Interview

Böhmermann und Schulz als ESC-Kommentatoren: "Schwachsinn", sagt Urban

Ein Mann, etwas älter, lächelt in die Kamera. Im Hintergrund ein Plakat mit der Aufschrift Eurovisiion Song Contest.

Peter Urban im Interview über sein Buch "On Air"

Bild: dpa | Klarname Fotograf:in

In Bremerhaven hat Peter Urban aus seinem neuen Buch vorgelesen. Er erklärte auch, was sein ESC-Nachfolger braucht und warum das mit Böhmermann eine Schnapsidee ist.

Ganze 25 Jahre lang hat Peter Urban den Eurovision Song Contest (ESC) für das deutsche Fernsehpublikum moderiert – ein Drittel seines Lebens. Nun ist damit Schluss. Doch seine Fans müssen trotzdem nicht auf ihn verzichten: Als Radio- und Podcastmoderator ist er weiter zu hören.

Und jetzt darf er sich auch noch Autor nennen: Sein neues Buch stellt er aktuell auf einer Lesereise vor. Diese hat ihn auch nach Bremerhaven geführt. Dort haben wir mit ihm über seinen emotionalen Abschied vom Song Contest gesprochen – und natürlich über die große Frage: Wer wird ihn ablösen am ESC-Mikro?

Herr Urban, Sie sind in Bremerhaven angekommen und waren kurz vorher noch ...

... in Liverpool, beides Hafenstädte. Bremerhaven hat sich auch, sage ich mal, rausgemacht. Hafenstädte haben ja oft das Problem, dass sie so nicht mehr genutzt werden. In Liverpool ist es der Fall, da ist kaum noch Hafen. Die haben dann die Docks umgebaut in Kulturbauten, Galerien, Einkaufszonen, Gastronomie – und das ist blendend gelungen, wirklich toll gelungen. Eine sehr schöne Stadt.

Das ist in Bremerhaven ja noch nicht so (lacht). In Liverpool gab es eine riesige Bühne, auf der sie ja nicht standen.

Gott sei Dank!

Ein Mann mit grauen Haaren sitzt an einem Tisch auf einer Bühne, auf dem Tisch stehen ein Mikorofon und ein Busch mit der Aufschrift Peter Urban.
Peter Urban ist auf Lesereise und machte Station in der Stadtbibliothek Bremerhaven. Bild: Radio Bremen | Sina Derezynski

Von Liverpool vom ESC ging es aber direkt in die Stadtbibliothek Bremerhaven. Was ist das für ein Unterschied?

Also es ist natürlich so: Ich hab beim ESC auf die Bühne geschaut, wir hatten eine hervorragende Loge, in der meine Kabine drin war und von der konnte ich wunderbar aufs Publikum und auf die Bühne schauen. Dann war ich ein paar Tage zuhause, dann hier. Und das ist echt meine erste Lesung einer Lesereise, also meine Premiere. Deswegen ist es auch für mich nicht so gewöhnlich. Das hab ich noch nicht gemacht bisher. Man setzt sich ja auch nicht hin und liest Manuskripte vom ESC vor oder von Sendungen. Insofern bin ich da ganz gespannt. Kleinere Bühne aber trotzdem spannend genug.

Ich wollte gerade sagen, normalerweise sind Sie derjenige, der kommentiert, was andere machen auf der Bühne. Und heute sind Sie derjenige, der was auf der Bühne macht.

Jaja, aber natürlich ist das Thema auch ESC. Ich habe 140 Seiten in meinem Buch über den ESC geschrieben. Aber das meiste habe ich über die anderen Geschichten geschrieben, die ich erlebt habe im Zusammenhang mit Musik, so von der Kindheit an. Daraus werde ich auch viel vorlesen. Und von meinen Treffen mit berühmten Musikern, da kommen auch noch einige drin vor.

Der ESC ist für mich schon bedeutend. Aber dennoch ist es für mich ja nur eine Sache einmal im Jahr gewesen. Ich mach ja sonst ganz andere Dinge. Deswegen ist es ganz interessant, das den Leuten mal zu zeigen. Und das konnte man mit dem Buch ja ziemlich gut.

