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Hohe Corona-Viruslast im Bremer Abwasser: Was sagen die Nachweise aus?

Gefäße mit Proben stehen in einem Absorptionsversuchsstand für Abwässer
Mithilfe von Abwasserproben können Wissenschaftler frühzeitig Trends in der Infektionslage der Bevölkerung erkennen. Bild: dpa | Hendrik Schmidt

Nach dem Ende der Testpflicht sind die Abwasser-Infos wichtiger denn je. Neben Bremen wird bald auch Bremerhaven Daten liefern. Das Monitoring könnte auch bei neuen Seuchen helfen.

Fast neun Millionen Corona-Genkopien pro Liter hat das Bremer Abwasser am 29. November enthalten, mehr als doppelt so viele wie zwei Wochen zuvor. So steht es im jüngsten Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI). Corona ist wieder im Kommen, die Zahlen steigen immer schneller, in Bremen und im gesamten Bundesgebiet.

Anders als zu Zeiten der Corona-Testpflicht gilt Wissenschaftlern aber nicht mehr die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen als maßgeblicher Indikator für die Corona-Lage in der Bevölkerung. Gerade zur Dynamik des Infektionsgeschehens gewinnt die Forschung inzwischen die womöglich wichtigsten Erkenntnisse aus dem Abwasser. Zumal, seit das Robert Koch-Institut und das Umweltbundesamt im November vorigen Jahres ein neues Programm für das Abwasser-Monitoring aufgelegt haben, an dem sich immer mehr Städte und Gemeinden, darunter auch Bremen, beteiligen.

Es ist gut möglich, dass das Gesundheitswesen Abwasser-Untersuchungen künftig verstärkt nutzen wird, um auch anderen Erregern als Corona-Varianten auf die Schliche zu kommen. Das sagen zumindest das Bremer Gesundheitsressort, das Robert Koch-Institut und der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb.

Eine Mitarbeiterin arbeitet an einer Sicherheitswerkbank in einem Labor im Institut für Hygiene und Umwelt, dabei mischt sie isolierte RNA aus Abwasserproben mit PCR-Reagentien für die spezifische Detektion von SARS-CoV-2.
Je nachdem, nach welchen Erregern man sucht, können bei Abwasseranalysen unterschiedliche Testverfahren zum Einsatz kommen. Bild: dpa | Daniel Reinhardt

Was sind die größten Stärken der Abwasser-Überwachung?

"Man kann damit schnell Trends entdecken", sagt der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb. Die Abwasser-Überwachung ermögliche den Gesundheitsbehörden – im Unterschied etwa zu Corona-Tests – bei überschaubarem Aufwand einen flächendeckenden Überblick über die Lage.

Die vielleicht größte Stärke in der Abwasser-Überwachung sieht Zeeb in der möglichen künftigen Anwendung: "Für Corona hat man das System aufgebaut. Aber man kann das Ganze ausdehnen beispielsweise auf Magen-Darm- und Erkältungsviren." Habe sich das Abwasser-Überwachungssystem in Deutschland erst etabliert, könne man damit später eventuell auch Viren analysieren, die es noch gar nicht gibt.

Tatsächlich betont auch Susanne Glasmacher, Sprecherin des RKI, dass es dem RKI derzeit "um den Aufbau von Strukturen" gehe. Es gebe innerhalb des Abwasser-Monitorings des RKI auch Forschungsprojekte, die sich mit anderen Erregern als mit dem Coronavirus befassen.

Der Epidemiologe Hajo Zeeb im Interview bei buten un binnen.
Ist von der Zukunft des Abwasser-Monitorings überzeugt: der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb. Bild: Radio Bremen

Worin liegen die Grenzen der Abwasser-Überwachung?

Die Abwasser-Überwachung liefere lediglich Informationen zur Viruslast und damit zur Infektionsdynamik, nicht aber zur Krankheitsschwere und zur Belastung des Gesundheitssystems, teilt das RKI mit.

"Man kann auch keine genauen Inzidenzen aus der Abwasser-Überwachung ableiten", sagt Hajo Zeeb. Er spricht im Zusammenhang mit der Abwasser-Überwachung daher von einem "interessanten zusätzlichen System" und fügt hinzu: "Man braucht mehrere Datenquellen." Wenn man etwa Informationen über das Infektionsgeschehen in einzelnen Altersgruppen gewinnen wolle, werde man auch künftig nicht um einzelne Tests herumkommen.

Entsprechend teilt auch Diana Schlee aus dem Bremer Gesundheitsressort mit, dass man aufgrund der Abwasseranalysen nicht sagen könne, wie viele Menschen in Bremen tatsächlich an Corona erkrankt sind und schon gar nicht, wie viele schwer erkrankt sind. Gleichwohl sieht das Bremer Gesundheitsressort das ursprüngliche Ziel der Abwasser-Überwachung als erreicht an: Trends beim Corona-Infektionsgeschehen schnell zu erkennen.

Was ist mit dem Abwasser Bremerhavens? Soll das nicht überwacht werden?

Doch, sagt Schlee: "Es ist geplant, Bremerhaven auch mit einzubinden. Vorgespräche hierzu sind bereits gelaufen, Vertragsverhandlungen sind initiiert." Bremen wolle, dass künftig das Abwasser des gesamten Bundeslandes bewertet wird.

Wie ist es überhaupt möglich, Krankheitserreger mit Hilfe von Abwasser nachzuweisen?

Nicht alle, aber einige Krankheitserreger, darunter das Coronavirus, werden von infizierten Personen über den Stuhl, Urin oder Speichel ausgeschieden, erklärt das RKI. Der Umlauf dieser Erreger lässt sich im Abwasser mit Hilfe von PCR-Tests überwachen.

Im Falle des Coronavirus ermittelt das RKI anhand der Abwasserdaten zum Einen die Viruslast. In Bremen betrug sie am 27. November knapp neun Millionen Genkopien pro Liter. Zum Anderen erkennt das RKI aufgrund der Abwasserdaten, welche Varianten derzeit in Deutschland vorherrschen. Demnach lag der Anteil der Corona-Variante EG.5 in der Woche vom 14. bis 20. November bei knapp 42 Prozent, der Anteil der Variante BA.2.86 war auf knapp 32 Prozent gestiegen.

Das aktuelle Abwasser-Überwachungsprojekt des RKI läuft im Dezember 2024 aus. Wie wahrscheinlich ist, dass es verlängert oder ein neues, ähnliches Projekt aufgelegt wird?

"Das wird derzeit diskutiert", teilt RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher mit. Mehr lasse sich derzeit nicht sagen. Der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb zeigt sich gleichwohl zuversichtlich, dass das Abwasser-Überwachungssystem langfristig erhalten bleiben wird.

"Das System ist schon jetzt dabei, sich fest bei uns zu etablieren", sagt der Wissenschaftler. Er hielte es für einen Fehler, das Projekt ersatzlos auslaufen zu lassen und kann sich auch nicht vorstellen, dass es so kommen wird. Es spreche im Gegenteil viel dafür, das mühsam aufgebaute und bereits bewährte Abwasser-Monitoring weiterzuentwickeln.

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Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen um sechs, 10. Februar 2022, 18 Uhr