Hintergrund

Bremens letztes Kohlekraftwerk geht vom Netz: Das ist seine Geschichte

Das SWB-Heizkraftwerk n Bremen-Hastedt aus der Luft fotografiert

Bremens letztes Kohlekraftwerk geht vom Netz

Bild: swb

Kohlekraft ist in Bremen ab heute Geschichte: Block 15 des Kraftwerks Hastedt wird abgeschaltet. Bremen hatte ihn auch in Folge des Reaktor-Unglücks von Tschernobyl gebaut.

Rund 550.000 Tonnen: So viel Kohlendioxid wird Bremen ab sofort jährlich einsparen – allein, weil der Energieversorger SWB mit Block 15 in Hastedt das letzte Kohlekraftwerk im Land abschaltet. Das ist möglich, weil die SWB immer mehr Fernwärme aus dem Müllheizkraftwerk für Bremens Haushalte erzeugt und außerdem vorigen August ein modernes Blockheizkraftwerk in Hastedt eingeschaltet hat, um Strom zu erzeugen. Das Kohlekraftwerk ist somit überflüssig geworden.

Damit endet in Bremen eine rund 130 Jahre andauerndet Ära, in der das Land seine warmen Wohnungen nicht zuletzt der Steinkohle zu verdanken hatte. buten un binnen hat mit Hilfe der SWB die Geschichte des letzten Bremer Kohlekraftwerks in einer Chronik zusammengefasst:

Wie Hastedt Kraftwerksstandort wurde

1904 beschließt der Bremer Senat, das Bremen ein neues Kraftwerk benötigt. Das bisherige, jenes an der heutigen Theodor-Heuss-Allee (damals: Schlachthofstraße) reicht nicht mehr aus. Denn Bremen ist gewachsen, hat die Dörfer Hastedt, Schwachhausen, Walle, Gröpelingen und Woltmershausen eingemeindet. Zudem wächst die Industrie.

Als Grundstück für das neue Kraftwerk erwirbt Bremen ein mit Kiefern bewachsenes Areal auf einer Sanddüne an der Weser. Die Bürgerschaft bewilligt für das Projekt 1,1 Millionen Mark.

Die Jahre bis zur Nazi-Zeit

Im Winter 1906/1907 nehmen die "Erleuchtungs- und Wasserwerke der Freien Hansestadt Bremen" das neue Wechselstromkraftwerk mit einer Leistung von 2.400 Kilowatt in Betrieb. 1911 kommt das Weserkraftwerk als leistungsstarkes Wasserkraftwerk am Weserwehr hinzu. Auch diese Anlage wird vom Kraftwerk Hastedt betreut. 1926 wird die Turbinenleistung auf 36.600 Kilowatt ausgebaut.

Das Kraftwerk in der Nazi-Zeit

Am 30. Januar 1933 kommen in Deutschland die Nationalsozialisten an die Macht. Im Juli 1933 wird am Standort Hastedt aufgrund einer Liste der Nazis mit Linken und Juden jeder vierte Arbeiter im Zuge einer "Säuberungsaktion" entlassen. Streiks, wie zuvor in den 1920er Jahren, gibt es von nun an nicht mehr. Von 1940 bis zum Kriegsende werden Zwangsarbeiter im Kraftwerk Hastedt beschäftigt. 1941 werden aus den "Erleuchtungs- und Wasserwerken der Freien Hansestadt Bremen" die Stadtwerke Bremen AG. Grundstücke und Gebäude gehen von der Stadt an die Kapitalgesellschaft über.

Der Zweite Weltkrieg

Ende Oktober 1941 erfolgt der erste Bombenangriff auf das Kraftwerk Hastedt. Da man mit Blick auf den nahenden Krieg bereits viele Betondecken und Splitterschutz gebaut hatte, gehen dabei im Wesentlichen nur Fensterscheiben zu Bruch. 1942 entsteht die für lange Zeit bestehende Silhouette des Kraftwerks Hastedt mit den sieben schwarzen Raben. Dabei handelt es sich um sieben Schornsteine, die im Stadtteil für viele Jahre berüchtigt für ihren Rußausstoß sein werden.

Im Oktober 1944 legt ein massiver Luftangriff neben vielen Industriebetrieben auch das Kraftwerk Hastedt in Schutt und Asche. Durch den Einsatz von Zwangsarbeitern werden die Bombenschäden beseitigt und schon bald wieder etwas Strom erzeugt, um die Rüstungsbetriebe zu versorgen.

Am 22. April 1945, beim 167. Luftangriff der Alliierten, kommt es zur beinahe vollständigen Zerstörung der Hastedter Industriebetriebe. Damit bricht auch die Stromversorgung zusammen.

Die Nachkriegsjahre

Ab April 1946 werden die Anlagen in Hastedt so gut wie möglich repariert und wieder in Betrieb genommen. Im November 1946 läuft Turbine 9 wieder, im April 1947 folgte Turbine 6.

Erst 1950 kann der gesamte Strombedarf Bremens wieder aus Hastedt gedeckt werden. 1953 erfolgt eine Erweiterung der Anlagen um 50 Megawatt, um den Energiehunger nach dem Wiederaufbau zu stillen. 1955 kommt noch eine Dampfturbine hinzu.

Block 15 – damals und heute

1983 verabschiedete die Bundesregierung eine sogenannte "Großfeuerungsanlagenverordnung". Damit definierte der Bund Grenzwerte für den Ausstoß von Schadstoffen für große Anlagen wie etwa Elektrizitätswerte. Daraufhin beschloss man in Bremen, am Standort Hastedt einen kohle- beziehungsweise gasbefeuerten Kraftwerksblock zu errichten. Zunächst drohte der Bau an der Finanzierung zu scheitern. Doch das große Reaktorunglück von Tschernobyl im Jahr 1986 führt in der Bevölkerung wie in der Politik zum Umdenken. Man rückt von der Atomenergie ab. Block 15 wird nun doch gebaut.

1989 kann Block 15 mit 130 Megawatt elektrischer Leistung und 150 Megawatt Wärmeleistung ans Netz gehen. Der Block verbrennt bei Vollleistung täglich rund 1.000 Tonnen Steinkohle. Die Anlage ist mit Elektrofiltern für die Entstaubung sowie mit einer Rauchgasentschwefelungs- und Entstickungsanlage ausgerüstet.

Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf, EWE-Vorstandsvorsitzender Stefan Dohler, Andreas Bovenschulte, swb-Vorstandsvorsitzender Karsten Schneiker und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt drücken einen symbolischen Knopf auf dem Kraftwerksgelände in Hastedt
Schluss mit Kohlestrom in Bremen: Der symbolische Aus-Knopf wurde am Dienstag gedrückt. Bild: Radio Bremen | Nina Feilen

34 Jahre später, im Jahr 2023 weiht die SWB in Hastedt ein modernes Blockheizkraftwerk ein. Es erzeugt wesentlich weniger Emissionen als das nun nicht mehr erforderliche Kohlekraftwerk Block 15. Die SWB spricht von einer voraussichtlichen CO2-Ersparnis von rund 550.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr, wenn das Kohlekraftwerk abgeschaltet ist. Dies geschieht jetzt am 30. April 2024.

Vorletztes Kohlekraftwerk in Bremen vorzeitig abgeschaltet

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 30. April 2024, 19:30 Uhr