Wie die Liebe zu Autos Oleksandr das Leben in Bremen leichter macht

Ein Mann in blauer Latzhose steht in einem Werkzeuglager und schaut in die Kamera
Oleksandr Kharchenko ist stolz darauf, in Bremen bereits Arbeit als Mechatroniker gefunden zu haben – dabei hat er sich alles selbst beigebracht. Bild: Radio Bremen | Anna Chaika

Oleksandr Kharchenko wird gesprächig, wenn es um Autos geht. Schon in der Ukraine hat er sie repariert. In Bremen fand er nach der Flucht einen Job als Mechaniker.

"O. Kharchenko" ist mit weißem Faden auf eine blaue Latzhose gestickt. Oleksandr Kharchenko zeigt stolz mit dem Finger auf seinen Namen: "Ich arbeite offiziell, ich habe Arbeitskleidung mit meinem Namen drauf!" Zwei Wochen vor dem russischen Überfall wurde der Ukrainer 60 Jahre alt – damit ist er nicht mehr wehrpflichtig und durfte das Land verlassen. Er kommt aus Charkiw in der Ost-Ukraine und arbeitet inzwischen seit mehr als vier Monaten als Mechaniker bei einem Unternehmen in Bremen.

Vom Lkw-Fahrer zum Oldtimer-Mechaniker

In der Ukraine restaurierte Kharchenko seit 2.000 Oldtimer: "Davor war ich Kraftfahrer, ich habe in Charkiw Lastwagen gefahren, so bin ich auf Autos aufmerksam geworden", erzählt er. "Ich kaufte einen Wolga, dann einen anderen, sammelte selbst Erfahrungen und lernte, wie man Autos instand setzt." Wolga ist eine russische Automarke, die bis 2010 produziert wurde.

Die Leute sahen, dass ich alles gut kann und baten mich, ihre Autos zu reparieren. Im Prinzip habe ich mir alles selbst beigebracht.

Oleksandr Kharchenko

Die Liebe zu seiner Arbeit merkt man ihm an. Eigentlich ein Mann weniger Worte, entspannt er sich und wird deutlich gesprächiger, wenn es um seine Autos geht: "Ich weiß, wie man den Motor ausbaut, zerlegt, überprüft, Teile austauscht und alles wieder richtig einbaut."

Flucht gelingt Kharchenko mit Ex-Frau zusammen

Ein Mann in blauer Latzhose öffnet den Laderaum eines Lkw
In Bremen arbeitet der gelernte Kraftfahrer für ein Unternehmen, das Anhänger in Stand setzt. Bild: Radio Bremen | Anna Chaika

Obwohl Kharchenko aus Charkiw kommt, hat er viel Zeit in einer anderen ukrainischen Stadt verbracht. In Sumy arbeitete er in einer kleinen Autowerkstatt, die seinem Bekannten gehörte, hatte einen Kundenstamm und reparierte Autos.. "In Sumy habe ich schöne Autos repariert: drei Retro-Pontiacs Firebird aus dem Jahr 1986, einen Daihatsu und einen Retro-Bus", sagt Kharchenko.

Kharchenko war auch in Sumy, als der Krieg ausbrach. Zusammen mit seiner Ex-Frau und einer anderen Familie aus Sumy gelang ihm die Flucht. Doch bevor sie die Stadt verließen, versteckte er alle Autos in der Garage und deckte sie ab, damit sie nicht verstauben, während er nicht da ist.

Als wir weggingen, machte ich mir Sorgen, dass viele Lebensmittel zu Hause geblieben waren. Es gab so viel Borschtsch, ich wünschte, wir hätten das Essen in einem Einmachglas mitgenommen, aber wir hatten keine Zeit.

Oleksandr Kharchenko

Sohn hilft bei der Arbeitssuche in Bremen

Kharchenko kam nach Bremen, weil sein Sohn Dmytro im April an einem Projekt zum Bau und zur Restaurierung eines Hotels in Bremen arbeitete. Als der Hotelmanager erfuhr, dass Dmytros Vater noch in der Ukraine war, bot er sofort Hilfe bei der Unterbringung und der Suche nach einem Arbeitsplatz an.

