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Was tun, wenn der finanzielle Kollaps droht, Frau Oelmann?

Was tun, wenn der finanzielle Kollaps droht, Frau Oelmann?

Bild: Radio Bremen

Die Beratungstermine der Verbraucherzentralen sind so begehrt wie nie. Im Interview mit Felix Krömer erklärt die oberste Verbraucherschützerin Bremens, welche Hilfen die Menschen jetzt brauchen.

Es ist schon bizarr, stellt buten-un-binnen Moderator Felix Krömer am Anfang des Gesprächs fest. Wenn die Verbraucherzentralen Hochkonjunktur haben, läuft irgendwas schief im Land. Die Menschen sind angesichts der steigenden Preise und hohen Energiekosten verunsichert. Wer in die Beratung von der Bremer Verbrauchzentrale kommt, deren Vorständin Annabel Oelmann ist, sucht Rat, wie es über den Winter finanziell weitergehen kann.

Welche Möglichkeiten haben Verbraucher, die nicht noch mehr sparen können, weil sie schon am Limit sind? Und warum hält die Vorständin der Bremer Verbraucherzentrale die angekündigte Gaspreisbremse für sozial ungerecht? Das sind nur zwei Themen im knapp einstündigen Gespräch mit Felix Krömer.

1 Welche Rechte haben Verbraucher, wenn sich der Abschlag erhöht?

Verbraucher, für die sich der Abschlag ändern soll, haben ein Sonderkündigungsrecht. Stimme der Kunde der Erhöhung nicht zu, könne er aus dem Vertrag raus, erklärt Oelmann. Die Verbraucherschützerin hat den Eindruck, dass viele Versorger die Kunden auch gar nicht halten wollen. Von einer Ersatzversorgung führt der Weg in die Grundversorgung. Die Verbraucher können sich frei für einen Versorger entscheiden. Das hätten viele genutzt, jahrelang auf sogenannte Discount-Preise gesetzt und jährlich den Versorger gewechselt. Das Problem dabei: "Diese Anbieter kaufen sehr kurzfristig Gas ein," erklärt Oelmann. Das ist aktuell teuer und die Anbieter erhöhen den Abschlag bei den Kunden.

Grundversorger wie die SWB kaufen langfristiger ein und planen anders. Deshalb sehe die Lage für die meisten der 120.000 SWB-Kunden in Bremen und Bremerhaven noch entspannt aus. Irgendwann kommt auch da das dicke Ende, das zeige die Langfristigkeit dieser Krise, meint Oelmann. Verbraucher können auch selbst ihren Abschlag anpassen. Warum die Verbraucherschützerin davon abrät, erklärt sie ab Minute 10:22.

2 Was ist mit Menschen, deren Einsparpotenziale aufgebraucht sind?

Nicht jedes Zimmer heizen, auf den Verbrauch achten und den Anbieter wechseln: An welchem Punkten Verbraucher sparen können, komme auf die individuelle Situation an. Feststeht für Oelmann aber auch: "Wir alle werden mehr bezahlen müssen." Neben Energiekosten könne jeder Verbraucher überlegen, wo an anderen Stellen noch Einsparungen möglich sind, zum Beispiel beim Zeitungsabo oder der Fitnessstudio-Mitgliedschaft. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher würden das auch schon vorbildlich umsetzen, weiß die Verbraucherschützerin.

Wir werden einen ganzen Teil der Bevölkerung haben, die ihr Lebtag ohne Sozialleistungen durchgekommen sind, die jetzt aber Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen.

Felix Krömer fragt Annabel Oelmann
Annabel Oelmann, Vorständin Bremer Verbraucherzentrale

Irgendwann kann nicht noch mehr gespart werden, das Einsparpotenzial ist erschöpft. In diesem Fall rät die Verbraucherschützerin: "Sofort in die Beratung gehen. Beziehungsweise auch überlegen, habe ich jetzt Anspruch auf Sozialleistungen, die ich vielleicht vorher nicht hatte." Das sei keine leichte Erkenntnis und bei vielen mit Hemmungen verbunden. Warum es wichtig ist, sich Hilfe zu holen, erklärt Oelmann ab Minute 13:12.

