie noch Wochen nach der Tat unter Husten, Schlafstörungen und Flashbacks litten. Aber besonders eine Vorstellung macht vielen Betroffenen aus der "Friese" und der linken Szene bis heute zu schaffen: Dass jemand vorsätzlich Feuer gelegt hat, aus einem einzigen Grund: um politisch Andersdenkenden zu schaden.

Rückblick: Warum läuft die Aufklärung des "Friese"-Brandanschlags so schleppend?

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 22. Mai 2025, 19:30 Uhr