Interview

Schlüsseldienst, Klempner und Co.: Retter in der Not oder Abzocke?

Abzocke in der Not – Wie seriös sind Bremer Schlüsseldienste?

Bild: Imago | Mcphoto

Wenn Menschen in Not geraten, wittern einige das große Geschäft – auch in Bremen. Parsya Baschiri von der Verbraucherzentrale verrät, wie Sie sich schützen können.

Einmal nicht aufgepasst, schon ist es passiert: Auch viele Bremerinnen und Bremer haben sich in einem unachtsamen Moment schon einmal aus der eigenen Wohnung ausgesperrt. Manchmal trifft einen an plötzlichen Notlagen auch keine persönliche Schuld. Zum Beispiel, wenn im Haushalt ein Rohr verstopft ist. In beiden Fällen muss aber schnelle Hilfe her. Die Suche nach Handwerkern ist allerdings oft nicht einfach. Schließlich hört man regelmäßig von Horrorszenarien, in denen Notdienste für eine kleine Hilfe am Ende große Summen fordern.

Kommt dies auch regelmäßig in Bremen vor? Und welche Tipps sollten in einem Notfall unbedingt beherzigt werden? Darüber spricht Parsya Baschiri von der Bremer Verbraucherzentrale im Interview mit buten un binnen.

Herr Baschiri, Notdienste besitzen keinen guten Ruf. Regelmäßig zeigen Tests in Fernsehsendungen, wie diese ihre Kunden dreist abziehen. Ist die Lage wirklich so schlimm?

Leider sind das auch in Bremen keine Einzelfälle. Wir hatten und haben hier etliche Beschwerden von Betroffenen auf dem Tisch. Da heißt es am Telefon seitens der Anbieter gern: 'Das wird nicht viel kosten. Etwa 50 Euro plus die Anfahrt.' Wenig später werden dann in der Rechnung aber schnell mehrere Hundert Euro gefordert.

Parsya Baschiri im Porträt.
Parsya Baschiri arbeitet als Rechtsberater bei der Verbraucherzentrale Bremen. Bild: Verbraucherzentrale Bremen

Das hört sich nicht nach hanseatischen Kaufleuten an. Gibt es Branchen, in denen es besonders schlimm ist?

Unsere Erfahrungen zeigen, dass es in erster Linie um Schlüsseldienste geht. Das ist auch hier in Bremen das klassische Beispiel. Obwohl die Tür nur zugefallen ist, wird dann direkt das ganze Schloss ausgetauscht. Auch bei Klempnern, die für eine Rohrreinigung gerufen werden, gibt es leider regelmäßig Probleme.

Wie kann ich als Kunde verhindern, dass der Notdienst mich über den Tisch zieht?

Verbraucher sollten nie darauf vertrauen, was am Telefon gesagt wurde, sondern immer alles schriftlich festhalten. Falls vor Ort dann doch mehr Geld gefordert wird, darf man sich nicht einschüchtern lassen und muss dem klar widersprechen.

Parsya Baschiri, Verbraucherzentrale Bremen

Wichtig ist es, nicht allein zu sein. In der Not sollte deshalb ein Nachbar dazugerufen werden. Auch die Polizei kann im krassesten Fall gerufen werden. Davor sollte nicht zurückgeschreckt werden.

In vielen Fällen ist es grenzwertig, wie mit den Verbrauchern umgegangen wird. Es wird versucht, ihnen die Pistole auf die Brust zu setzen. Zum Beispiel dann, wenn ein Schlüsseldienst androht, die Tür ansonsten einfach wieder zu schließen. Das kann schon in die Richtung einer Nötigung gehen.

In der Not geht oftmals der erste Griff direkt zum Handy und es wird nach schnellen Helfern gesucht. Ist dieser Reflex bereits ein Fehler?

Genau. Wenn etwas passiert, sollte man nicht in Panik verfallen, sondern ruhig bleiben. Falls ich eine Suchmaschine nutze, sollte ich nicht einfach den Anbieter anrufen, der dort ganz oben steht. Vor allem nicht, wenn dieser zum Beispiel noch mit 'AAA' oder so ähnlich beginnt. Diese Unternehmen investieren meist viel Geld, damit sie den Verbrauchern direkt angezeigt werden.