Aber wie lange hat der Prozess so gedauert, zu entscheiden, das war es jetzt mit dem ESC?

Joa, Mitte/Ende '22 habe ich gedacht: Ich werde 75 und dann ist das vielleicht ein ganz gutes Ende. 25 Jahre ESCs, 75 bin ich geworden – das ist dann der Punkt, wo ich sage, jetzt ist es vorbei. Wobei es mir dann ziemlich schwer gefallen ist. Gerade jetzt in Liverpool, der Abschied von den Kollegen, der war so herzlich und so wirklich rührend – das wird mir wirklich fehlen. Das ganze Ambiente, die Atmosphäre, denn das ist so ungewöhnlich. Das ist wie bei keinem anderen Ereignis, das ich bisher erlebt habe. Wie kleine olympische Spiele mit vielen Menschen aus vielen Ländern, die sich alle sehr gut verstehen. Das wird mir sicherlich fehlen.

Zwei Männer, einer im dunklen Anzug und Krawatte und Sonnenbrille, der andere im hellen Hemd und Jacket, stehen vor einer Halle und blicken direkt in die Kamera.
Jan Böhmermann und Olli Schulze kommentierten dieses Jahr den ESC online für den ORF. Bild: dpa | Roman Zach-Kiesling

In den letzten Wochen gab es dann ja nun auch Diskussionen über einen eventuellen Nachfolger. Muss es ja geben.

Nicht mein Thema eigentlich, ne? Ich muss das ja nicht entscheiden, weil ich da nicht verantwortlich bin. Ich weiß jetzt nicht, was die da machen werden. Die üblichen Namen, die da immer gerne gewählt werden, sind ja totaler Schwachsinn.

Böhmermann und Schulz werden das natürlich nicht machen. Das war auch nie gedacht. Die Menschen haben es so falsch aufgenommen.

Moderator und ESC-Stimme Peter Urban
Peter Urban

Die haben nicht gemerkt, dass das eine PR-Aktion, eine Werbeaktion für ihren Podcast war, unterstützt von dem Streaming-Dienst, der seine Künstler schlecht bezahlt. Und außerdem eine Werbeaktion für den österreichischen Radiosender, für den die das gemacht haben. Die haben ja nicht für das österreichische Fernsehen kommentiert. Da sitzt mein Freund und Kollege Andi Knoll und der hat das gemacht.

Aber ich hab mich gut mit denen unterhalten in Liverpool. Wir haben da in der Sonne gesessen und gequatscht, das war sehr nett.

Moderator und ESC-Stimme Peter Urban
Peter Urban

Und die haben auch eingesehen, dieses ganze Gezicke, was es vorher gab und diesen ganzen Wirbel – sowas muss man nie so richtig ernst nehmen. Sowas sind Sprechblasen und Geblähe. In Wirklichkeit sind sie ganz nette Kerle. Olli Schulz sagte gleich: "Ey, ich hab immer deine Sendung gehört als Schüler und so. Du warst mein Hero". Und Böhmermann entschuldigte sich sogar: "Ja, es tut uns leid, dass wir das jetzt machen". Ich sag, wieso, das ist mir doch egal. Ich mach das doch für das deutsche Fernsehen, das ist doch eine andere Sache. "Jaja, wir wollten es nur sagen. Das ist gar nichts persönliches". Und insofern war es sehr nett. Wir haben uns schön unterhalten.

Aber wen können Sie sich vorstellen?

Ich hab keine Vorstellung, ehrlich gesagt. Ich hab da auch keinen Überblick, wen das interessiert. Ich meine nur, dass es jemand sein muss, der nicht wie so ein super lustiger Radiomoderator nur mit dummen Sprüchen und lauter Stimme und ein bisschen Alarm da entlang kommt. Das passt glaub ich nicht. Ich glaube, man muss schon ein bisschen cool bleiben und man muss die Sache mögen.

