Wie geht es weiter mit der Bundeswehr? Diese Ideen gibt es aus Bremen

Wahlmobil zur Europawahl: Sie bringen Ihre Fragen, wir die Experten

Bild: dpa | Noah Wedel

Die Bundeswehr wird laut Umfragen beliebter in der Bevölkerung. Trotzdem fehlt ihr der Nachwuchs. Ein junger Bremer Soldat erzählt, was ihn reizt. Und wie denken die Parteien?

Als Florian Kröger nach dem Abi auf Jobsuche ging, war ihm vor allem eines wichtig: Sein Beruf sollte körperlich fordernd sein, denn Sport war schon immer ein großer Teil in Krögers Leben. Ihm war klar, der Beruf soll abwechslungsreich sein, kein klassischer nine-to-five Bürojob. Und so machte er zunächst Praktika, bei der Bundespolizei und der Marine, bis er sieben Monate einen freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr ableistete – und blieb.

Der Bundeswehr-Hauptmann Florian Kröger mit einem Mikrofon in der Hand
Florian Kröger ist Jugendoffizier bei der Bundeswehr. Bild: Radio Bremen

Heute ist er Jugendoffizier bei der Bundeswehr und für Bremen, Bremerhaven, die Kreise Osterholz, Cuxhaven und Delmenhorst zuständig. Er betreibt politische Aufklärung in Schulen, wie er sagt. Zum Beispiel spreche er mit den Schülerinnen und Schülern über Sicherheitspolitik im Allgemeinen, und über die Aufgaben der Bundeswehr. Denn Kröger bringt die Erfahrung mit, er hat erlebt wie es zum Beispiel als freiwilliger Wehrdienstleistender war. Er nennt das "aus dem Nähkästchen plaudern." Was das Sportliche betrifft, gebe es immer noch regelmäßige Trainings, sowohl Pflicht- als auch freiwillige Einheiten. Denn fit bleiben muss er auch nach der Grundausbildung.


Die hat ihn auch mal an seine Grenzen gebracht, aber: "Die Kameradschaft, das gelebte Miteinander: darauf hatte ich richtig Lust", sagt Kröger. Und: Ihm gefiel der Gedanke, Deutschland im Ernstfall zu verteidigen. 

Bundeswehr schneidet in Umfragen gut ab – trotzdem fehlt der Nachwuchs


So wie Florian Kröger denken nicht viele junge Menschen – oder zumindest nicht genug. Die Bundeswehr hat ein Nachwuchsproblem, wie viele andere Arbeitgeber auch. Was die Bundeswehr aber von vielen unterscheidet: Sie glänzt, traut man Umfragen wie dem Trendence Schülerbarometer, seit Jahren weit oben in der Liste der Wunschunternehmen der Schülerinnen und Schüler, die kurz vor ihrem Abschluss stehen. 2023 haben Schülerinnen und Schüler die Bundeswehr auf Platz 2 der Top-Arbeitgeber gewählt.

Umfragen in der Bevölkerung zeigen, dass ein Großteil sich angesichts des Angriffskriegs auf die Ukraine dafür ausspricht, die Bundeswehr personell aufzustocken.

Bundeswehr erklärt Probleme mit Fachkräftemangel

Und doch fehlen augenscheinlich die Menschen, die bereit sind, Deutschland im Ernstfall zu verteidigen oder sich für eine Laufbahn bei der Bundeswehr entscheiden. 203.000 Soldatinnen und Soldaten will die Bundeswehr bis 2031 beschäftigen – aktuell stagniert sie jährlich bei etwa 183.000 Soldatinnen und Soldaten.

Kevin Lenkeit, Politiker und Mitglied bei der Bremischen Bürgerschaft.
Kevin Lenkeit ist Innenpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Bild: Radio Bremen

Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Bundeswehr selbst erklärt die Schwierigkeiten auf Nachfrage von buten un binnen vor allem mit dem demografischen Wandel und dem allgemeinen Fachkräftemangel. Hier sieht auch Kevin Lenkeit, der Sprecher für Inneres der SPD-Bürgerschaftsfraktion in Bremen, die größte Herausforderung für die Bundeswehr. Die Probleme sehe man bei Feuerwehr und Polizei genauso.

Lange sei die Bundeswehr allerdings durch Negativschlagzeilen aufgefallen – Projekte wie das Segelschulschiff der Marine, die Gorch Fock, die immer wieder für Probleme sorgten zum Beispiel. Auch die kaputte und fehlende Ausrüstung für Soldatinnen und Soldaten hätten dem Image geschadet.

Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, kritisierte immer wieder, dass die Rahmenbedingungen in den Kasernen erschwert seien. Zu wenig persönliche Ausrüstung, kein Wlan in den Stuben, Toiletten, die nicht funktionieren, oder Duschen, die verschimmelt seien. Für 2024 sind laut Bundeswehr Investitionen in Höhe von rund 1,55 Milliarden Euro in Baumaßnahmen geplant. SPD-Politiker Lenkeit betont, dass eine gute Ausrüstung und Material essenziell sind, um Nachwuchs an Land zu ziehen. Was das angehe, sei die Bundeswehr aber schon auf einem guten Weg.

"Man ist einfach nicht viel zu Hause"

Wenn Jugendoffizier Kröger Schülerinnen und Schülern von seinem Job erzählt, bleibe er realistisch, sagt er. Die Bundeswehr sei eben nicht etwas für jeden. "Bei mir war es so: Ich war beim Heer, da ist man meistens nicht an seinem Wohnort. Das heißt, man ist öfter Sonntagabend an seinen Dienstort gefahren und Freitagabend wiedergekommen." Er war in Nordbayern stationiert, und wohnte in Hamburg. "Man ist einfach nicht viel zu Hause."