Falls ich mich ausgeschlossen habe, hilft auch schon ein Anruf bei der Polizei. Benötige ich einen Klempner, kann ich mich bei der Handwerkskammer informieren. Beide können einem eventuell jeweils mehrere seriöse Anbieter aus der Region nennen. Und vielleicht können auch Freunde und Bekannte ein Unternehmen von vor Ort empfehlen, mit dem sie gute Erfahrungen gemacht haben.

Eine Frau telefoniert vor einer verschlossenen Tür.
Wer sich aus der Wohnung ausschließt, kann sich auch bei der Polizei nach seriösen Schlüsseldiensten erkundigen. Das rät Parsya Baschiri. Bild: dpa | Christin Klose

Ist schon Vorsicht geboten, wenn die Telefonnummer des Unternehmens mit einer 0800 beginnt, weil ich dann irgendwo in Deutschland in einem Vermittlungscenter lande?

Erfahrungsgemäß ist es so, dass diese Hotlines outgesourct worden sind. Das spricht pauschal noch nicht direkt für Abzocke. Trotzdem wäre ich hier eher vorsichtig. Verbraucher sollten lieber direkt nach einem Anbieter aus der Nähe suchen. Wenn es in Bremen ist, sollte die Nummer also lieber mit einer 0421 beginnen.

Sollte ich direkt wieder auflegen, wenn ein Anbieter am Telefon gar keinen Preis nennen will?

Verbraucher sollten klar sagen, dass sie eine Preisauskunft erwarten und sie diese dann vorab auch schriftlich haben möchten. Einige Anbieter sagen dann gerne: 'Aber wir müssen uns das doch erstmal vor Ort anschauen.' Das Problem kann am Telefon aber ja auch ausführlich geschildert werden. Ist der Anbieter seriös, wird er dann schon einen gewissen Preisrahmen nennen können.

Sollte ich bei einem Notdienst niemals direkt bar oder per Karte bezahlen, sondern mir immer eine Rechnung geben lassen, die ich im Anschluss überweisen kann?

Exakt. Seriöse Anbieter wollen nie direkt das Geld cash auf die Hand haben. Geschweige denn, dass sie mit den Leuten zur Bank fahren. Auch solche Fälle kennen wir. Verbraucher müssen hier hartnäckig bleiben und auf eine Rechnung beharren, die sie dann überweisen können. Zudem sollte eine Rechnung erst ausgiebig gelesen werden, ehe man diese unterschreibt. Viele Leute bezahlen den zu hohen Preis dann leider einfach. Aber: Wer zahlt, hat schon verloren. Das Geld erhalten Sie im Normalfall nicht zurück. Das ist fast unmöglich.

Ist es ratsam, sich im Falle einer verschlossenen Tür lieber ein Hotel zu nehmen, als die Zuschläge für den Notdienst zu bezahlen?

Wenn ich mich zum Beispiel nachts ausschließe, komme ich mit einem günstigen Hotel tatsächlich oftmals besser davon. Das gilt auch an Feiertagen oder an Wochenenden. Die Öffnung einer normalen Tür sollte in der Regel nicht mehr als etwa 70 Euro kosten. Mit den Zuschlägen wird es jedoch meist viel teurer. Ein guter Tipp ist ohnehin, einen Zweitschlüssel bei Freunden oder vertrauensvollen Nachbarn zu hinterlegen

Was ist der schlimmste Fall, den Sie in Bremen bisher erlebt haben?

Auch das war ein Schlüsseldienst. Diesen hat der Verbraucher aufgrund einer zugefallenen Tür an einem Werktag um 14:30 Uhr gerufen. Gekommen ist der dann erst nach 18 Uhr, um die Zuschläge kassieren zu können. Aus der harmlosen Tür wurde dann ein riesiges Drama gemacht. Das Schloss und der Zylinder wurden ausgetauscht, wofür der Monteur dann nochmal zwei Stunden benötigt hat. Der Preis hatte es folglich in sich. Das war nicht mehr grenzwertig, sondern schon Wucher.

Drunter, drüber, mittendrin: Unterwegs mit einem Bremer Pannenhelfer

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 2. September 2023, 19:30 Uhr