Interview

Was tun wir gegen das Crack-Problem, Frau Albrecht?

Was tun wir gegen das Crack-Problem, Frau Albrecht?

Bild: Radio Bremen

Die Ausbreitung der Drogenszene stört viele Menschen in Bremen. Über mögliche Lösungen spricht Felix Krömer mit Lea Albrecht, der Leiterin der Drogenhilfe "Comeback".

Die Lage am Hauptbahnhof war vor der Bürgerschaftswahl im Mai eins der meistdiskutierten Themen in Bremen. Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich dort nicht mehr sicher. Dass es sich hierbei nicht um ein subjektives Empfinden handelt, beweisen die Zahlen. Im vergangenen Jahr hat die Bundespolizei Im Hauptbahnhof 2.608 Straftaten festgestellt. Zum Vergleich: 2019, also dem Jahr vor der Corona-Pandemie, waren es lediglich 1.605.

Den enormen Anstieg führt die Bundespolizei auf die Drogenszene zurück. Versucht wird daher, mit erhöhter Polizeipräsenz vor Ort die Süchtigen zu vertreiben. Bekämpft werden damit indes nur die Symptome, nicht die Ursachen. Mit den Drogenabhängigen gibt es kaum einen Austausch.

Eine, die hingegen fast tagtäglich mit ihnen in Kontakt kommt, ist Lea Albrecht. Sie leitet in Bremen die Drogenhilfe "Comeback", die auch den im April dieses Jahres in der Friedrich-Rauers-Straße eingerichteten Drogenkonsumraum betreibt. Wie es derzeit um Bremens Drogen-Szene steht, welche Vorteile der Drogenkonsumraum bietet und was die Sucht für das Leben der Betroffenen bedeutet, bespricht Albrecht mit Felix Krömer.

1 Wie gravierend sind die Probleme mit Drogensüchtigen derzeit in Bremen wirklich?

Die Drogen- und Alkoholszene am Hauptbahnhof sorgt für Verdruss in der Bevölkerung. In den vergangenen Jahren hat sich die Lage dort deutlich verschlechtert. Vor allem der Konsum von Crack ist erheblich angestiegen. Durch die verstärkte Polizeipräsenz am Hauptbahnhof verlagern sich die Probleme nun vermehrt in die einzelnen Stadtteile.

Albrecht kann verstehen, dass die Situation viele Menschen stört. Zugleich betont sie jedoch, dass auch die Situation der Süchtigen berücksichtigt werden sollte. "Am allerschlimmsten ist es für die Betroffenen", erklärt sie. "Mit denen wird ganz, ganz wenig diskutiert. Es wird über sie diskutiert." Ihrer Auffassung nach muss der Blick zukünftig mehr auf die Bedürfnisse der Abhängingen gelegt werden.

Wie sich die Drogenszene in der Stadt in den vergangenen Jahren entwickelt hat, woraus genau Crack überhaupt besteht und welche Rolle diese Droge in anderen Großstädten spielt, wird ab Minute 4:47 besprochen.

2 Fegt der "Crack-Tsunami" über Bremen hinweg?

Über Lösungen für die Probleme mit der Drogenszene in Bremen wird auch in der Bremer Politik gestritten. Ein besonders dystopisches Bild zeichnete vor wenigen Tagen Marek Helsner, der den Landesverband der Grünen führt. "Uns droht ein Tsunami von Crack, der unbeherrschbar wird, eine humanitäre Katastrophe", sagte Helsner im Interview mit dem "Weser-Kurier". Ist es wirklich so schlimm?

"Ich bin nicht so der Fan davon, die Sachen zu dramatisieren", erwidert Albrecht. Der Konsum von Crack habe zwar zugenommen, doch sei der Drogenmarkt stets dynamisch. Falls die Taliban in Afghanistan vermehrt Mohnfelder abbrennen, würde dies beispielsweise in Deutschland Auswirkungen auf das Angebot an Heroin haben.

