Interview

"Zukunft Wohnen" hofft auf Hilfe Bremer Hausbesitzer für Geflüchtete

Eine Ukrainische Flüchtlingsfamilien mit kleinen Kindern in einer Übergangswohnung
Weil im Land Bremen zur Zeit viele geflüchtete Familien leben, ist der Bedarf an Wohnungen mit mehr als drei Zimmern besonders groß. Bild: dpa | ANP/Catrinus van der Veen

Not- und Erstunterkünfte sind überfüllt. Bremen braucht mehr Wohnungen für Geflüchtete. Die Initiative "Zukunft Wohnen" will dafür sorgen – mit Unterstützung Bremer Vermieter.

Infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nimmt das Land Bremen derzeit so viele Geflüchtete auf wie seit 2015 nicht mehr. Hatte der Zwei-Städte-Staat damals über 10.000 Menschen dauerhaft aufgenommen, so sind es in diesem Jahr bis Ende August bereits mehr als 4.500 gewesen, teilt das Sozialressort mit. Um mehr Übergangsunterkünfte zu schaffen, treibt Bremen derzeit den Bau von Leichtbauhallen für bis zu 1.200 weitere Flüchtlinge voran.

Trotzdem werden voraussichtlich sogar einige minderjährige Flüchtlinge den Bremer Winter in Zelten verbringen müssen, wie im September publik wurde. Es fehlt an allen Ecken und Enden an dauerhaften Unterkünften. "Wir werden weiter nach Immobilien suchen", sagt dazu Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne).

Die Hoffnungen der Senatorin ruhen nicht zuletzt auf der 2013 gegründeten Initiative "Zukunft Wohnen". Mit Fördermitteln der Stadt Bremen suchen und vermitteln in diesem Projekt Wohlfahrtsverbände Wohnungen für Geflüchtete. Die Initiative unter Federführung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) hat seit 2014 bereits mehr als 11.000 Geflüchteten in Bremen zu Wohnraum verholfen. Von März bis Mitte Juli dieses Jahres sind über 400 Menschen allein aus der Ukraine hinzu gekommen. buten un binnen hat mit Projektleiterin Andrea Nolte-Buschmann über den Stand der Dinge bei "Zukunft Wohnen" gesprochen sowie darüber, was für die kommenden Monate zu erwarten ist – und wie Bremer helfen können.

Frau Nolte-Buschmann, die Zahl der Geflüchteten in Bremen ist durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sprunghaft gestiegen. Wie wirkt sich das auf Ihr Projekt "Zukunft Wohnen" aus?

Wir haben seit Beginn des Krieges sehr viele Wohnungsangebote von Bremer Bürgerinnen und Bürgern bekommen. Allerdings war es zunächst schwierig für uns, das alles zeitnah aufzuarbeiten, weil uns dazu Personal fehlte. Hinzu kam, dass wir – zusätzlich zu den Anfragen aus den Erst- und Notunterkünften – viele Wohnraum-Anfragen direkt von den Geflüchteten bekamen.

Mittlerweile läuft es gut. Wir haben von der Stadt Bremen fünf Stellen bekommen für Personen, die den Vermittlungsprozess begleiten, und eine Stelle in der Koordination. Jetzt können wir wieder alles, was angeboten wird, zeitnah abarbeiten, wenn wir auch noch deutlich mehr Personal gebrauchen könnten. Dennoch: Wir haben in der Messehalle und in der Zeltstadt Mitarbeitende, die sich um die Geflüchteten und um die Vermittlungsabläufe kümmern können. Genau diese Arbeit vor Ort hat "Zukunft Wohnen" von den Anfängen des Projektes an immer ausgezeichnet.

Porträt von Andrea Nolte-Buschmann in ihrem Büro.
Leitet das Projekt "Zukunft Wohnen": Andrea Nolte-Buschmann von der Beratungsstelle für Geflüchtete der AWO. Bild: privat

Wie viele zusätzliche Wohnungen brauchen Sie kurzfristig, wie viele mittelfristig?

Wir bekommen jeden Monat von der Gewoba und von der Brebau Wohnungen, über die wir sehr glücklich sind. Aber es handelt sich dabei überwiegend um Dreiraum-Wohnungen. Für die Geflüchteten aus den Übergangswohnheimen brauchen wir auch größere Wohnungen, weil es sich häufig um große Familien handelt. Hier sind wir besonders auf die Hilfe privater Vermieter angewiesen. Wir brauchen kurz- und mittelfristig mindestens zwanzig Wohnungen mit vier, fünf oder sechs Zimmern. Wir wären aber auch über andere Wohnungsangebote von privaten Vermietern froh. Derzeit bekommen wir etwa ein bis zwei solcher Angebote pro Woche. Vier Wohnungsangebote wöchentlich wären toll!

