So prägen die Bauten von Klaus Hübotter das Bremer Stadtbild

Der Bremer Schlachthof aus der Luft betrachtet.
Der Bremer Schlachthof ist eines der Projekte von Klaus Hübotter. Bild: Radio Bremen

Der Bremer Bauunternehmer Klaus Hübotter wird heute 90 Jahre alt. Eines verbindet etliche seiner Bauten: Für sie war der Abrissbagger fast schon bestellt.

Wer auf dem Bremer Stadtplan jeden Bau mit einer kleinen Nadel markiert, der auf die Initiative von Klaus Hübotter zurück geht, läuft Gefahr, das Papier zu perforieren. Zahlreich sind die Objekte, durch die Hübotter Spuren in der Stadt hinterlassen hat. Eines verbindet etliche von ihnen: Es sind Gebäude, für die die Abrissbagger fast schon bestellt waren. Und denen Hübotter dann mit einem umfassenden und zumeist überraschenden architektonischen und inhaltlichen Konzept wieder eine Zukunft gab. Und: Von denen manche heute als Meilensteine der Stadtentwicklung gelten.

"Herausragende Liebe zum Detail"

Klaus Hübotter, 2015
Dr. Klaus Hübotter feiert seinen 90. Geburtstag. Bild: Radio Bremen | Ute Hanefeld

Heute wird Hübotter 90 Jahre alt. Was nun aber wahrlich nicht das Bild eines Rentners im Ohrensessel aufkommen lassen darf. Bis heute ist der Jurist in seiner Firma aktiv und gibt der Stadt weiter ein Antlitz. In der Stadt machte er sich zunächst einen Namen als engagierter Kommunist, später dann aber vor allem als Bauunternehmer und Kunstmäzen.

Eberhard Syring, langjähriger wissenschaftlicher Leiter des Bremer Zentrums für Baukultur (b.zb), beschreibt Hübotters Besonderheit so: "Er baut oft auf Grundstücken, die von anderen Investoren als unbebaubar eingeschätzt würden." Vor zehn Jahren wurde Hübotter dafür Bremer Ehrenbürger.

Der Senat bescheinigte ihm damals "herausragende Liebe zum Detail" und "mehr als 40 Jahren kreativer Investitions- und Bautätigkeit". In einem Interview mit Radio Bremen zeigte er sich damals demütig:

Ich sehe die Verleihung der Ehrenbürgerschaft nicht als eine Art Preisverleihung, ich sehe sie mehr als Übertragung einer ganz erheblichen Verpflichtung Bremen gegenüber.

Klaus Hübotter, 2015
Klaus Hübotter, Bremer Bauunternehmer

Seine erste Ausbildung ist die zum Bankkaufmann. Dann folgte das Jura-Studium, das er mit der Promotion abschloss. Die zeigt dabei schon eine Nähe zu seiner späteren Tätigkeit: "Die Planung einer Stadt – Rechts- und Organisationsfragen beim Bau neuer Gemeinden in der Bundesrepublik". Denn Berufung und Erfüllung fand Hübotter schließlich als Bauunternehmer:

Die Arbeit muss einen gewissen Sinn haben. Ich würde nicht gerne Kasernen bauen oder andere komische Geschichten, sondern der Inhalt der Dinge, mit denen wir uns beschäftigten muss stimmen, muss gut sein.

Klaus Hübotter, 2015
Klaus Hübotter, Bremer Bauunternehmer

"Bauen ist für uns mehr als Geld verdienen"

Dieser Maxime scheint er präzise gefolgt zu sein. Und wenn auch der Erhalt und die Neunutzung prominenter alter Bauten Hübotters Bild in der Öffentlichkeit prägen, so sieht Architektur-Profi Syring das doch etwas differenzierter: Genau so wichtig seien auch die zahlreichen Wohnungsbauprojekte quer durch die Stadt, von Lüssum bis Schwachhausen. Die folgten dem Plan, durch pfiffige und günstige Ideen Wohneigentum in die Breite zu tragen.

Und dennoch: Es sind vor allem die Umbau-Projekte, die ihm breite öffentliche Achtung und Prominenz eintrugen. Anfang der 80er Jahre rettete er einen Teil des Bremer Schachthofes und etablierte dort ein Kulturzentrum. Der Speicher XI im Überseehafen wurde zum neuen Standort der Kunsthochschule, des Hafenmuseums und weiterer Einrichtungen und letztlich zu so etwas wie der Keimzelle der gesamten Überseestadt-Entwicklung.

Syring bescheinigt Hübotter "einen Riecher für das Momentum", ein besonderes Gespür für den richtigen Augenblick. Als andernorts noch angestrengt darüber gebrütet wurde, wie es mit den alten Hafenrevieren weitergehen soll, schuf Hübotter Fakten, baute den Speicher zu einem Preis um, den niemand für möglich gehalten hatte und gab die Initialzündung für die städtebauliche Entwicklung dort.

Dem ehemaligen Sendessaal von Radio Bremen hauchte er neues Leben ein, in einem der ältesten Häuser Bremens etablierte er das "Haus der Wissenschaft". Und das erste Kaufhaus Deutschlands verwandelte er Jahrzehnte später in die Heimat der Bremer Volkshochschule. Heute trägt es am Turm des markanten Baus wieder den historischen Namen "Bamberger". Dahinter ist durchaus eine Mission zu erkennen. Hübotter sagt es so:

An allen Objekten hatten wir auch Spaß. Das würde ich sogar in Anspruch nehmen für uns, dass Bauen für uns mehr ist als Geld verdienen und produzieren.