Über welche legalen und kriminellen Wege die Abhängigen ihren Crack-Konsum finanzieren, was die Droge mit ihnen macht und aus welchen Gründen diese sich womöglich auch mal aggressiv verhalten, erläutert Albrecht ab Minute 12:33.

3 Was genau passiert im Drogenkonsumraum?

Unweit des Hauptbahnhofes gibt es seit einem halben Jahr in der Friedrich-Rauers-Straße einen provisorischen Drogenkonsumraum. Hierbei handelt es sich um keinen Raum, in dem unter Aufsicht einmal Drogen ausprobiert werden können. Stattdessen richtet sich das Angebot einzig und allein an Abhängige. "Wir geben den Leuten keine Drogen und sagen: 'Das ist gut für dich!‘", stellt Albrecht klar. "Wir geben den Menschen hygienische Artikel, um ihrer Sucht nachgehen zu können, wenn sie das sowieso schon tun.“

Wie Albrecht berichtet, gibt es jeweils einen Raum zum Injizieren und einen Raum zum Rauchen von Drogen. Die Einrichtung bietet den Betroffenen dabei die Möglichkeit, in einem ruhigen Umfeld ihrem Konsum nachzugehen. Schließlich würden sie dort keine Kinder auf Spielplätzen oder Anwohner stören und müssten auch nicht befürchten, dass sie von der Polizei erwischt werden.

Aber müssen staatliche Gelder wirklich für die Ermöglichung von Drogenkonsum ausgegeben werden? Weshalb sich dies im Vergleich mit den Behandlungskosten einer Infektion mit Hepatits-C "exorbitant" für den Steuerzahler lohnt und wieso ihrer Auffassung nach aus dem derzeit noch provisorischen Drogenkonsumraum rasch eine permanente Lösung mit besseren Möglichkeiten werden muss, macht Albrecht ab Minute 23:15 deutlich.

4 Wie gehen die Drogenabhängigen mit der gesellschaftlichen Ablehnung um?

Die meisten Menschen möchten jeglichen Kontakt zu den Abhängigen von Drogen vermeiden. Zumindest, sofern zu diesen keine Verwandtschaftsverhältnisse oder langjährige Freundschaften bestehen. Innerhalb der Gesellschaft werden diese häufig geächtet. Die Betroffenen empfinden dies laut Albrecht als "riesengroße Stigmatisierung".

Letztlich, so Albrecht, sei Sucht immer noch ein großes Tabu-Thema. "Sucht ist eine Krankheit. Und eine Krankheit kann jeden von uns ereilen", betont sie. Warum über eine Sucht gesellschaftlich allerdings anders geurteilt wird als zum Beispiel über Diabetes und wieso verhältnismäßig viele Flüchtlinge bei der Drogenhilfe landen, ist Thema ab Minute 34:26.

5 Was kann die Politik gegen die Probleme mit Drogen in Bremen unternehmen?

Durch restriktive Maßnahmen wurde zuletzt versucht, die Drogensüchtigen aus der Öffentlichkeit zu vertreiben. Vor allem am Hauptbahnhof sollen die Menschen sich wieder sicherer fühlen. Zum 1. Oktober wurde dort an den Haltstellen zudem eine Alkohol- und Drogenverbotsszene errichtet.

"Ich glaube, es kann nicht Teil der Lösung sein, die Leute zu verdrängen", sagt Albrecht. "Es wurde sich sehr viel Mühe gegeben, die Leute aus dem Stadtbild zu entfernen. Die Leute lösen sich nicht auf, wir verschieben das Problem nur.“

Ihrer Auffassung nach müssen andere Mittel ergriffen werden. Vor allem müsse den Betroffenen der Sucht Hilfe angeboten werden. Vieles scheitere schon an der fehlenden Krankenversicherung oder an mangelnden Sprachkenntnissen. Welche Fehler die Politik dabei derzeit begeht und wo die Hebel lieber angelegt werden sollten, wird ab Minute 40:50 thematisiert.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 14. Oktober 2023, 19:30 Uhr