Fragen & Antworten

Wie können Bremer und Bremerhavener Obdachlosen helfen?

Ein Mann liegt in einem roten Schlafsack auf einer Parkbank.
Hilfe anbieten oder lieber nicht? Viele Passanten sind im Umgang mit Obdachlosen unsicher. Bild: Imago | Emmanuele Contini

In Bremerhaven lebt seit Tagen ein junger Mann auf einem Gehweg und lehnt jede Hilfe ab. Wie sollten Passanten reagieren, wenn ihnen Obdachlose auffallen?

Er hat nur ein paar Habseligkeiten bei sich, wirkt verstört und lehnt jede Hilfe ab: Seit Kurzem lebt ein junger Mann auf Bremerhavens Straßen. Seit einigen Tagen hält er sich in Lehe auf. Anwohner wollen helfen. Der Mann lehnt jedoch jede Hilfe ab.

Obdachlosen begegnet man in Bremen und Bremerhaven an verschiedenen Orten. Vor allem im Bereich des Bremer Hauptbahnhofes kommt es immer wieder zu Situationen, die betroffen machen, aber auch gefährlich sein können. Wie reagieren Passanten am besten?

In welchen Situationen muss man unbedingt Hilfe holen?

Oft ist es für Menschen ohne medizinische Ausbildung schwer zu unterscheiden, ob es sich gerade um einen Notfall handelt oder nicht. Vor allem, ob eine Person bewusstlos ist oder schläft, ist manchmal nicht direkt zu erkennen. "Schlafende soll man schlafen lassen, es sei denn, es sind minus 10 Grad", rät Uwe Gonther, Chefarzt der psychiatrischen Ameos Klinik Bremen. Wenn keine Atmung zu erkennen ist, sei es im Zweifelsfall am besten, die Person vorsichtig anzusprechen. Außerdem erklärt der Psychiater, dass man den Unterschied von Schlaf und Bewusstlosigkeit auch an der Körperspannung erkennen könne – diese sei nämlich bei Bewusstlosigkeit kaum mehr vorhanden. Wenn keine Atmung erkennbar sei und die angesprochene Person nicht reagiere, gelte es, die 112 zu alarmieren.

Wenn wir anfangen, an Menschen, die am Boden liegen, achtlos vorbeizugehen – wo soll das hinführen?

Dr. Uwe Gonther
Uwe Gonther, Chefarzt Ameos Klinikum Bremen

Obdachlose reagieren manchmal verstört und schreien. Wie sollte man darauf reagieren?

Wenn Personen laut Selbstgespräche führen, ist das eine Situation, die für viele Menschen schwer einzuschätzen ist. Aber auch wenn sie irritieren können – Selbstgespräche sind in der Regel harmlos, sagt Gonther. Unter den Obdachlosen sind viele Drogenabhängige. Durch Drogenkonsum kann es zu verschiedensten Reaktionen kommen, wie Enthemmung, gesteigertes sexuelles Verlangen, Beruhigung, intensivere Wahrnehmung, psychotische Ängste, Wahnvorstellungen oder auch depressive Verstimmungen. Solange aber niemand offensichtlich hilflos sei oder man selbst angegriffen werde, müsse man nichts tun, sagt Gonther. Wenn die Situation zu undurchschaubar ist, empfiehlt der Arzt, sich mit anderen Passanten zu beraten. "Auch im Klinikkontext wird manchen Situationen lieber gemeinsam begegnet. Das würde ich auch jedem in unübersichtlichen Situationen, die einem vielleicht Angst machen, anraten."

"Es ist immer wichtig, sich für andere Menschen zu interessieren. Wenn wir das aufgeben, wird es eine ganz kalte und herzlose Welt."

Dr. Uwe Gonther
Uwe Gonther, Chefarzt Ameos Klinikum Bremen

Wie kann man am besten abseits eines Notfalls helfen?

Wenn man unsicher ist, wie man auf einen Obdachlosen reagieren soll, sollte man andere zu Hilfe ziehen. Zum einen kann man Obdachlose vorsichtig auf Hilfsangebote aufmerksam machen, zum anderen kann man sich aber auch selbst an die Beratungsstellen wenden. Es kann aber niemand, von dem aktuell keine Gefahr ausgeht, zu einer Maßnahme gezwungen werden. Im Fall des Obdachlosen in Bremerhaven etwa habe der diensthabende Arzt des Klinikums Bremerhaven Reinkenheide keine Eigen- oder Fremdgefährdung feststellen können. Somit gebe es keine Voraussetzungen für eine Zwangsmaßnahme nach Psychisch-Kranken-Gesetz, teilt Magistratssprecherin Laura Bohlmann-Drammeh mit.

Was tun, wenn man um Geld gebeten wird?

Das muss natürlich jeder für sich entscheiden. Unabhängig davon, ob Geld gegeben wird oder nicht, sei es wichtig, auf den Menschen mit einer wertschätzenden Haltung zu reagieren, sagt Felix Moh, Streetworker der Bremer Drogenhilfe "Comeback". "Drogengebraucherinnen und -gebraucher sind oft Diskriminierungen und Ausgrenzungen ausgesetzt", sagt er. Wenn man sich dafür entscheidet, Geld zu geben, müsse man allerdings auch akzeptieren, dass davon eventuell Drogen gekauft werden. Denn das sei der Bedarf der Person und ein Bevormunden oder Tadeln wäre hier fehl am Platz. Man kann allerdings auch fragen, ob man durch Sachspenden – wie zum Beispiel Nahrung, Kleidung oder Tierfutter – weiterhelfen kann, wenn man sich unsicher ist, rät der Streetworker.

Rückblick: Drogensumpf am Bremer Hauptbahnhof – Senat will Abhängige "weglocken"

Bild: Radio Bremen


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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 4. Dezember 2022, 19:30 Uhr