Dieser Puerto Ricaner fand in Bremen das schönste Weihnachtsgeschenk

Herman Wirsching Pottharst und Juan E. Hernández

Wie ein Puerto Ricaner in Bremen seine Vorfahren sucht

Bild: Juan Hernandez

Der 16-jährige Bremer Herrmann suchte einst sein Glück in den USA. 130 Jahre später ist Juan Eugenio Hernández Mayoral in Bremen auf der Suche. Das verbindet die Männer.

Keiner weiß, wie lange Herrmann Wirsching-Pottharst seine große Reise wohl plante und wie er sich wirklich fühlte, als sie endlich losging. Fest steht, er ist 16 Jahre alt, als er seine Heimat Bremen verlässt. Mit dem Schiff "SS Aller" startet er am 30. April 1890, sehr wahrscheinlich von Bremerhaven aus. Das Ziel ist New York, Amerika.

Ein kolorierter Holzstich zeigt Menschen mit Kisten vor einem Schiff.
So in etwa hat es ausgehen, als Herrmann Wirsching-Pottharst seine Reise nach New York antrat, im Jahr 1890. Bild: dpa | akg-images

Mehr als 130 Jahre später läuft Juan Eugenio Hernández Mayoral durch die Straßen Bremens. Der 52-Jährige ist mit seiner Frau Vivian Figuera aus Puerto Rico angereist. Er will Dokumente finden, über seinen Urgroßvater – Herrmann Wirsching-Pottharst. In den sozialen Netzwerken wie Twitter erzählt Juan mit einem Bild seines Urgroßvaters von seiner Suche und schafft Nähe zu einer von Millonen Auswanderergeschichten.

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"Das war sehr mutig von ihm, die Stadt zu verlassen und nach einem neuen Leben in Amerika zu suchen", sagt Juan. "Ich habe mich immer gefragt, warum er in diesem jungen Alter gegangen ist." Juan hat am Ende seiner Reise nicht auf alle Fragen eine Antwort gefunden, aber er hat buten un binnen erzählt, wie die Familie von Hermann Wirsching-Pottharst nach Puerto Rico kam. Und er hat ein wertvolles Geschenk für die Familie im Gepäck.

Ein Bremer findet ein neues Leben in Puerto Rico

Ein Strand mit Meer und grünen Pflanzen an Land.
Puerto Rico hat wunderschöne Strände. Doch das Land ist arm und Naturkatastrophen schwächen es immer wieder. Bild: dpa | © Bruce Coleman/Photoshot | Bill Bachmann

Als Herrmann Wirsching-Pottharst 1873 geboren wird, lebt die Familie am Osterdeich, weiß Juan. Genau dorthin zog es ihn und seine Frau Vivian auch. An der Tür des Hauses klingeln, das heute an der Stelle steht, wollte er nicht. Er wollte fühlen, wie es ist, die Straßen entlang zu gehen, die sein Urgroßvater als Junge entlang lief, bevor er entschied, nach Amerika zu fahren. "Aber es ist ein wunderschöner Ort mit einem wunderschönen Blick auf den Fluss", sagt er.

Juan und seine Frau leben an einem Ort, an dem andere Urlaub machen: im karibischen Inselstaat Puerto Rico. Tatsächlich verbrachte sein Urgroßvater zwölf Jahre in den USA, erzählt Juan weiter. Wovon er lebte, wisse er nicht. Aber er traf dort seine spätere Ehefrau, die Puerto Ricanerin Julia Serrallés. Am 15. November 1902 heiraten sie, ziehen gemeinsam nach Puerto Rico und gründen eine Familie.

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Von Archiv zu Archiv in Bremen

Juan und seine Frau Vivian waren nur wenige Tage in Bremen. Mit der Suche nach Dokumenten, die die Familiengeschichte belegen, setze er eine Familientradition fort, erklärt Juan. Denn seiner verstorbenen Mutter Lila, der Enkelin von Herrmann, war die Familiengeschichte sehr wichtig gewesen. Sie war stolz auf ihren Großvater und lernte in Puerto Rico sogar deutsch. Auch für Lila wolle er vor allem die Geburtsurkunde Herrmanns finden, sagt Juan. Für jemanden, der Bremen nicht kennt, war das gar nicht so einfach.

Es war wie eine Schatzsuche, diese Informationen zu bekommen.