Klaus Hübotter, 2015
Klaus Hübotter, Bremer Bauunternehmer

Brill-Kreuzung: "Exaltiertes Gehabe"

Stilistisch sind die meisten von Hübotters Baustellen eher unaufgeregt-zurückhaltend. Syring bescheinigt Hübotter "ein Feeling für Details" und eine "ungewöhnliche Wertschätzung für die Eigenart alter Gebäude". Insgesamt nennt Syring Hübotters Bauten "bescheiden statt spektakulär". Was dem wohl gefallen dürfte.

Jetzt zu den aktuell diskutierten Großprojekten in der Innenstadt befragt, äußert Hübotter sich über die wahrscheinlich gescheiterten Pläne des Stararchitekten Daniel Libeskind für das Sparkassen-Gelände am Brill – vier bis auf Domspitzen-Niveaus hoch aufragende Türme rund um den Sparkassen-Altbau – dezidiert ablehnend: Er wünsche sich für diesen Ort "eine bescheidene Lösung. Damit ist praktisch alles gesagt. Eine bescheidene Lösung. Nicht so ein exaltiertes Gehabe." Bremen brauche nicht mehr architektonische Highlights. Ihm sei bei der Stadtentwicklung wichtig, "dass wir das Stadtbild sachlich, bescheiden, so wie es uns gefällt, und wie es üblich ist in Bremen, durchsetzen."

Villa Ichon: In Architektur gegossenes politisches Bekenntnis

Eine besondere Rolle nimmt die "Villa Ichon" in der Nachbarschaft des Goethe-Theaters ein: Dort wirkte Hübotter nicht nur als Bauunternehmer und Retter historischer Bausubstanz. Dort kam auch der politische Mensch und Pazifist zum Vorschein, denn die Villa war und ist bis heute ein Zentrum für friedenspolitische Initiativen. Mit seiner Hilfe wurde die Villa Ichon als Stiftung für die Zukunft gesichert. Und dort wird jährlich der "Kultur- und Friedenspreis der Villa Ichon" verliehen, der auf die Initiative Hübotters zurück geht.

Und wohl auch nicht ohne die politische Brille zu betrachten ist Hübotters Engagement in Bremens Partnerstadt Riga: Dort investierte er massiv und baute den alten Konventhof zu einem Hotel wieder auf. Schließlich zeigte er sich auch als Problemlöser in einer zugespitzen Situation in der jüngeren Bremer Geschichte: Als 2015 Kita-Plätze hinten und vorne fehlten, entwickelte er zusammen mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände ein Modell, wie Privatinvestoren schnell und bedarfsgerecht Kitas errichten, die die Wohlfahrtsverbände dann betreiben. Es war so gut, dass es Schule machte.

Doch trotz all dieser hoch geachteten Unterfangen: Eine stromlinienförmige Karriere mitten in den Kern der geachteten Bremer Bürger war Hübotter zunächst nicht vergönnt. Zur Ehrenbürger-Verleihung war die Obere Rathaushalle dann natürlich doch proppevoll mit Rang und Namen. Und vorne neben Bürgermeister Jens Böhrnsen saß ein Mann mit Knasterfahrung – aus politischen Gründen.

Hübotter ist bis heute ein politischer Mensch. Er startete ganz links, weil er sich "wie jeder anständige Mensch eine friedliche und klassenlose Gesellschaft" wünschte und die Rezepte dazu in den Theorien von Marx vermutete. Was ihn dann hinter Gitter brachte, schildert er so:

Ich bin in Tübingen in die Kommunistische Partei eingetreten am Anfang des Studiums. Dort bin ich Funktionär der Freien Deutschen Jugend – der kommunistischen Jugendorganisation – geworden. Die wurde 1951 verboten, was uns nicht gehindert hat, ordentlich weiter zu machen. Dann hat man hat mich eingefangen und verurteilt zu 18 Monaten, von denen ich nur 9 Monate abbrummen musste.

Klaus Hübotter, 2015
Klaus Hübotter, Bremer Bauunternehmer

"Ich wäre gerne Schriftsteller gewesen"

Das Kreative scheint Hübotter im Blut zu liegen. Wenn er nicht über neue Bauten und die Rettung alter nachdenkt, greift er gerne mal zum Stift und dichtet. Schon mit 20 Jahren schrieb er seine ersten Gedichte. Und es kamen über die Jahre viele und gute hinzu. Diesem Berufsweg aber stand dann doch die Sache mit dem lieben Geld im Wege: "Man muss ja auch Geld verdienen – das ist mit Gedichten relativ schwierig. Das habe ich mich nicht getraut. Sonst wäre ich vielleicht lieber Schriftsteller gewesen."

Für das Bild Bremens wäre das vermutlich ein Verlust gewesen. Böhrnsen jedenfalls sagte anlässlich der Ehrenbürgerwürde: "Man stelle sich den Verlust der geschichtlich bedeutenden Gebäude vor. Gut, dass es den Rettungsanker Klaus Hübotter gab und gibt."

Bremer Ehrenbürger Klaus Hübotter feiert seinen 90. Geburtstag

Bild: Radio Bremen
  • Links, bunt und anders: 50 Jahre "Wall-Commune"

    Ein Kaufhaus mit angeschlossener linker Kommune schockt im Jahr 1969 Bremens Bürgertum. Langsam, sagt Hausbesitzer Klaus Hübotter, haben sich die Nachbarn aber gewöhnt.

Autor

  • Karl-Henry Lahmann
    Karl-Henry Lahmann

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. Mai 2020, 19:30 Uhr

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