Koalitionsvertrag: Das soll sich in der Bremer Verwaltung ändern

Finanzamt Bremen-Mitte: Stempel in einem Büro, im Hintergrund eine Mitarbeiterin.

So soll Bremens Verwaltung digitaler werden

Bild: dpa | Caro/Bastian

Rot-Grün-Rot will die Bremer Verwaltung schneller und digitaler machen. Doch wie? Das sagt der Koalitionsvertrag dazu.

Zu lange Wartezeiten auf Dokumente und Bescheinigungen, wenig digitale Angebote – das soll nach Willen der neuen Bremer Regierung bald passé sein. In ihrem Koalitionsvertrag erläutern die künftigen Regierungsparteien in über fünf Seiten, was sich alles ändern soll in der Bremer Verwaltung. Doch was ist konkret geplant? Und wie realistisch sind die Vorhaben? Diese sind einige der wichtigsten Punkte.

1 Ein digitales Bürgeramt

In den nächsten vier Jahren soll ein digitales Bürgeramt entstehen. Dort werden Nutzer und Nutzerinnen alle digitalen Dienstleistungen der Verwaltung vorfinden. Die Ansprüche sind hoch:

Jede online verfügbare Dienstleistung für Bürger*innen soll dort angeboten werden, wir werden damit das beste digitale Bürgerservice-Angebot in Deutschland schaffen.

Koalitionsvertrag für die 21. Wahlperiode der Bremischen Bürgerschaft

Die Anträge sollen dann leichter zu finden und intuitiver zu nutzen sein. Chat-Bots, Algorithmen und künstliche Intelligenz könnten dabei helfen.

2 Kürzere Wartezeiten

Sollte der Behördengang doch nötig sein, dann könnte er in Zukunft schneller erledigt sein. Denn die Wartezeit auf einen Termin beim Bürgerservice soll deutlich kürzer werden: Maximal 14 bis 31 Tage je nach Anliegen sind angepeilt.

Außerdem könnten demnächst mobile Angebote in den Stadtteilen entstehen, um etwa Menschen, die mit digitalen Technologien nicht vertraut sind, einfacher zu erreichen. Auch soll es künftig möglich sein, Ausweise und Dokumente sieben Tage der Woche und zu jeder Uhrzeit an dafür geplanten Stationen abzuholen.

Wir optimieren die Terminvergabe und stellen mit einem modernen Terminmanagement hohe Termin¬verfügbarkeiten und schnellen Service her, wo der Gang zum Amt noch erforderlich bleibt.

Koalitionsvertrag

3 Baugenehmigungsverfahren komplett digitalisiert

Baugenehmigungsverfahren sowie die Antragsstellung auf Wohngeld sollen komplett digital ablaufen können. So sollen sie schneller und einfacher werden. Außerdem wird geprüft, ob das Wohngeld in Zukunft antragslos gewährt werden kann.

Die neue Regierungskoalition nimmt sich dabei einiges vor: Bei der Bearbeitungsgeschwindigkeit von Baugenehmigungen soll Bremen künftig unter den ersten drei deutschen Großstädten liegen.

Unser Anspruch ist bis zum Ende der Legislaturperiode unter den TOP 3 bei Bearbeitungsgeschwindigkeit der 15 größten deutschen Städte zu sein.

Koalitionsvertrag

4 Bundesweites Vorbild beim mobilen Arbeiten

Smartworking ist spätestens seit der Coronakrise im Alltag angekommen – auch bei der Verwaltung. Die Bremer Behörden sollen weiterhin die Möglichkeit des mobilen Arbeitens nutzen können. Das Land will damit bundesweit Vorbild werden. Dafür will man entsprechende Ressourcen bereitstellen, veraltete Strukturen umorganisieren und "neue Formen der Zusammenarbeit ausprobieren". Die Attraktivität des Berufs soll steigen. Denn mehrere Ämter sollen auch personell verstärkt werden: etwa die Finanzverwaltung und einige Bereiche der Finanzämter.

5 Das Jobcenter soll an "Einfach Leistungen für Eltern" angebunden werden

Das Projekt "Einfach Leistungen für Eltern" (Elfe) dient dazu, die Bürokratie für Elternteile zu erleichtern, die Elterngeld beantragen müssen. Damit sollen sie nicht mehr an mehreren Stellen Dokumente einsammeln und einreichen, sondern können einen kombinierten, digitalen Antrag stellen. Das Jobcenter soll nun an das Projekt angeschlossen werden, damit Leistungsempfänger kürzere Wege haben. Ebenfalls plant das Land Bremen, das eigene Bürgerkonto in das bundesweite Bürgerkonto zu überführen, das von der Ampelkoalition auf Bundesebene angestrebt wird.

6 Das sagt ein Experte zu den Plänen der Koalition

Kritisch betrachtet Herbert Kubicek, Professor am Institut für Informationsmanagement Bremen, das gesamte Vorhaben. "Absolut unrealistisch, total übertrieben und völlig unreflektiert" seien die im Koalitionsvertrag dargestellten Pläne zum Thema Verwaltung. Bereits in der früheren Regierungsvereinbarung hätten sich ähnliche Absichten gefunden, die aber nicht oder nicht ganz umgesetzt werden könnten.

Sie schreiben einen Wunschzettel, wie man sich ein digitales Paradies aus Bürgersicht vorstellt, aber vergessen, dass sie selbst die Weihnachtsmänner sind, die dann die Geschenke liefern müssen.

Dr. Herbert Kubicek, Prof. für angewandte Informatik and er Uni Bremen, im Studio von buten un binnen.
Herbert Kubicek, Professor für Informationsmanagement

Kubicek befürchtet, dass zu hohe Ziele wie "das beste digitale Bürgerservice-Angebot in Deutschland" die Menschen im Nachhinein enttäuschen könnten. "Verwaltung ist schwierig", sagt er, ihre Strukturen kompliziert und die Bürger und ihre Bedürfnisse unterschiedlich. Gerade am Beispiel des Projekts Elfe sehe man das. Drei Jahre habe es gedauert, bis der rechtliche Rahmen geschaffen war. Schwierig sei auch, einfache und gleichzeitig sichere Verfahren anzubieten. Vor allem ältere Menschen brauchen laut Umfragen immer wieder persönliche Unterstützung bei der Nutzung von Online-Services.

Realistisch sei hingegen, die Wartezeiten zu verkürzen und Abholstationen für Dokumente einzurichten. "Da haben wir nicht diese organisatorische Komplexität, da ist einfach die Frage, entsprechend viel Personal einzustellen", so Kubicek. Der Fachkräftemangel erschwere das, trotzdem könnte dies mit den richtigen Anreizen zu schaffen sein. Und auch Abholstationen gebe es bereits in Deutschland. Das sei eine "grandiose, gut umsetzbare" Idee. Die Fokussierung auf die Digitalisierung von Baugenehmigungen und Wohngeldanträgen bewertet der Experte ebenfalls positiv, weil eher umsetzbar als andere, umfangreichere Vorhaben.

So soll eine Digitalisierung die Bremer Ämter entlasten

Bild: Radio Bremen

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Autorinnen und Autoren

  • Serena Bilanceri
    Serena Bilanceri Autorin
  • Jens Otto
    Jens Otto Autor

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 5. Juli 2023, 6:35 Uhr