Den Bremer Schnoor abreißen? Dieser Mann drohte mit Aufstand

Olaf Dinné wohnt mit seinen Ziegen auf dem Stadtwerder.

Schnoor 8: Architekt Olaf Dinné

Bild: Radio Bremen | Kerstin Burlage

Nach dem Krieg zog es den Architekten Olaf Dinné in den Schnoor. Er packte mit an beim Wiederaufbau des damals zerbombten Viertels. Aber lange hielt es ihn nicht dort.

Olaf Dinné erinnert sich, dass es damals "noch jede Menge Ruinen im Schnoor" gab. So stand zum Beispiel im Spiekerbart ein kaputtes Haus, in dem eine alte Frau wohnte. Sie hatte nur noch eine Pappdach über dem ersten Geschoss. Sonst stand da gar nichts mehr. Spiekerbart 1- 2 ist das einzige Haus in einer Gasse, die so winzig, ist dass man sie leicht übersieht. Er entdeckt es 1959, zusammen mit zwei Freundinnen. Sie kommen mit der Bewohnerin ins Gespräch.

Dann haben wir ihr angeboten, wir würden ihr 'ne Wohnung beschaffen, wenn sie auszöge – mit dem Hintergedanken: So improvisiert wohnen wie die können wir auch.

Olaf Dinné
Haus in der Mitte steht in der Spiekerbart-Gasse im Schnoor-Viertel
Die Spiekerbartstraße führt von der Schnnor-Gasse auf die Marterburg. Bild: Radio Bremen | Heike Kirchner

Gesagt getan: Die Drei finden eine Wohnung und ziehen bald darauf selbst in die Ruine ein. Dann kommen sie auf die Idee, das Haus vielleicht wieder hochmauern zu können. Olaf Dinné ist zu dieser Zeit bereits Architekturstudent und kann deshalb mauern. Was man übrigens noch heute im Gässchen Spiekerbart sehen kann: Mit Original-Steinen aus dem Mittelalter, die er zunächst aufwendig beschaffen muss, baut er das Haus wieder auf – originalgetreu, schmal und mit kleinen Fenstern.

Stadt Bremen plant Abriss des Schnoor

Haus in der Spiekerbart-Gasse im Schnoor-Viertel
Seine ehemaliger Wohnsitz im Schnoor befand sich in dieser engen Gasse. Bild: Radio Bremen | Kerstin Burlage

Der mittlerweile 87-Jährige ist groß, schlank und mit einer bestickten Schirmmütze auf dem Kopf. Heute wohnt er auf dem Stadtwerder. Aber seine bewegten Jahre im Schnoor hat er noch genau vor Augen: "Nachdem da nun ein Haus nach dem anderen wieder instandgesetzt wurde, zogen da überall Künstler ein." Die um ihre neuen Behausungen schon bald fürchten müssen: Die Stadt Bremen plante den Abriss des gesamten Schnoor-Viertels.

Dinné erinnert sich immer noch kopfschüttelnd an die Pläne: "Die wollten einen Park da hinmachen und wollten als städtebauliche Dominante mitten in diesen Park ein Hochhaus stellen. Das muss man sich mal vorstellen – also, unmöglich."

Angedrohter Aufstand verhindert Abriss

Olaf Dinné gehört zu einer Handvoll Bremern, die das unbedingt verhindern wollen. Er tritt deshalb extra in die SPD ein – zusammen mit 15 weiteren neuen Schnoor-Bewohnern. Zusammen mit Claus Grobecker (SPD) geht er zu Richard Boljahn. Der Politiker ist zu dieser Zeit der starke Mann in der SPD und wird von allen deshalb "König Richard von Bremen" genannt. Ihm tragen sie ihr Anliegen vor: Der Schnoor soll nicht abgerissen werden!

Der angehende Architekt argumentiert, dass es schließlich das letzte erhaltene Mittelalter-Viertel in Bremen sei, doch der Bürgerschaftsabgeordnete lässt nicht mit sich reden. Dinné allerdings auch nicht. Er droht mit Aufstand.

Und so lässt sich Richard Boljahn schließlich doch auf ihn ein: Der der Bebauungsplan wird gestürzt und der Schnoor so erhalten, wie er heute noch ist.

Flucht vor Touristen im Bremer Schnoor

Inschrift am Haus in der Spiekerbart-Gasse im Schnoor-Viertel
Die Inschrift am Haus im Spiekerbart verleitet viele Touristen zum lauten Entziffern. Bild: Radio Bremen | Heike Kirchner

Aus jetziger Sicht ein klarer Gewinn auch für Bremen – schließlich hat es besonders dem Schnoor zu verdanken, dass jedes Jahr so viele Touristen kommen. Die allerdings auch der Grund dafür sind, dass Olaf Dinné 1976 den Schnoor wieder verlässt. Zu viele Besucher kommen in den Spiekerbart, um das einzige Haus dort anzugucken und die alte Inschrift über der niedrigen Tür zu entziffern.

…und die standen dann immer und buchstabierten: "ist – Gott – mit – uns" und wenn Sie das bis drei Uhr nachts hören, wird das traumatisch, ne?

Olaf Dinné

Über das Ende der Geschichte muss er jetzt selbst lachen.

Autorin

  • Kerstin Burlage
    Kerstin Burlage Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Vormittag, 21. Mai 2023, 15:43 Uhr