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Halbzeit-Check: Was der Bremer Senat am Hauptbahnhof erreicht hat

Seit knapp zwei Jahren regiert in Bremen der zweite rot-grün-rote Senat. Mit welchem Erfolg? Das prüft buten un binnen in einer Serie. Heute: der Bremer Hauptbahnhof.
Kein zweiter Ort beschäftigte die Menschen in der Stadt Bremen im Vorfeld der Bürgerschaftswahl 2023 so sehr wie der Hauptbahnhof und seine nähere Umgebung. Denn hier, so der Eindruck vieler, hatte man vermeintlich typische Probleme Bremens so genau vor Augen wie sonst nirgends: eine wachsende Zahl Drogensüchtiger und – damit einhergehend – viel Beschaffungskriminalität.
Der hohen Bedeutung des Bahnhofs entsprechend, hat Bremens rot-grün-roter Senat dem Hauptbahnhof im Koalitionsvertrag ein eigenes Kapitel gewidmet. Das Ziel: Der Bahnhof möge sicherer und einladender werden, auch mit Blick auf Gäste der Stadt. Gleichzeitig wolle man sich um die Drogensüchtigen kümmern. Doch was hat der Senat bislang erreicht? Ein Überblick.
Was hat der Bremer Senat in seinem Koalitionsvertrag zum Bremer Hauptbahnhof versprochen?
Der Senat hat versprochen, einen ressortübergreifenden Aktionsplan zu verfolgen: "Für uns ist klar, dass polizeiliche und soziale Maßnahmen Hand in Hand gehen müssen", steht dazu im Vertrag.
Konkret werde man Akzeptanzorte "für Menschen mit dem Lebensmittelpunkt Straße einrichten". Den Drogenkonsumraum in der Friedrich-Rauers-Straße werde man "schnellstmöglich mit erweiterten Öffnungszeiten mit dem Ziel fest etablieren, Suchtkranke in eine Therapie und betreutes Wohnen zu vermitteln." Darüber hinaus verspricht der Senat im Koalitionsvertrag, bis Ende 2025 eine Diamorphinambulanz für Heroin- und Crackabhängige einzurichten sowie einen weiteren dezentralen Konsumraum – und zwar, "um eine fortgesetzte Ballung dieser Gruppe am Hauptbahnhof zu vermeiden".
Zudem wolle man zum Wohle der Nutzerinnen und Nutzer des Bahnhofs "die dauerhafte Präsenz von Einsatzkräften sowie gezielte Aktionen gegen den Drogenhandel gewährleisten".
Was davon hat der Bremer Senat bisher erreicht?
Wie René Möller, Sprecher des Bremer Innenressorts, mitteilt, arbeite eine Task Force der Polizei Bremen am Hauptbahnhof erfolgreich gegen "sichtbaren Drogenhandel". Die ohnehin hohe Präsenz der Polizei am Hauptbahnhof habe der Senat weiter verstärkt. Auch patrouilliere die "Quattro-Streife" aus Polizei Bremen, Bundespolizei, Ordnungsdienst und DB Sicherheit seit Juni 2024 wochentags gemeinsam durch den Bahnhof. Die Straftaten am Hauptbahnhof seien 2024 um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen – ein Erfolg, den das Ressort auf die hohe Polizeipräsenz zurückführt. Auch im Hauptbahnhof, wo die Bundespolizei zuständig ist, sind die Straftaten im vergangenen Jahr zurückgegangen.
Doch nicht nur bei den polizeilichen Maßnahmen ist der Senat – zumindest nach eigenem Dafürhalten – am Bahnhof weiter gekommen. Kristin Viezens, Sprecherin des Gesundheitsressorts, verweist auf ein "Handlungskonzept zur Bekämpfung von Suchterkrankungen und deren Folgeerscheinungen", das der Senat mit Blick auf die vielen Crack-Süchtigen in Bremen im September 2023 beschlossen habe und das nun nach und nach greife – mit sichtbaren Ergebnissen auch am Hauptbahnhof.
Sozialressort: Mehr Streetworker rund um den Bahnhof
So ist dem Sozialressort zufolge die Sozialarbeit im Bahnhofsumfeld aufgestockt worden. Im Nelson-Mandela-Park (beim Elefanten) sei zugleich ein fester Treffpunkt für diejenigen geschaffen worden, die von den Streetworkern in der warmen Jahreszeit betreut würden. "Im Winter gibt es das Angebot des "Wärmebusses" – der von der BSAG zur Verfügung gestellt und vom Streetwork betreut wird", teilt das Ressort weiter mit.
Viezens zufolge hat Bremen auch die aufsuchende Sozialarbeit verstärkt sowie Budgets bestehender Einrichtungen der Drogenhilfe "an die gestiegenen Bedarfe angepasst." Zudem habe im Oktober 2024 der Umbau der Immobilie in der Friedrich-Rauers-Straße für den integrierten Drogenkonsumraum begonnen. Dazu teilt Viezens mit: "Dort sollen die Angebote des Kontakt- und Beratungszentrums mit denen der Drogenkonsum-Containern in einer Immobilie zusammengeführt und ausgebaut werden. Die Inbetriebnahme der Räumlichkeiten ist derzeit im Frühjahr 2026 geplant."
Was plant der Senat außerdem für die nächsten Jahre?
Der Senat möchte den öffentlichen Drogenkonsum auf lange Sicht in "Suchthilfeangebote mit Stadtteilbezug" verlagern. Hierzu müssten in Absprache mit den Beiräten allerdings noch Drogenhilfe-Einrichtungen geschaffen werden.
Dazu erklärt Viezens: "Tagesaufenthalte sollten der Grundbaustein der Einrichtungen sein. Daneben sollte mindestens ein zusätzlicher Drogenkonsumraum zur Verfügung gestellt werden." Es sei indes schwer, geeignete Räume zu finden – auch, weil Abstände zu Kitas, Schulen und Jugendzentren geboten seien. Aktuell habe die Suche und Anmietung von Räumen in Gröpelingen und der Neustadt Priorität.
Wie wirken sich die Bemühungen des Senats rund um den Hauptbahnhof auf die Suchtkranken vor Ort aus?
Wer regelmäßig den Bremer Hauptbahnhof aufsucht, wird feststellen, dass es dort im Vergleich zu den Vorjahren tatsächlich ruhiger geworden ist. Doch diese Erfolge haben einen Preis. Das sagen übereinstimmend viele Akteurinnen und Akteure aus jenen sozialen Initiativen, die den Sozialstadtplan Bremen aufgebaut haben. Sie werfen dem Senat eine Politik der Vertreibung Obdachloser und Drogensüchtiger am Bahnhof vor. Das sei menschlich nicht okay. Auch erschwere es Helfern die Arbeit, da sie die Betroffenen nunmehr schwerer finden könnten.
Zudem ist die Zahl der Drogensüchtigen, zumal der Cracksüchtigen in Bremen (wie in allen deutschen Großstädten) weiter gewachsen. Das sagen nicht nur Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Diesen Schluss legen auch die Zahlen des Gesundheitsressorts aus dem Drogenkonsumraum nahe sowie jene des Statistischen Bundesamts. Es ist der Politik bislang nicht geglückt, nachhaltige Konzepte im Kampf gegen Suchtkrankheiten zu entwickeln – weder in Bremen noch andernorts.
Quelle: buten un binnen.