Fragen & Antworten
Woher die toten Wale an den deutschen Stränden kommen
Zwergwal auf Minsener Oog bei Wangerooge angespült
Ob gestrandet oder tot angespült: Immer wieder landen Wale an der deutschen Nordseeküste. Auch solche, die dort gar nicht leben. Zwei Biologen erklären, wie das kommt.
Zuletzt, am 13. Mai, ein Zwergwal auf Minsener Oog bei Wangerooge. Nur zwei Tage zuvor ein Buckelwal am Strand von St. Peter-Ording, im Februar ein weiterer Buckelwal auf Minsener Ooge und ein Pottwal auf Sylt: Immer wieder werden Wale an die deutsche Nordseeküste angespült – die einen tot, die anderen todgeweiht. Denn Wale, die stranden, verenden, wenn sie es nicht schnell zurück ins Wasser schaffen. Sie können ihre Körpertemperatur an der Luft nicht regulieren. Die Organe größerer Arten werden zudem vom eigenen Körpergewicht zerquetscht.
Wie aber kommt es dazu, dass auch solche Wale an der deutschen Nordseeküste auftauchen, die dort doch "eigentlich" gar nicht leben? Darüber hat buten un binnen mit der Meeresbiologin Thea Hamm von der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer gesprochen sowie mit ihrem Kollegen Holger Auel von der Uni Bremen.

Welche Wale, die an der deutschen Küste gesehen werden, leben tatsächlich in der Nordsee, welche haben sich dorthin verirrt?
Ganzjährig leben an der deutschen Nordseeküste nur Schweinswale, sagt Thea Hamm vom Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Bei Schweinswalen handelt es sich um bis zu etwa 2,5 Metern kleine Zahnwale, die Delfinen ähnlich sehen und mit ihnen verwandt sind. Apropos: Mitunter könnten an der deutschen Nordseeküste einige Delfine auftauchen, zumal Weißstreifendelfine, sagt Hamm. Häufiger treffe man jedoch weiter nördlich auf diese Tiere.
Auch Zwergwale lebten in der südlichen Nordsee, allerdings nicht ganzjährig, sondern in der Regel von April bis Oktober. "Das sind schnelle Schwimmer", berichtet die Biologin. Die Tiere erreichten Geschwindigkeiten von bis zu 40 Kilometern pro Stunde. Zwergwale werden maximal sieben bis zehn Meter lang und zählen zu den Bartenwalen. Bartenwale bilden die zweite Unterordnung der Wale neben den Zahnwalen. Sie haben keine Zähne, sondern Hornplatten (die namensgebenden Barten) im Oberkiefer. Damit filtern sie kleine Beutetiere wie Garnelen aus dem Wasser.
In der Nordsee hielten sich die Zwergwale gern bei der Doggerbank auf, einer 300 Kilometer langen Sanbank an der nordwestlichen Grenze der Deutschen Bucht, sagt Hamm. Dort würden die Tiere vor allem Sandale und Heringe jagen.

Auch Buckelwale werden immer wieder an der deutschen Nordseeküste gesichtet. Wie kommt das?
"Es gibt eine Buckelwal-Population im Nord-Atlantik", sagt Hamm. Diese Population wandere zwischen der Arktis und den Tropen hin und her. "In den Tropen pflanzen sie sich fort und bekommen die Kälber. Und in der Arktis verbringen sie den Sommer zum Fressen", so Hamm. Buckelwale, die wie die Zwergwale zu den Bartenwalen zählen, fressen neben kleinen Schwarmfischen vor allem große Mengen Krill. Das sind kleine Garnelen, die in großen Schwärmen leben.
Bei ihren Reisen bögen Buckelwale mitunter in die Nordsee ab. Zum einen durch den Ärmelkanal, zum anderen zwischen Norwegen und den Britischen Inseln. Weshalb es Buckelwale mitunter in die Nordsee zieht – dazu gibt es Hamm zufolge verschiedene Thesen. Eine davon fußt auf der Erkenntnis, dass Wale üblicherweise Meeresströmungen folgen. Diese aber könnten sich – etwa unter Wettereinflüssen – gelegentlich ändern. "Dann kann es sein, dass die Tiere abbiegen", so Hamm.
Oft handele es sich bei den Buckelwalen in der Nordsee um Jungtiere. Vielleicht führe sie die Neugier in die Nordsee – möglicherweise verbunden mit dem Ziel, neue Gebiete zu erschließen. Das hält auch Holger Auel von der Uni Bremen für denkbar.
Eine andere Erklärung könnte aus seiner Sicht sein, dass sich die Bestände der Buckelwale im Nordost-Atlantik erholt hätten, seit sie besser geschützt werden, sodass sie eben auch in der Nordsee häufiger auftauchen. Auel betont allerdings, dass ihm hierzu keine Zahlen vorlägen und Studien zu den Buckelwal-Beständen vonnöten seien, ehe sich verbindliche Aussagen zu ihrer Verbreitung treffen ließen. Genau wie Hamm bezeichnet er die Tiere derzeit als Gäste in der Nordsee. Sie ernährten sich dort offenbar überwiegend von Heringen.

Mitunter stranden auch Pottwale an der deutschen Nordseeküste. Was steckt dahinter?
Während Buckelwale zumindest zeitweise, vielleicht sogar dauerhaft in der Nordsee leben könnten, müssten Pottwale dort verhungern, sofern sie nicht zuvor stranden, sagen Hamm und Auel übereinstimmend. "Pottwale sind auf die Tiefsee ausgelegt. Ihre Jagdtechnik und ihre Orientierung sind darauf ausgerichtet, in der Tiefsee Kalmare zu jagen", so Hamm. Die Nordsee aber sei im Durchschnitt nur gut 90 Meter tief, im Süden noch viel flacher. "Da versagt das Ortungssystem der Pottwale." Hamm vergleicht das mit einem weitsichtigen Menschen, der zwar in die Ferne vergleichsweise gut gucken kann, der aber ohne Brille außerstande ist, ein Buch zu lesen.
Wie es dazu kommt, dass Pottwale dennoch offenbar gelegentlich in die Nordsee gelangen – dazu gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Anfang 2016 strandeten binnen weniger Wochen 30 Pottwale in der südlichen Nordsee. Zwar wurden 27 der Tiere anschließend von Wissenschaftlern untersucht. Wie sich die Tiere in die Nordsee verirrt hatten, konnten die anschließenden Studien aber nicht klären. "Man vermutet, dass sie einer Strömung gefolgt sind, die aufgrund einer Anomalie in die Nordsee geführt hat", so Hamm.

Es gibt etwa 90 Walarten. Weshalb werden an den deutschen Stränden meist Pott- und Buckelwale angespült?
Zum einen habe das mit den Wanderrouten dieser Arten zu tun, die quasi direkt an der Nordsee vorbei führten, sagt Auel. So zögen Pottwale vermutlich dem Kontinentalhang entlang – und bögen dabei offenbar mitunter zu früh in die Nordsee ab, statt westlich an den Britischen Inseln vorbei zu schwimmen.
Ein anderer Grund dafür, dass wir es meist mit Buckelwalen oder Pottwalen zu tun haben, liege daran, dass diese Arten nicht ganz so selten seien wie beispielsweise Blauwale, die noch dazu den offenen Ozean bevorzugten. "Buckelwale halten sich dagegen grundsätzlich nah an der Küste auf", erklärt Auel.
Wie Tierschützer aus Delmenhorst und Bremen Wale schützen
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Nachrichten, 15. Mai 2025, 12 Uhr