Interview

Bremerhavener Klimaexperte: "Wir können nicht weitermachen wie bisher"

Bremerhavener Klimaforscher: "Der Handlungsdruck ist groß"

Bild: Radio Bremen

Die Weltklimakonferenz startet. Mit dabei ist Hans-Otto Pörtner vom AWI. Er erzählt, warum er keinen Kartoffelbrei auf Kunstwerke wirft, aber Verständnis dafür hat.

Was bringen die Klimakonferenzen eigentlich? Viele Menschen haben das Gefühl, dass die Warnungen vor der Klimakatastrophe verhallen. Das nimmt auch Hans-Otto Pörtner vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) so wahr, der als deutscher Experte im Weltklimarat sitzt. An diesem Sonntag startet die nächste Weltklimakonferenz, dieses Mal in Ägypten. Und Hans-Otto Pörtner ist mit dabei:

Herr Pörtner, es wird nicht leichter, das Thema Klimaschutz zu verankern – auch durch den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise, oder?

Das ist frustrierend – auch das wiederholte Bemühen, die Nachrichten in verschiedene Worte zu kleiden. Man sagt die Dinge prägnanter, bringt die Dinge auf den Punkt, die Alternativlosigkeit zum Ausdruck. Da gibt es auch entsprechenden Gegenwind. Wir müssen fatale Auswirkungen vermeiden. Es gibt nicht die Option, weiterzumachen wie bisher. Der Schutz der Artenvielfalt ist als Existenzgrundlage für die Menschheit alternativlos.

Was halten Sie denn von den aktuellen Protestaktionen von Klimaaktivisten, die zum Beispiel Kunstwerke mit Kartoffelbrei bewerfen?

Ich persönlich würde nun nicht in ein Museum gehen und Kartoffelbrei auf Bilder werfen. Ich habe für die Motivation Verständnis, für das Stilmittel nicht unbedingt. Aber auf diese Weise Aufmerksamkeit auf die Thematik zu lenken, ist im Prinzip zunächst einmal legitim. Wenn einem nichts Besseres einfällt, sollte man wenigstens darauf achten, dass das Kunstwerk durch Glasscheiben gesichert und nicht geschädigt wird. Aber es zeigt, dass die Leute die Alternativlosigkeit spüren, es nur die Option gibt, den Klimawandel auszubremsen. Das haben aber wohl noch nicht alle Entscheidungsträger so verstanden und verinnerlicht, und deshalb werden immer wieder Kompromisse gemacht.

Was erhoffen Sie sich denn jetzt von der aktuellen Konferenz in Ägypten?

Wir brauchen einen Durchbruch. Es ist ja auch von der Region her, in der die Verhandlungen stattfinden, interessant, weil in der arabischen Welt ja viele fossile Brennstoffe gewonnen werden und die entsprechenden Wirtschaftsmodelle dranhängen. Da gibt es auch ein Umdenken. Aber es passiert nicht genug. Und bei Klimaschutz muss man quantitativ ausreichend handeln. Wir müssen weg von der Kontroverse globaler Norden und globaler Süden. Wir brauchen das Gefühl gemeinsamer Verantwortung. Und das könnte zum Beispiel sein, dass Länder für die Kosten von Minderung, Anpassung und Beseitigung von Schäden einzahlen. Dann würden wir ein Instrument haben, mit dem wir agieren können. Da liegt natürlich der Teufel im Detail: Wie kann man auch Missbrauch vermeiden? Gedanken wie dieser verzögern die Umsetzung.

Wie schlimm ist die Lage denn? Was droht uns durch den Klimawandel?

Wir werden die Korallenriffe zum Beispiel nicht mehr erhalten können, Hitzewellen werden intensiver werden, wir werden auch bei uns Verschiebungen in den Ökosystemen bekommen. Wir haben auch noch kein Verständnis, wie die künftigen Ökosysteme aussehen werden. Aber das darf uns natürlich nicht davon abhalten, im Klimaschutz tätig zu werden. Wir werden in allen wirtschaftlichen Bereichen Veränderungen haben, die deutlichsten in der Landwirtschaft.

Und wie stark wird der Meeresspiegel steigen? Ist das überhaupt einzuschätzen?

Wenn wir die stärkere Erwärmung zulassen, wird es brenzlig. Dann wird der Meeresspiegel über die Jahrhunderte Anstiege bekommen bis zu sieben Meter mehr, das kratzt an der Anpassungsfähigkeit moderner Gesellschaften. Und die Erde hat eine Eisreserve von 65 Meter Meeresspiegel. Wenn die schmilzt, da kann man sich dann überlegen, was von unserer Region noch bleibt.

Weltweit gibt es ja schon Extremwetter, was auch dazu führt, dass ganze Völker in ihrem Lebensraum bedroht sind. Wie sehen Sie da die Lage?

Lebensverhältnisse ändern sich. Wir müssen uns anpassen. Das betrifft die ganze Menschheit. Wir haben in unserem Bericht herausgearbeitet, dass es Grenzen der Anpassung gibt. Eine lebenswerte Zukunft für alle kann gesichert werden, wenn wir die Erwärmung bei 1,5 Grad stoppen. Und das ist ja nicht das Paradies. Das ist schon ein Kompromiss. Wir merken ja, dass der laufende Klimawandel bei 1,1/1,2 Grad Celsius Erwärmung schon Schäden verursacht. Und das wird ja noch schlimmer werden. Jedes bisschen Erwärmung macht einen Unterschied. Technologietransfer ist wichtig – damit wirtschaftliche Entwicklung nur noch mit Erneuerbarem erfolgt. Da muss die Menschheit solidarisch handeln. Es muss eine gewisse Verteilungsgerechtigkeit hergestellt werden, um alle in die Lage zu versetzen, sich anzupassen.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 4. November 2022, 8.10 Uhr