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Zu wenig Kapitäne, zu viele Hürden: Warum Hal över weniger fährt
Zu wenig Kapitäne, zu viele Hürden: Warum Hal över weniger fährt
Die Bremer Reederei Hal över macht deutlich weniger Fahrten als noch vor wenigen Jahren. Sie brauchen mehr Kapitäne. Doch das ist gar nicht so einfach. Wir erklären, warum.
Wo hat Hal över die Fahrten eingeschränkt?
Prokuristin Nicole Mohr zufolge macht Hal över nur noch rund ein Drittel der Fahrten von 2017. Insbesondere Charterfahrten lehne die Reederei mittlerweile regelmäßig aus personellen Gründen ab. Die Touren mit Fahrplan hat die Reederei ebenfalls stark gekürzt: Statt einst 35 Hafenrundfahrten in der Woche gibt es nur noch 18, von ehemals wöchentlich fünf Fahrten nach Bremerhaven sind nur noch drei übrig.
Auch andere regelmäßige Ausflüge – etwa Frühstücksfahrten oder Touren nach Oldenburg – sind selten geworden. Die Zahl der fehlenden Kapitäne liegt laut Geschäftsführer Jens Stellmann im unteren einstelligen Bereich, doch auch für andere Posten sucht Hal över Personal.
Müssen die Bremer sich nun Sorgen um Hal över machen?
Dazu besteht derzeit kein Anlass, bestätigt Stellmann. Hal över gehe es gut, muss aber bei allem personell jonglieren, was über den bekannten Fähr- und Tourismusbetrieb hinausgeht.
Wieso findet Hal över keine neuen Kapitäne?
Bewerbungen bekommt die Reederei mehrere in der Woche, berichtet Mohr gegenüber buten un binnen. Doch fehlt es den Bewerbern an den richtigen Patenten, also Führerscheinen. Die meisten Bewerber hätten das See-Patent. Damit stoßen sie auf der Weser in Bremen an ihre Grenzen, denn an der Bahnbrücke am GOP-Theater, wird die Weser – flussaufwärts betrachtet – von einer See- zu einer Binnengewässerstraße, es gelten andere Gesetze und ein anderes Funksystem. Für beide Seiten benötigen die Kapitäne verschiedene Papiere.
Ohne weiteres sei es darüber hinaus auch nicht möglich, die Grenze zwischen Binnen- und Seeschifffahrtstraßen zu verschieben, teilt das Bundesministerium für Verkehr (BMV) mit. Solch eine Änderung bedürfe fundierter wissenschaftlicher Grundlagen. "Ein Verschieben der Grenze in den Binnenbereich hinein wäre zudem mit erheblichen negativen Konsequenzen für die Nutzung der Wasserstraße verbunden. Auf Seeschifffahrtsstraßen gelten in der Regel deutlich höhere Anforderungen an Bau und Ausrüstung der Fahrzeuge", teilt ein Pressesprecher des Verkehrsministeriums mit.

Warum holen Bewerber nicht einfach das fehlende Patent nach?
Wer als Seefahrer das erforderliche sogenannte Unionspatent machen möchte, muss hohen Aufwand betreiben. Es stehen an: Eine aufwendige Theorieprüfung, nach der man laut Hal-över-Prokuristin Mohr 15 Monate Zeit hat für weitere Prüfungen in Streckenplanung und in einem Simulator. Außerdem ist ein weiteres Funkzeugnis nötig. "Wenn man dann schon 20 bis 30 Jahre als Kapitän zur See gefahren ist, dann setzt man sich nicht hin und lernt für eine so große Prüfung, damit man 300 Meter fahren kann", sagt Mohr.
Auch mit Unterstützung durch die Reederei können Kosten im hohen vierstelligen Bereich auf einen zukommen. Ein weiteres Hindernis ist, dass viele Bewerber schlecht Deutsch sprechen, sie kommen zum Beispiel aus Syrien oder der Ukraine. Die Prüfungsfragen seien aber so komplex, dass selbst Muttersprachler an ihre Grenzen stoßen.
Wer bereits Binnenschiffer ist, bekommt hingegen vergleichsweise zügig die Erlaubnis, zumindest bis Bremerhaven zu fahren. Denn dafür ist lediglich ein sogenanntes Streckenpatent nötig.
Wie wahrscheinlich ist die Rückkehr zur alten Regelung?
Die Chancen stehen aktuell sehr schlecht. Laut dem Bremer Staatsrat für Häfen, Kai Stührenberg, hat man bereits mehrmals beim zuständigen Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMV) um eine pragmatische Lösung gebeten. Viel mehr kann der Senat nicht machen. Man nehme die Sorgen von Hal över sehr ernst und man wisse auch von anderen betroffenen Unternehmen.
Zumindest in Bremen scheinen alle an einem Strang zu ziehen, bestätigt Hal-över-Chef Stellmann. Nur der Bund fehle. Der Senat sehe, so Stührenberg, zurzeit keine Möglichkeiten, das Problem sozusagen auf dem kurzen Dienstweg auf Länderebene zu lösen.
Das BMV sieht bislang nur die Lösung, dass sich die unternehmen an der Ausbildung von Binnenschiffern beteiligen – und so dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Allerdings arbeite die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr an einer Ausnahmevorschriften für kleineren Fahrgastschiffe. Ziel sei eine Vereinfachung für das Führen von Schiffen unter 35 Metern Länge und einer höchstzulässigen Fahrgastanzahl von 150 Personen. Für dieser Schiffe soll künftig ein vereinfachtes Befähigungszeugnis ausreichen, das unter erleichterten Bedingungen erworben werden kann. Diese Ausnahmevorschriften sollen noch im Laufe des Sommers in Kraft treten, teilt ein Pressesprecher des BMV auf Nachfrage von buten un binnen mit.
In Bremen würden nur vier Schiffe der Flotte von der Ausnahmevorschrift profitieren. Die großen Schiffe MS Hanseat, MS Oceana und die Gräfin Emma wären davon ausgenommen.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 21. Mai 2025, 8:40 Uhr