Juan Eugenio Hernández Mayoral, Nachfahre eines Bremer Auswanderers

Juan suchte erst im Rathaus, doch dort gibt es solche Informationen nicht. Er wurde zu den Archiven Bremens geschickt. "Wir hatten Glück", sagt Juan nach einer Rundfahrt durch die Stadt. Auf der dritten Station, im Staatsarchiv, konnte ihm geholfen werden: Nicht nur, dass die Geburtsurkunde von Herrmann WIrsching-Pottharst vorhanden war, sie war sogar bereits digital erfasst. Gäbe es diese nur in Papierform, hätten die Mitarbeiter des Archivs lange danach suchen müssen – Zeit, die Juan und Vivan auf ihrer kurzen Reise nicht hatten.

Jetzt hält der Urgroß-Enkel des Auswanderers die Geburtsurkunde in den Händen – und daraus geht auch hervor, wer Herrmanns Eltern und Juans Ur-Ur-Großeltern waren.

Ein Bremer Rum-Produzent in Puerto Rico

Puerto Rico ist ein Außengebiet der USA, heute leben dort etwa dreieinhalb Millionen Menschen. Als Herrmann Wirsching-Pottharst mit seiner Liebe Julia dorthin zieht, dürften es weit weniger gewesen sein. Der Familie seiner Frau gehört eine Destillerie – Herrmann arbeitet von da an für das Unternehmen, das aus Zuckerrohr Rum herstellt.

Herrman und Julia bekommen mehrere Kinder; zwei Generationen später zieht die Politik in die Familie ein: Juans Mutter heiratet einen Rechtsanwalt, der später Gouverneur von Puerto Rico wird. Damit ist Juans Mutter und Herrmanns Enkelin "First Lady" von Puerto Rico.

Auch Juan selbst ist Politiker geworden, er reist viel, schüttelte sogar Barack Obama die Hand. Denn nachdem er viele Jahre Senator seines Landes war, zog er als Vertreter Puerto Ricos nach Washington. Seine Aufgabe war es, die Geschäftsbeziehungen zwischen dem US-amerikanischen Außengebiet Puerto Rico und den USA zu stärken. Trotz der großen Aufgaben, die er für sein Land übernommen hat, macht Juan eines aber wirklich glücklich: Dass er tatsächlich mit der Geburtsurkunde nach Puerto Rico zurückkehren kann.

Das Kind des Bremer Bäckers suchte die Ferne

Das Dokument ist nicht nur ein Beleg dafür, wo Juan und seine Familie herkommen, sondern gibt auch die Herkunft Herrmanns preis: Der 16 Jahre alte Junge, der einst nach Amerika auswanderte, war der Sohn des Bäckers und Konditors Johann Friedrich Albrecht Wirsching, der offenbar in der Faulenstraße in Bremen wohnte oder dort arbeitete. Seine Mutter trug den Namen Amalie Elise Caroline, geborene Pottharst.

Das sind Gefühle von Glück, von Zugehörigkeit, Teil dieses Landes zu sein und Traurigkeit, dass meine Mutter gestoben ist und Nostalgie, weil es eine Verbindung auch zu ihr ist

Juan Eugenio Hernández Mayoral, Nachfahre eines Bremer Auswanderers

"Wir wollten dieses Dokument unbedingt", sagt Juan. 1989, im Alter von knapp 20 Jahren, sei er mit seiner Mutter und seinem Vater schon einmal in Bremen gewesen – und musste ohne Dokument nach Hause fliegen. Was er fühlte, als die Mitarbeiterin im Staatsarchiv es ihm jetzt gegeben hat? ""Ich habe applaudiert, es war sehr emotional. Jetzt, wo ich es erzähle, fühle ich die Emotionen wieder. Das sind Gefühle von Glück, von Zugehörigkeit, Teil dieses Landes zu sein und Traurigkeit, dass meine Mutter gestoben ist und Nostalgie, weil es eine Verbindung auch zu ihr ist.

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Juan will mit Familie wieder nach Bremen kommen

Ob Hermanns Eltern jemals erfahren haben, wie es ihrem Sohn nach der Auswanderung ergangen ist? Vielleicht wären sie stolz auf ihn und darauf, was er geschafft hat. Juan Eugenio Hernández Mayoral und Vivian Figuera wollen wiederkommen und weitere Familienmitglieder mitbringen. Gemeinsam wollen sie wieder durch die Straßen der Heimat von Juans Urgroßvater laufen und weitere Informationen suchen. "Wenn er nicht ausgewandert wäre, wäre ich nie geboren worden. Dann wäre ich nicht ich, mit meiner Geschichte. Und ich bin sehr stolz darauf." Für den Moment nimmt er die Geburtsurkunde mit nach Hause – "das schönste Weihnachtsgeschenk für die ganze Familie".

Autorin

  • Autorin
    Birgit Reichardt Redakteurin und Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Sendung aus Bremerhaven, 18.12. 2022, 12:20 Uhr