Wie diese Bremer Familie trotz mehrerer Schicksalsschläge zusammenhält

Vier Menschen, Familie Lorenz, sitzt an ihrem Esstisch und schaut in die Kamera.
Bild: Radio Bremen | Rebecca Küsters

Gleich drei Herzinfarkte, Koma und schließlich eine Herztransplantation. Das hat eine Bremer Familie durchgestanden – gemeinsam. Bis heute hat sie eine besondere Verbindung.

Dass die Familie Lorenz an einem sonnigen Tag im Herbst 2022 gemeinsam am Esstisch sitzen und ihre Geschichte erzählen kann, das grenzt an ein Wunder. Denn noch vor einem Jahr sah das Leben von Holger, Sabine und ihren Kindern Jenny und Steven ganz anders aus.

Ein Leben im Krankenhaus

Nach mehreren Herzinfarkten, wochenlangem Koma und einem Kunstherz (eine Maschine außerhalb des Körpers, die die Arbeit des Herzens übernimmt) liegt Vater Holger 2021 im Krankenhaus und wartet auf ein neues Herz. Jeden Moment kann der entscheidende Anruf kommen, die Transplantation starten. Darum darf der heute 48-Jährige seine Station im Herzzentrum in Bad Oeynhausen nicht verlassen – sechs Monate lang.

Meine Familie ist mein Leben. Sie waren immer da, egal, wie schlecht es mir ging, egal, wie gut es mir ging.

Holger Lorenz

Dabei immer an seiner Seite: Seine Frau Sabine. Neben täglichen Telefonaten nimmt sie so oft wie irgend möglich die insgesamt vierstündige Zugfahrt auf sich, um bei ihrem Mann zu sein – und das neben dem Haushalt, den zwei Kindern und ihrem Job.

Noch schwieriger macht diese Zeit die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Besuchsregeln im Krankenhaus. Zunächst durfte gar kein Besuch kommen, später dann immer nur eine Person pro Tag, für zwei Stunden. "An Weihnachten war eigentlich geplant, dass wir drei alle bei meinem Mann sind. Das ging dann aber nicht, also ist jeden Tag einer hingefahren", erinnert sich Sabine.

Enge Verbindung, sogar im Koma

Und diese Meisterleistung schafft sie nicht erst seit dem Aufenthalt auf der Station für die Transplantation – schon beim ersten Herzinfarkt im Winter 2009, als Holger im Wohnzimmer der Familie zusammenbricht und anschließend mehrere Wochen im Koma liegt, ist sie tagtäglich an seiner Seite, genau wie seine Kinder.

Man hat das an der Herzfrequenz gesehen: Als ich reinkam habe ich schon am Rhythmus gesehen, dass er mitgekriegt hat, dass ich jetzt da bin.

Sabine Lorenz

"Oma hat uns abgeholt von der Schule und wir sind direkt ins Krankenhaus. Da haben wir in der Cafeteria Mittag gegessen", erinnert sich Jenny zurück an diese Zeit. Heute ist sie 24 Jahre alt, als ihr Vater den ersten Herzinfarkt hatte war sie gerade einmal 10.

Riesiger Zusammenhalt in der Familie

Doch wie übersteht man solch eine schwere Zeit? Neben professioneller psychologischer Hilfe vor allem: durch den Zusammenhalt in der Familie. Jeden Abend saßen Sabine, Jenny und Steven zusammen und haben sich ausgetauscht, über die Situation, über ihre Sorgen und Probleme.

"In dem Moment haben wir als Familie einfach funktioniert", sagt Sabine. Die Kinder hätten mit angepackt, hätten gelernt zu kochen und im Haushalt zu helfen – und seien dadurch schon früh selbstständig geworden. "Wir haben uns gegenseitig Kraft gegeben, sind abends zum Beispiel was essen gefahren und haben Mama eingeladen, haben einen Filmabend gemacht", sagt Tochter Jenny.

Ohne meine Familie wäre ich nicht so alt geworden, wie ich jetzt bin. Dann hätte ich irgendwann aufgegeben.

Holger Lorenz

Und auch der Rest der Familie, ob Großeltern oder Onkel und Tanten, seien bereit gewesen, jederzeit alles zu geben. Im Alltagsleben, aber auch zum Beispiel am Hochzeitstag: Damals zogen alle mit, um Holger eine Freude zu machen. Eigentlich durfte er die Station nicht verlassen. Und dann standen plötzlich seine Frau und seine Tochter im Zimmer, mit seiner Mütze in der Hand. "Die meinten, 'Komm, aufsetzen, wir gehen raus'", erzählt Holger. Und im Garten des Klinikums wartete dann die Überraschung: Die ganze Familie war gekommen, mit Kaffee und Kuchen, um den Tag zu feiern.

"Wir haben geweint vor Freude"

Während Mutter Sabine und der Rest der Familie zuhause versucht haben, den Kindern einen halbwegs normalen Alltag zu ermöglichen, liegt Holger weiter Tag ein, Tag aus auf der Station im Krankenhaus – bis am 2. Dezember schließlich der erlösende Anruf kommt, um halb drei in der Nacht. "Auf einmal standen die Schwestern und Pfleger um mein Bett herum", erinnert sich Holger. "Da habe ich natürlich sofort meine Frau angerufen, wir haben beide fürchterlich geweint."

Und dann geht alles ganz schnell: Schwestern und Pfleger, die in den Monaten auf Station "wie ein Teil der Familie" geworden sind, stehen Spalier als Holger für die Transplantation zum OP-Saal gefahren wird. Danach folgen noch einige Tage im Koma, um dem Körper Zeit zum Heilen zu geben – und dann erwacht Holger, mit einem neuen Herzen.

Wie ein zweiter Geburtstag

Heute, mehr als zehn Monate anstrengender Genesung später, kann die Familie wieder einen halbwegs normalen Alltag führen, doch der Zusammenhalt hat nicht nachgelassen. Egal, womit, wenn jemand Hilfe braucht, dann sind die anderen da.

Und auch gemeinsame Unternehmungen stehen auf dem Plan, unter anderem auch eine "Herz-Party" am Tag vor Holgers Geburtstag. Gemeinsam mit der Familie, mit Freunden und den Schwestern aus dem Krankenhaus – sprich "mit allen, die mir und meiner Familie geholfen haben" – feierte Holger im vergangenen Mai den Zusammenhalt, der ihm das Leben gerettet hat.

Man darf niemals aufgeben. Es kommen auch wieder gute Tage, es gibt immer einen Weg. Und wenn nicht, dann kann man zumindest sagen: Wir haben alle zusammen gekämpft.

Holger Lorenz

Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 7. November 2022, 19:30 Uhr