3 Bremen bemüht sich im Bundesrat um ein Moratorium für Energiesperren. Ist das eine echte Lösung?

Zurzeit gibt es kein allgemeines Moratorium für Energiesperren. Das habe es zuletzt unter Corona gegeben. Eine richtige Lösung sieht Oelmann darin allein nicht. Ein Moratorium sei letztlich nichts anderes als eine Stundung, ein Aufschub der Zahlung. "Wenn der Zeitpunkt aber am Ende erreicht ist, dauert das keine drei Tage, dann habe ich die Forderung aus dem gesamten Zeitraum, plus was vorher war und meinen nächsten Abschlag," sagt sie. Oelmann fordert zusätzlich einen Lösungsansatz für die Zeit des Moratoriums. Die Betroffenen sollten währenddessen klären können, welche Ansprüche sie auf Sozialleistungen hätten.

Es ist vernünftig das zu tun, wenn wir uns um die Lösung des echten Problems dahinter kümmern. Die reine Stundung bringt gar nichts.

Felix Krömer fragt Annabel Oelmann
Annabel Oelmann, Vorständin der Bremer Verbraucherzentrale

In Bremen und Bremerhaven gibt es Härtefallfonds, warum die Städte damit ganz vorne dabei sind, erklärt Oelmann ab Minute 17:02.

4 Was ist von der angekündigten Gaspreisbremse zu halten?

Im Ansatz findet die Verbraucherschützerin die Pläne zur Gaspreisbremse gut. Die Maßnahme komme aber zu spät, sei viel zu pauschal und sozial nicht gerecht. Im Dezember einen einmaligen Abschlag und ab März dann ein gedeckelter Preis für einen gewissen Verbrauch, so lautet der Vorschlag der Experten-Kommission. Oelmann befürchtet, dass Menschen, die jetzt kurz über dem Anspruch auf Sozialleistungen stehen, zwischen Dezember und März abrutschen könnten.

Es ist wieder eine Gießkanne auf alle. Es kriegen Menschen, die es nicht brauchen. Und die Menschen, die Hilfe brauchen, kriegen nicht genug Hilfe.

Felix Krömer fragt Annabel Oelmann
Annabel Oelmann, Vorständin Bremer Verbraucherzentrale

Es sei zu viel Zeit verschwendet worden. Ein Vorwurf, den Oelmann der Bundesregierung macht. Nur die Gaspreisbremse allein reiche nicht, es brauche weitere Bausteine. Ein Moratorium könne einer davon sein, ein weiterer ein bundesweiter Härtefallfonds. "Wir wissen jetzt seit Ende des ersten Quartals 2022, wir laufen auf ein großes Problem zu." Warum die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen, erklärt Oelmann ab Minute 22:46.

5 Ist der Sparanreiz in der Gaspreisbremse ausreichend?

Die Verbraucherschützerin sieht in erster Linie eine symbolische Wirkung beim Preis. Auch abseits davon würden sich die Verbraucher Gedanken machen, wo sie sparen können. Viele setzten auf Tipps der Verbraucherzentrale, wie am Verbrauch gespart werden kann oder welche Möglichkeiten sie beim Sanieren ihres Eigenheims hätten.

Nicht nur auf Grund der Energiekrise sei das wichtig, findet Oelmann, auch wegen des Klimawandels. "In den letzten Jahren war es ja eher so, das der Verbrauch nach oben, statt nach unten gegangen ist," sagt sie, "vom Auto bis zur Wohnung, es wurde alles größer, breiter, schneller, höher." Auf die Schnelle eine Wärmepumpe installieren, wird wohl nichts. Schnell umsetzbare Tipps zum Energiesparen gibt Oelmann bei Minute 41:32.

Das macht Bremer Mietern gerade besonders Sorgen

Bild: dpa | Stephan Schulz

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