Bar und Fleischtheke adé: So nutzten zwei Bremer Corona zum Jobwechsel

Personalmangel in Bremen: Wo sind die Mitarbeitenden geblieben?

Bild: Radio Bremen

Auf die Corona-Krise folgte die Personal-Krise. Viele Menschen haben ihre Branche verlassen. Zurück in den alten Job? Niemals sagen Christian Jacob und Ricarda Sejdi.

Christian Jakob war bis vor zwei Jahren Barchef eines der bekanntesten Restaurants Bremens, dem El Mundo in der Überseestadt. "Das Restaurant, die Bar, das war mein Baby", sagt der 45-Jährige. Und doch tauschte er Icecrusher und Cocktailshaker gegen Besen und Eimer. Denn heute ist Christian Jakob Hausmeister. Der Auslöser: Der Ausbruch der Corona-Pandemie.

"Im Prinzip ging es damit los, dass die Gäste wegblieben", sagt Jakob. Irgendwann habe der Chef alle Mitarbeitenden zusammengerufen und erzählt, dass die Belegschaft in Kurzarbeit gehen müsse. "Doch wenn man Kind und Frau hat, dann ist das schwierig."

Als das erste Kurzarbeitergeld kam, dachte ich mir: Jo, das reicht ja nicht mal für die Miete.

Christian Jakob, ehemaliger Barchef im El Mundo

Auch nach dem Ende des ersten Lockdowns sei die Stimmung gedrückt gewesen. "Das Trinkgeld wurde weniger, ich habe mich nicht mehr so wohl gefühlt", sagt Jakob. Zwei Jahrzehnte hatte er im El Mundo gearbeitet, hatte eine eigene Visitenkarte und so mancher Fußballpromi kündigte sich bei Besuchen bei ihm persönlich an. Doch wofür er einst schwärmte – jetzt passte es nicht mehr. Eine Woche nach dem Ende des Lockdowns schmiss er hin.

Vom Barchef zum Hausmeister

Was den heute 45-Jährigen nach der Kündigung auffing, war vor allem seine Familie. Seine Frau arbeitete mehr, sein Vater und sein Bruder nahmen ihn in den Familienbetrieb auf, das Gebäudemanagement-Unternehmen Oelfke. "Wir haben uns zusammengesetzt und es hat gepasst. Seitdem bin ich dort Teil des Teams", sagt Jakob.

Nun arbeitet er als Hausmeister. Und vieles hat sich geändert. Mit 43 musste er seinen Führerschein nachmachen. "Als echter Bremer habe ich den vorher nicht gebraucht", sagt Jakob. Außerdem fängt er jetzt morgens um 6 Uhr an und arbeitet bis 15 Uhr. Früher ging da seine Schicht erst los. "Natürlich ist auch der Umgang mit Kunden anders als im El Mundo", sagt er. Statt "Du" heiße es jetzt "Sie".

Und doch gibt es auch Parallelen. Denn Jakob arbeitet weiterhin viel in der Überseestadt. "Ich treffe hier viele Mieter, die ich auch als Stammgäste im El Mundo hatte." Auch in einem anderen Punkt hat sich wenig verändert. "Ich bin ein Mensch, der ungefähr ein Prozent im Jahr schlechte Laune hat", sagt Jakob. So komme er auch mit den Mietern, Eigentümern und Wohnungsverwaltern gut klar. Ein Zurück in seinen alten Job kommt für ihn daher nicht mehr in Frage. "Ich bin froh, dass ich gewechselt habe", sagt er.

Aus der Fleischerei ins Großlager

Ricarda Sejdi wechselte in der Corona-Pandemie aus der Fleischerei-Branche in die Logistik-Branche.
Ricarda Sejdi wechselte in der Corona-Pandemie aus der Fleischerei-Branche in die Logistik-Branche. Heute ist sie Trackerin in einem BLG-Lager im Güterverkehrszentrum. Bild: Radio Bremen | Kristian Klooß

Auch Ricarda Sejdi hat die Corona-Krise zu einer unverhofften beruflichen Neuorientierung verholfen. Dabei war die heute 45-Jährige ihrer Branche über viele Jahre treu. Seit 2015 arbeitete sie in Fleischereien in Bremen und umzu – doch Pleiten, Pech und Pandemie führten dazu, dass sie immer wieder nach Alternativen Ausschau halten musste. Im März 2022 verlor die Fleischereifachverkäuferin erneut ihre Arbeit.

Angesichts der durch Umsatzrückgänge und steigende Fleischpreise eingetrübten Perspektive schaute sie sich schließlich auch andere Branchen an. "Bäckerei, Flugbegleiterin, Lagerarbeiten, das hat mich alles interessiert", sagt sie.

Ich kann doch überhaupt nicht ohne Arbeit.

Ricarda Sejdi, ehemalige Fleischereifachverkäuferin

Der entscheidende Anruf kam schließlich über eine Personalvermittlung, die eine Mitarbeiterin für ein Großlager des Bremer Logistikkonzerns BLG suchte. Von der Vorstellung bis zum Qualifikationstest ging dann alles sehr schnell. Seit dem 8. April arbeitet die 45-Jährige nun im Güterverkehrszentrum, wo sie erfasst, ob die korrekten Waren geliefert worden sind und ob Lkw-Fahrer alle Sicherheitsstandards einhalten – vom festen Spezialschuh bis zur Warnweste. "Einige sind dann mal ein bisschen mürrisch, weil wir da sehr konsequent sind", sagt sie.

Kein Zurück geplant

Mit den Kollegen laufe es hingegen immer gut. "Wir lachen viel, wir ziehen an einem Strang, alles das, was ein tolles Team ausmacht", sagt Sejdi.

In einer Fleischerei arbeiten will sie nicht mehr, auch wenn sie dort etwas mehr Geld verdient hat. Aber auch das könnte sich vielleicht noch ändern. Denn bislang ist Sejdi noch über ihre Zeitarbeitsfirma angestellt – nach 18 Monaten könnte die Übernahme durch BLG folgen. Die 45-Jährige ist jedenfalls überzeugt: "Im Lager zu arbeiten ist das, was ich jetzt bis zu meiner Rente machen möchte."

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 5. Juli 2022, 19:30 Uhr