Das sei nicht bei jedem Dienstposten so, aber gerade als Offizier müsse man sich darauf einstellen, alle zwei bis drei Jahre versetzt zu werden. Und auch sonst: "Mit Home-Office muss man zumindest bei der Truppe nicht kommen." Er glaubt, dass eine Laufbahn bei der Bundeswehr bei vielen nicht in den Lebensentwurf passe. Man müsse eben viel entbehren. "Als ich 20 war, hatte ich auch einen Moment, in dem ich mich gefragt habe, ob es wirklich das Leben ist, das ich führen möchte."

  • Lilienthaler Schüler diskutieren über Wiedereinführung der Wehrpflicht

    Wird in Deutschland bald wieder die Wehrpflicht eingeführt? Schüler diskutieren am Gymnasium Lilienthal mit einem Soldaten und einem Friedensaktivisten.

Und: Es gibt auch schlicht Schüler, die sich nicht vorstellen können, eine Waffe in die Hand zu nehmen und das Gefühl haben würden, einen Teil ihrer Menschlichkeit abzulegen, wie ein Schüler des Gymnasiums Lilienthal bei einer Veranstaltung mit Florian Kröger gegenüber buten un binnen sagte.

FDP fordert schlankere Prozesse und einfachere Strukturen

Fragt man Marcel Schröder, den Sprecher der Bremer FDP für Inneres und Recht nach den Gründen für den Nachwuchsmangel bei der Bundeswehr, sagt er: "Wir glauben, dass das an den Strukturen der Bundeswehr liegt, die veraltet und nicht effizient genug sind." Er spricht sich für einfachere Verfahren und schlankere Prozesse vor allem bei den Bewerbungsverfahren der Bundeswehr aus. Zudem sagt er: "Die Bundeswehr muss ihr Standing in der Gesellschaft verbessern."

Schröder sieht die Arbeit der Jugendoffiziere dafür als wichtige Stellschraube. Die Bundeswehr selbst betont stets, dass der Jugendoffizier keine Werbung in den Schulen mache, darum gehe es auch nicht, sagt Schröder. "Es geht darum, das gegenseitige Verständnis zwischen Gesellschaft und Bundeswehr zu verbessern."

Die Grüne Jugend in Bremen spricht sich gegen solche Besuche der Bundeswehr in Schulen aus und glaubt, dass die Bundeswehr ihr Image aufbessern würde, wenn sie ihr "omnipräsentes Problem mit Rechtsextremen in den eigenen Reihen" lösen würde. "Die immer wieder als 'Einzelfall' abgetanen Vorfälle transparent aufzuarbeiten und dafür zu sorgen, dass niemand in der Bundeswehr zum Verfassungsfeind wird, würde dem Image und damit dem Personalproblem effizienter entgegenwirken", sagt Azad Kour von der Grünen Jugend in Bremen.

Die Bundeswehr selbst beteuert trotz mehrerer Vorfälle in der Vergangenheit immer wieder, dass sie keinen Platz für Extremisten in ihren Reihen habe. Florian Kröger sagt: Zu den rechtsextremistischen Vorfällen bei der Bundeswehr kämen fast nie Nachfragen von Schülerinnen und Schülern.

Frank Imhoff, Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion, sagt: "Ich bin zuversichtlich, dass wir das Ziel von 203.000 Soldaten erreichen, insbesondere, wenn wir die Kontingentwehrpflicht einführen." Die CDU fordert eine sogenannte "Kontingentwehrpflicht", die es bis zur Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahrs geben solle. Alle Männer und Frauen eines Jahrgangs sollen demnach künftig wieder gemustert werden, eingezogen werden sollen dann nur so viele von ihnen, bis der Personalbedarf der Bundeswehr gedeckt ist.

Das beinhaltet auch, dass sich die Gesellschaft insgesamt mehr mit Bundeswehr beschäftigt und sich vor allem die jungen Leute mehr mit ihr beschäftigen.

Frank Imhoff, Fraktionsvorsitzender der CDU in der Bremischen Bürgerschaft

Die Linke in Bremen wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem Thema äußern.

Mit Messen und Social Media gegen den Personalmangel

Die Bundeswehr versucht bereits mit vielen Mitteln, gegen den Personalmangel anzukämpfen. Dazu zählen zahlreiche Veranstaltungen wie der "Tag der Bundeswehr", Auftritte auf Messen oder Themencamps. Hinzu kommt die Werbung in den Sozialen Medien und Plakataktionen: Kampagnen auf TikTok erreichen regelmäßig Millionen junge Menschen, dem YouTube-Kanal der Bundeswehr folgen fast 800.000 Abonnenten

Das Bundesverteidigungsministerium hat zudem die "Task Force Personal" eingerichtet, die verschiedene Maßnahmen zur Personalgewinnung enthält. Dazu zählt zum Beispiel, dass sich Interessierte stärker für die Bundeswehrstandorte bewerben können, in deren Nähe sie leben oder dass Interessierte eine passgenaue Beratung bekommen und die Verfahren beschleunigt werden sollen.

Der Bundeswehr sei es jüngst gelungen, den Rückgang bei den Bewerbungen zu bremsen, sagt eine Sprecherin in Köln. Allerdings erreichte die Anzahl der Soldatinnen und Soldaten in Deutschland erst im vergangenen Jahr wieder einen Tiefststand seit 2018. Die Personalsuche wird also trotz aller Maßnahmen eine der größten Herausforderungen für die Bundeswehr bleiben.

Bremer Kommandeur Timm: Warum Deutschland kriegstüchtig werden muss

Bild: Radio Bremen





Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 23. Mai 2024, 19:30 Uhr