Bremerhavener Forscher: Handtuch-Auslegen ist wie Klopapier-Hamstern

Sonnenliegen mit Handtüchern reservieren – diese Unsitte hat wieder Saison. Warum es zunehmen könnte und keine speziell deutsche Unart ist, erklärt ein Bremerhavener Tourismusexperte.

Diese Geschichten von frühmorgens am Hotelpool sind wohl allgemein bekannt: Sobald die Anlage öffnet, stürzen Dutzende Urlaubenerinnen und Urlauber los und "reservieren" mit Handtüchern Sonnenliegen. Erstmal die besten Plätze sichern, dann gemütlich frühstücken oder gar nochmal ins Bett. Hauptsache, das Territorium ist abgesteckt, auch wenn man erst Stunden später zum Sonnenbaden kommt – martialisch auch "Handtuch-Krieg" genannt. Das Phänomen Handtuch werfender "Pooligans" ist uralt. Es könnte nun aber besonders viel Ärger auslösen, berichtet die Deutsche Presseagentur.

Kreuzfahrt-Experte Alexis Papathanassis
Alexis Papathanassis ist Tourismusexperte und Rektor der Hochschule Bremerhaven. Bild: Radio Bremen

"Die Menschen haben durch die Corona-Pandemie lange auf ihren Urlaub gewartet und vielleicht noch mehr als vorher das Gefühl, sie müssten alles aus dem Urlaub herausholen", so der Bremerhavener Tourismus-Experte Alexis Papathanassis. "In vielen Urlaubsländern gibt es aber einen Fachkräftemangel in der Hotellerie, da wird es Einschränkungen bei den Dienstleistungen geben. Wenn die Leute deshalb schon unzufrieden sind, gewinnen kleine Ärgernisse wie besetzte Sonnenliegen zusätzlich an Bedeutung." Zudem würden gestiegene Preise die Erwartungen weiter antreiben, so der Rektor der Hochschule Bremerhaven und Professor für Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik und Touristik gegenüber buten un binnen. Er hat das Phänomen erforscht.

Handtuch-Reservierung wie Klopapier-Hamstern

Papathanassis und andere befassten sich 2019 in einem wissenschaftlichen Sammelband mit dem Phänomen, nachdem sie ursprünglich Dinge untersuchten, die im Tourismus nicht funktionieren. Sie werteten etliche Online-Quellen und Nutzerkommentare aus und führten Interviews mit 28 Touristen. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass viele Urlaubsreisende wegen der Medienberichte mit einer Sonnenliegen-Knappheit geradezu rechnen. Sie würden sich deshalb von vornherein Liegen am Pool reservieren.

Das ist ein bisschen wie mit dem Klopapier-Hamstern zu Beginn der Corona-Pandemie: Leute hören, dass angeblich etwas knapp ist, und verhalten sich dann so, dass es wirklich knapp wird.

Alexis Papathanassis
Alexis Papathanassis, Bremerhavener Tourismusexperte zur DPA

Zudem gingen viele Leute davon aus, dass alle anderen genauso denken wie sie selbst. Ein Bedürfnis nach Routine und Sicherheit werde auch als Grund für die Besetzung von Liegen genannt. Besonders Deutschen wird ein entsprechender Hang nachgesagt. Sie werden von Briten gerne mal als "Beach Towel Brigade" verunglimpft und in Werbespots thematisiert. Auch die Schweizer Fluggesellschaft Swiss nahm die Deutschen mit einer Werbeaktion aufs Korn und ließ reservierte Liegen von einer vermeintlichen Schweizergarde bewachen.

Nationalität ist nicht Hauptfaktor

Dass es immer nur die Deutschen sind, stimmt aber nicht, sagt Papathanassis. "Es gibt keine Daten, die belegen, dass der Hauptfaktor dieses Verhaltens die Nationalität ist", so der Professor zu buten un binnen. "In Hotels mit anderen Nationalitäten sieht man auch dieses Verhalten – oftmals sind auch Briten und Franzosen daran beteiligt." Er glaubt, dass dieses Verhalten den Deutschen zugeschrieben werde, liege eher daran, dass diese Pauschalreisen bevorzugten und Hotels das Verhalten begünstigten. Auf Kreuzfahrtschiffen sieht Papathanassis das Problem übrigens weniger: Da gebe es zwar noch mehr Platzmangel, allerdings sei es dort nicht die Hauptmotivation am Pool zu liegen.

Viele Menschen scheuen sich laut den Forschenden, besetzte Liegen selbst zu räumen – aus Angst vor einer Konfrontation. Das führe zu Frust, die meisten Urlauberinnen und Urlauber fänden deshalb klare Regeln gut. Papathanassis findet allerdings, das Thema werde künstlich aufgebauscht. Er forsche auch zu Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Alkohol und Kriminalität bis zu sexueller Gewalt in der Tourismusbranche. Das seien wirklich skandalöse Themen, die man angehen müsse – aber die größte Resonanz gebe es bei Handtuch-Streits.

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Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, Die Vier am Morgen, 26. Juli 2022, 7:10 Uhr