Interview
Was passiert, wenn sich zwei Fremde große Fragen des Lebens stellen?
Im neuen Podcast "DeepDialog" gibt es keinen Smalltalk. Macherin Ann-Kristin Hitzemann aus Bremerhaven erzählt, wie das Menschen verbinden kann und warum dabei auch mal Tränen fließen.
Die Bremerhavenerin Ann-Kristin Hitzemann wollte ein Experiment starten: Was passiert, wenn sich zwei Fremde treffen, den Smalltalk überspringen und sich direkt die tiefen Fragen des Lebens stellen? Mit der Idee gewann die Grafikerin und Mediengestalterin den Wettbewerb "ARD Kultur Creators". Aus Hitzemanns Idee ist jetzt der Podcast "DeepDialog" entstanden. Ab dem 10. November erscheint jeden Donnerstag eine neue Folge in der ARD-Audiothek.
Frau Hitzemann, in Ihrem Podcast befinden sich die zwei Gäste in getrennten Räumen in einer Altbauwohnung in Bremerhaven. Warum sollen sich die Menschen beim Gespräch nicht sehen?
Wenn man sich normal unterhält, hat man unbewusst vielleicht ein paar Vorurteile. Die Kleidung und der Look verraten ja schon meistens ganz viel über jemanden. Und wenn diese ganzen Eindrücke wegfallen, konzentriert man sich auf ganz andere Inhalte. Es geht darum zu gucken, was unter der Oberfläche von jemandem brodelt. Und was zwei Menschen verbindet, die sich sonst im Alltag vielleicht nie kennengelernt hätten.
Sie haben den Gesprächen über Kopfhörer zugehört. Gab es für Sie besonders bewegende Momente?
Ein Moment aus der zweiten Folge ist auf jeden Fall hängen geblieben. In der Folge trifft der Musical-Darsteller Hans auf Jacqui, die aus Südafrika nach Bremerhaven gekommen ist. Und Hans erzählt die Geschichte von einem guten Freund, der sehr krank ist. Der kranke Freund war an einem Tag plötzlich nicht erreichbar und alle waren total unsicher, ob was Schlimmes passiert ist. Und während Hans die Geschichte von diesem Tag erzählt, sind Tränen geflossen. Ich habe es in dem Moment ja auch nur über Kopfhörer mitgehört und Hans nicht gesehen. Aber es war sehr bewegend, weil man irgendwie doch verbunden war. Ich konnte so mitfühlen, weil ja jeder vielleicht schon mal in einer Situation war, wo man sich wirklich Sorgen um eine liebe Person gemacht hat.
In jeder Folge ziehen die Gäste Zettel mit Fragen aus einem Glas. Was sind gute Fragen, um den Smalltalk zu überspringen und gleich tiefe Gespräche zu starten?
Also meine Lieblingsfrage zum Einstieg ist: Zu welchem Thema hast du unglaublich viel Wissen, kannst es aber nie erzählen, weil keiner danach fragt? Das ist vielleicht nicht so eine tiefgründige Frage, aber ein super Eisbrecher. Viele haben da direkt Ideen zu im Kopf – sei es das komische Hobby, oder Sachen, die ich im Studium gelernt habe. In einer Folge hatten die Gäste aber auch ganz am Anfang die Frage, was Liebe für sie bedeutet. Sie hatten sich noch nie vorher getroffen und dann direkt so eine Frage. Aber sie haben sie sehr schön beantwortet. Andere gute Fragen: Was war ein großer Wendepunkt in deinem Leben? Was hat dich zum Weinen gebracht? Wer ist dir sehr nah aus deiner Familie? So was zum Beispiel.
Können Sie nach der Podcast-Aufzeichnung beantworten, was zwei völlig fremde Menschen zusammenhält?
Ich glaube, dass uns oft die gleichen Momente zum Lachen und zum Weinen bringen. Und dass wir auch über blöde Witze lachen, egal in welcher Position wir sind und welcher gesellschaftlichen Schicht wir angehören. Wir haben alle unser Päckchen zu tragen. Und an manchen Punkten kommt man vielleicht auch nicht zusammen – das kann man dann auch akzeptieren. In einer Folge ist zum Beispiel auch eine junge Politikerin zu Gast. Und da habe ich mir gedacht: Okay, ich bin bei einigen Sachen ganz anderer Ansicht. Aber trotzdem fand ich sie als Mensch total nett. Also vielleicht hilft es, die Person als Ganzes zu sehen und nicht nur das Trennende.