Man muss schon Sympathie für die Musiker da haben und nicht jeden Witz machen um des Witzes willen. Da muss man schon bisschen das Gefühl haben, was man machen kann und was man nicht machen kann.

Moderator und ESC-Stimme Peter Urban
Peter Urban

Und dann finde ich es nicht so gut, wenn das so ein Nerd ist. Also so einer, der alle Statistiken und Details und Kostüme und die Platzierung 1984 kennt. In der Fan-Blase ist das interessant, das ist auch gut so. Aber für das allgemeine Publikum ist das eher nebensächlich. Und was heutzutage auch oft gemacht wird, Doppelmoderationen, halte ich auch für Schwachsinn, gerade beim ESC. Hier brauchst du auch keine Doppelmoderation, weil du immer nur 30 Sekunden vor den Songs hast und da ist gar nicht genug Zeit, um da noch einen großen Smalltalk vorher anzufangen. Das wäre Quatsch.

Wer das dann wird, guck ich mir an im nächsten Jahr. Und entweder schalte ich den Ton aus oder nicht. (lacht)

Moderator und ESC-Stimme Peter Urban
Peter Urban

Aber wo wir bei nerdig und Statistiken schon sind müssen wir das ja eben nochmal analysieren. So viele Erfolge hatte Deutschland ja in den letzten Jahren nicht.

Ne, das kann man ja mal sagen. Aber es wird auch wieder anders sein, wenn die Sache ernsthaft in die Hand genommen wird, indem man gute Künstler animiert, mitzumachen. Das ist das Schwierigste. In Deutschland ist so die Grundeinstellung: "Ne, da können wir doch nicht mitmachen. Da können wir doch nur schlecht aussehen." Ja, da kommt man nie voran, wenn man immer nur Anfänger dahin schickt. Oder sagen wir mal Castingstars, die nicht mal einen guten Song haben und nicht mal Songs selbst schreiben. Dann kann man da keinen guten Platz erreichen.

Generell brauchen wir Profis am Werke. Also Leute, die einen guten Song haben, überzeugend darbieten – und da gibt es in Deutschland unendlich viele Künstler. Nur die müssen ihren Hintern mal hochheben und sich wirklich auch bemühen.

Moderator und ESC-Stimme Peter Urban
Peter Urban

Dieses Jahr war es eine wirklich gute Band, die in ihrem Stil, im Metal, eine klasse Leistung erbracht hat, die gut aussah, die gut klang. Aber offensichtlich war der Musikstil dieses Jahr nicht so gefragt.

Jetzt haben Sie ja dem ESC Tschüss gesagt. Was wünschen Sie dem ESC?

Dass er weitermacht, wie er in den letzten zehn, zwanzig Jahren geworden ist: Dass er sich gewandelt hat, dass er vielfältig geworden ist, dass er alle Stile zulässt. Du kannst ja gewinnen mit einem Jazz-Lied, mit einem Rock-Song, du kannst mit allem möglichen gewinnen.

In diesem Jahr in Liverpool fand ich das kein so gutes musikalisches Programm. Die Qualität war nicht so gut. Die war ein bisschen langweilig und eintönig. Es gewann auch ein eher mittelmäßiges Lied mit einer bekannten Sängerin. Und der einzig schrillige Beitrag aus Finnland, der war auch eher, sagen wir mal, ein ziemlich bewusster Beitrag: "Ja, wir wollen Erfolg beim ESC haben, wir machen mal was Schrilles". Aber sonst war da doch eher sehr viel Langeweile dabei, fand ich.

Die musikalische Vielfalt sollte erhalten bleiben. Und dann hat der ESC auch eine große Bedeutung: Dass er die Musikszene, die international herrscht, auch die lokale, die folkloristische, die ethnische in den einzelnen Ländern, widerspiegelt.

Moderator und ESC-Stimme Peter Urban
Peter Urban

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Autorin

  • Porträt Sina Derezynski
    Sina Derezynski Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, 28. Mai 2023, 10:50 Uhr