Ukrainische Pflegekraft in Bremen: Arbeit als Rettung vor den Gedanken

Chancen für Geflüchtete: So sieht ihr Arbeitsalltag in Bremen aus

Bild: Radio Bremen | Anna Chaika

Die 42-jährige Kateryna Kotulya ist mit ihrer Familie aus der Region Cherson in der Ukraine geflohen. Jetzt arbeitet sie als Altenpflegerin in Bremen.

Ukrainische Pflegerinnen bei der Arbeit in einem Altenpflegeheim
Kateryna ist froh darüber, in Bremen vorläufig eine Beschäftigung gefunden zu haben. Bild: Radio Bremen

Kateryna Kotulya ist mit ihrer ganzen Familie nach Bremen gekommen. Sie selbst ist 42 Jahre alt, ihre Söhne 22, 15 und 7. Der Älteste ist Seemann und gerade unterwegs nach Norwegen. Die beiden jüngeren gehen zur Schule. Katerynas Mann hat eine Behinderung und gesundheitliche Probleme und ist noch auf der Suche nach Arbeit. Kotulya selbst hat bereits einen Job in Bremen gefunden. Die gelernte Krankenschwester arbeitet jetzt als Altenpflegerin.

Die Entscheidung, ihre derzeit von russischen Truppen besetzte Stadt Cherson zu verlassen, fiel der Ukrainerin nicht leicht. Sie fühlt sich immer noch schuldig, wie sie sagt.

Ich bin Krankenschwester, natürlich könnte ich an der Front helfen, aber meine Kinder stehen an erster Stelle und ich möchte, dass sie am Leben sind und nicht jeden Morgen von den russischen Granaten und Raketen bedroht werden.

Kateryna Kotulya, Krankenschwester aus der Ukraine

Von der Unterkunft in Bremen zum ersten Pflege-Job

Zunächst lebte Kotulya mit ihrer Familie in der Messehalle 7, einer Notunterkunft für Geflüchtete in Bremen. Dort erzählte sie einer Frau von ihren Erfahrungen als Krankenschwester in der Ukraine. Die versprach ihr, bei der Arbeitssuche zu helfen und begleitete Kotulya persönlich zu ihrem Vorstellungsgespräch im Pflegeheim. Am 18. Juli hatte die Ukrainerin dann ihren ersten Arbeitstag, damals noch als Praktikantin.

Mir wurde gesagt, wenn ich will, kann ich kommen. Natürlich ging ich hin, denn es ist schwer, von zu Hause weg zu sein und nichts zu tun. Die Arbeit war meine Rettung vor schlechten Gedanken.

Kateryna Kotulya, Krankenschwester aus der Ukraine

Alle für die Arbeit erforderlichen Dokumente wurden schnell ausgestellt, erzählt die Pflegekraft weiter. Insbesondere eine Arbeitserlaubnis, Dokumente des Migrationsamtes und ihr Berufsabschluss-Diplom.

Arbeit macht das Leben in Bremen leichter

Ukrainische Pflegerinnen bei der Arbeit in einem Altenpflegeheim
Die Sprachbarriere ist für Kotulya bisher noch das größte Problem bei ihrer Arbeit. Bild: Radio Bremen

Cherson und das Dorf aus dem Kotulya kommt stehen derzeit unter russischer Besatzung. Erst vor Kurzem hat die ukrainische Armee eine Gegenoffensive zur Rückeroberung ukrainischer Gebiete gestartet. Kotulya steht ständig in Kontakt mit Freunden, die sie über die Lage informieren: "Zwei Freunde sagen, dass es jetzt schwierig ist, es gibt ständigen Beschuss, unsere jungen Männer sterben, es gibt viele Verräter im Dorf, aber es gibt auch Patrioten."

Russische Soldaten zogen ohne Erlaubnis in ihr Haus ein, wie sie erzählt. Das habe sie von einer Nachbarin erfahren, die anrief und sagte: "Stell dir vor, dieser Soldat hat deine rote Fleecejacke angezogen und ist so auf die Straße gegangen!" Sie fühle sich machtlos, weil sie nichts dagegen unternehmen kann.

Wegen der aktuellen Lage zu Hause plant Kotulya im Moment mit ihrer Familie in Bremen zu bleiben. Sie hat einen Einjahresvertrag im Pflegeheim erhalten. Die Krankenschwester freut sicht, hier sicher zu sein und eine Arbeit zu haben. Und obwohl Kotulya im Herzen in der Ukraine ist, versucht sie derzeit in Bremen zu helfen, indem sie sich um die Senioren kümmert. Sie mag die Arbeit, weil es eine Möglichkeit ist, sich zu integrieren und mit anderen zu kommunizieren.

Es ist hier wie ein Kindergarten für alte Menschen. Ich kümmere mich um sie, füttere sie, ziehe sie an und rede mit ihnen. Aber die Unterhaltungen sind das größte Problem. Denn ich kann kein Deutsch und sie sprechen kein Englisch.

Kateryna Kotulya, Krankenschwester aus der Ukraine

Ihr Arbeitgeber organisiert einen Deutschkurs für Kotulya, eine Deutschlehrerin unterrichtet im Pflegeheim selbst. Für Kotulya übersetzt sie aktuell noch viel ins Englische, aber die anderen Mitarbeiterinnen seien sehr hilfsbereit, wenn es ums Deutschlernen geht, sagt Kotulya. Oft schreiben sie ihr Wörter oder viel verwendete Sätze auf.

Besserer Lohn in Bremen – aber auch hohe Kosten

Für eine Vollzeitbeschäftigung und einen möglichen beruflichen Aufstieg in der Zukunft muss Kotulya noch eine spezielle medizinische Prüfung bestehen. In der Zwischenzeit arbeitet sie 20 Stunden pro Woche nach einem flexiblen Zeitplan.

Das Gehalt in Bremen sei besser als in Cherson, sagt Kotulya. Aber die Kosten seien viel höher. Zurzeit arbeitet Kotulya in Teilzeit und erhält weiterhin Unterstützung vom Sozialamt. Wenn ihr Einjahresvertrag ausläuft, wird das Pflegeheim je nach den Ergebnissen ihrer Arbeit die Möglichkeit einer Verlängerung prüfen. "Wenn ich die deutsche Sprache besser beherrsche, werde ich viel mehr Stunden arbeiten können und es wird ein höheres Gehalt und Entwicklungsmöglichkeiten geben", so die 42-Jährige.

Doch die Gedanken an die Zukunft sind für Kotulya eher schmerzhaft als erfreulich. Sie sagt, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer jetzt keine klaren Pläne machen können. Sie ist Deutschland und Bremen sehr dankbar für all die Hilfe, aber sie träume verzweifelt davon, in ihr Heimatdorf zurückzukehren. Und sie hofft auf ein schnelles Ende des Krieges und die Möglichkeit für die ganze Familie, nach Hause zurückzukehren: "Ich werde hier Erfahrungen sammeln. Es ist eine perfekte Erfahrung für mich und ich hoffe, dass ich sie in der Ukraine nutzen kann."

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Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 1. August 2022, 19:30 Uhr