Neben den Geflüchteten aus der Ukraine gibt es weiterhin viele aus anderen Ländern bei uns. Für wen ist es leichter, für wen besonders schwer, trotz Ihrer Hilfe eine Wohnung zu finden?

Es ist für alle schwer. Besonders schwierig ist es aber für schwerbehinderte Personen, die auf behindertengerechten Wohnraum angewiesen sind, völlig unabhängig davon, aus welchem Land sie kommen. Es gibt für sie einfach kaum Angebote. Schwierig ist es auch immer für große Familien ab fünf Personen. Und besonders schwierig ist es auch immer für Alleinerziehende. Und davon gibt es zur Zeit sehr viele bei uns.

Es ist kein Geheimnis, dass es in Bremen noch viele leerstehende Wohnungen gibt oder zumindest freie Zimmer. Was glauben Sie: Aus welchen Ängsten heraus halten Bremer Hausbesitzer Wohnraum, den sie anbieten könnten, zurück?

Es gibt viele Gründe. Allgemein halten viele Wohnraum zurück, weil sie die Einnahmen versteuern müssten. Das haben wir schon oft gehört. Was speziell das Vermieten an Geflüchtete betrifft – da spielen häufig Unsicherheiten eine Rolle. Beispielsweise wegen möglicher Sprachbarrieren. Oder wegen der Bleibe-Perspektiven. Hauseigentümer wollen gern langfristig vermieten und sagen: "Was machen wir, wenn die Personen gleich wieder zurückgehen?"

Wie können Sie potenziellen Vermieterinnen und Vermietern diese Ängste nehmen?

Wir können das ein bisschen entkräften, weil wir die Bleibe-Perspektiven der Geflüchteten überprüfen. Bevor wir überhaupt in die Vermittlungen gehen, prüfen wir, für wen ein langfristiges Angebot infrage kommt. Auch die Sorge vor Sprachbarrieren können wir vielen nehmen. Denn wir haben Sprachmittler, auf die wir zurückgreifen können für unser Projekt. Trotzdem: Die Vorbehalte sind erst einmal da.

Manchmal kommen auch Unsicherheiten wegen der Mietzahlungen hinzu. Aber auch das können wir schnell entkräften, gerade wenn es um Mietzahlungen durch Leistungsträger geht. Denn diese Mietüberweisungen gelten als sicher. Viele Vermieter haben aber auch einfach Berührungsängste – die sich dann ganz oft schnell relativieren, wenn sich Vermieter und Mieter erst einmal bei einer Wohnungsbesichtigung kennenlernen. Das haben wir schon ganz oft beobachtet.

Was können Sie außerdem tun, um noch mehr Vermieter in Bremen zu erreichen und für Ihr Projekt zu gewinnen?

Wir haben die Homepage "zukunftwohnen-bremen.de" entwickelt. Dort erklären wir genau, wie wir Hauseigentümern Sicherheit bieten. Ohnehin glaube ich, dass wir mit dem, was wir bieten, überzeugen können. Nicht umsonst kommen Privatanbietende in den meisten Fällen immer wieder auf uns zurück und fragen, ob wir neue Mieter vermitteln können, wenn Menschen bei ihnen ausziehen oder wenn sie ein neues Objekt erwerben, das sie vermieten wollen.

Trotzdem müssen wir das Projekt vielleicht einfach noch bekannter machen. Wir nehmen vermehrt Kontakt zu Hausverwaltungen auf, schalten Anzeigen, versuchen Akquise zu betreiben.

Was glauben Sie: Wie wird es in den kommenden Monaten weitergehen?

Der Bedarf an Wohnraum für Geflüchtete wird noch weiter steigen. Einfach deshalb, weil auch die Zahlen der Geflüchteten, die zu uns kommen, weiter steigen. In den Wohnheimen gibt es kaum noch Kapazitäten. Es wird dringend mehr Wohnraum benötigt. Hinzu kommt: Einige Objekte stehen nur für begrenzte Zeit zur Verfügung, müssen also wieder geräumt werden. Aber wir sind zuversichtlich, dass sich unsere Akquise bezahlt machen wird und wir von Bremens Hausbesitzern künftig noch mehr Wohnungen angeboten bekommen werden.

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Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 26. September 2022, 21 Uhr