Kharchenko wohnte im selben Hotel, das sein Sohn restaurierte und suchte zwei Monate lang nach einem Job, er schickte Bewerbungen an verschiedene Unternehmen.

Er sagte mir, er wolle den Boden putzen, die Zimmer reinigen ... und ich sagte ihm: Du hast so viel Berufserfahrung! Du kannst auch größere Sachen machen! Bitte warte ein wenig, und wir werden etwas für dich finden. Und wir haben was gefunden.

Dmytro Kharchenko, Sohn von Oleksandr

Der Sohn half seinem Vater bei der Arbeitssuche und nun arbeitet Kharchenko seit drei Monaten für ein internationales Unternehmen, das Nutzfahrzeuge vermietet und repariert. "Ich hatte Angst, hier nicht arbeiten zu können, weil ich kein Deutsch spreche", sagt er. "Ich bin sehr froh, diesen Job gefunden zu haben. Ich mag es, Lichter und Bremsen zu reparieren und Ersatzteile zu verbauen."

Ukrainische Handwerker in Bremen
Auf der Arbeit verständigt sich Kharchenko auf Englisch. Weitere Sprachbarrieren werden mit Online-Übersetzer überwunden. Bild: Radio Bremen | Anna Chaika

In Bremen hat Kharchenko andere Ukrainer kennengelernt. Nicht jeder habe das Glück, so schnell einen Job zu finden wie er, sagt er. Viele Bekannte hätten sich beim Jobcenter gemeldet und warteten noch auf ein passendes Angebot: "Mein Freund Viktor aus Charkiw, der als Lehrer an der Militärakademie arbeitet, hat hier seit März keinen Job gefunden. Ein anderer Bekannter von mir, Oleksandr aus Poltawa, ein Reha-Arzt, wartet ebenfalls auf Informationen vom Arbeitsamt." wie bei vielen anderen Geflüchteten sei die Sprache das Problem. Er sei froh, dass seine Englischkenntnisse für die Arbeit reichten.

Aber es ist auch eine Herausforderung. Manchmal benutze ich den Übersetzer auf meinem Handy, sage etwas darauf und warte auf eine Antwort, während das Online-Programm übersetzt. Es ist eine große Erleichterung, dass drei Leute hier auf der Arbeit Englisch können, so können wir kommunizieren.

Oleksandr Kharchenko

Kharchenko hat einen festen Arbeitsvertrag und befindet sich noch in der sechsmonatigen Probezeit. Manchmal sind Ukrainer unter den Kunden, was den Mechaniker sehr freut, denn es ist eine Gelegenheit, seine Landsleute zu sehen und mit ihnen zu sprechen.

Klarer Arbeitsplan gibt den Tagesrhythmus vor

An der Arbeit in Bremen schätzt er die Struktur und Verlässlichkeit, sagt Kharchenko. In der Ukraine war er selbstständig, wenn es einen Kunden gab, gab es Arbeit. Aber wenn es keinen Kunden gab, gab es auch keine Arbeit – und dementsprechend kein Geld. In Bremen gibt das Unternehmen einen klaren Arbeitsplan für den Tag vor. Hier verdiene er deshalb mehr als in der Ukraine, sagt er. "Denn dort war es unbeständig. Es hing von Fall zu Fall ab, was genau ich an welchem Auto machen würde. Hier habe ich jeden Tag Arbeit."

Kharchenko liest jeden Tag Nachrichten über den Krieg in der Ukraine, sein Haus in Charkiw ist noch intakt. Die Russen haben es nicht bombardiert, sagt er. Zu Beginn des Krieges dachte er darüber nach, im Militär zu dienen. Letztendlich entschied er sich jedoch, seine Ex-Frau und die Familie aus seinem Bekanntenkreis bei der Flucht zu unterstützen.

Kharchenkos Ziel: ein eigenes Auto

In Bremen lebt der Mechaniker nun allein. Nach und nach ordnet er sein Leben und fängt sogar an, für die Zukunft zu planen. Er möchte ein eigenes Auto kaufen und spart dafür bereits Geld. Vorerst wird er in Bremen bleiben und arbeiten. Die Arbeit ist für ihn die beste Möglichkeit, sich zu integrieren und sich von den dunklen Gedanken an den Krieg abzulenken.

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Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 1. August 2022, 19:30 Uhr