Meinungsmelder

Von einer Krise in die nächste: Darum leidet die Bremer Kulturszene

Ein leerer Stuhl auf Bühne im Scheinwerferlicht, ein Bass und Mikrofon stehen daneben

Mehrheit der Radio Bremen Meinungsmelder spart an Konzerten und Co.

Bild: Imago | Hans Lucas

Immer wieder werden Konzerte abgesagt, weil nicht genug Tickets verkauft wurden. Die Radio Bremen Meinungsmelder verraten, warum sie beim Ticketkauf zögern.

Ob im Theater oder im Club: Nach Jahren der Absagen und Verschiebungen endlich wieder vor Publikum auf der Bühne zu stehen, darauf haben sich viele Künstler und Künstlerinnen gefreut. Doch nun bleiben bei vielen Veranstaltungen die Hälfte der Plätze leer, einige Konzerte wurden sogar abgesagt, weil nicht genug Tickets verkauft werden konnten.

Zwar gab und gibt es immer wieder gut besuchte Veranstaltungen, wie zum Beispiel zuletzt das Konzert der Toten Hosen in Bremen. Doch der Eindruck täuscht: Vor allem bei kleineren Bands bleiben die Säle leer, sagt Olli Brock, der die Agentur Hafensänger und zwei Clubs in Bremen betreibt.

Ich habe das Gefühl, neue Bands, die man noch nicht so kennt, werden so ein bisschen gemieden im Moment. So kleinere Geschichten, wo normalerweise so 150 bis 200 Leute kommen, kommen jetzt ja vielleicht wenn man Glück hat 80, 50, 60, 70 Leute.

Olli Brock, Agentur Hafensänger

Außerdem waren viele der gut besuchten Konzerte eigentlich für die vergangenen Jahre angesetzt, mussten aber wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Die Besucher und Besucherinnen haben ihre Tickets also zum Großteil schon vor Jahren gekauft, vor der Coronapandemie und dem Krieg in der Ukraine.

Jeder und jede zweite will keine Kulturveranstaltung besuchen

Dass Kulturveranstaltungen für die Bremer und Bremerinnen gerade nicht unbedingt Priorität haben, zeigen auch die Antworten der 2.597 Menschen, die an der aktuellen Radio-Bremen-Meinungsmelder-Befragung teilgenommen haben: Mit 51 Prozent hat mehr als die Hälfte von ihnen in der nächsten Zeit nicht vor, eine Veranstaltung zu besuchen.

In den Begründungen für die Zurückhaltung beim Ticketkauf zeigt sich wohl vor allem der Effekt der Inflation, der Energiekrise und der allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit: Ein Drittel der Befragten sagt, dass ihnen die Tickets und Dinge wie Getränke vor Ort zu teuer sind.

Sechs Euro für 0,4 Liter Bier lohnt nicht. Da kaufe ich mir lieber sechs mal 0,33 Liter und setze mich mit Freunden privat zusammen.

41-jähriger Meinungsmelder aus Bremen

Etwas weniger Meinungsmelder und Meinungsmelderinnen sagen, dass das Angebot sie nicht interessiert oder dass sie aus Angst vor einer Corona-Ansteckung lieber zuhause bleiben.

Ich plane aktuell keinen Veranstaltungsbesuch ...

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Meinungsmelder haben Verständnis für Absagen

Dass so viele Menschen aktuell lieber keine Tickes kaufen führt auch dazu, dass Konzerte abgesagt werden. Unter anderem im Bremer Lagerhaus haben zuletzt ein Drittel der geplanten Veranstaltungen nicht stattgefunden und auch andere Veranstalter kämpfen mit Ausfällen.

Die Radio Bremen Meinungsmelder zeigen generell Verständnis dafür, dass Veranstaltungen bei zu wenigen Zuschauern nicht stattfinden. Schließlich entstünden bei Konzerten und Co. auch Kosten für die Veranstalter, die gedeckt werden müssen, begründen einige der Befragten ihre Haltung.

Inwieweit haben Sie Verständnis dafür, dass Veranstaltungen aufgrund geringer Nachfrage bei den Ticketverkäufen abgesagt werden?

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Allerdings gibt es auch gegenteilige Meinungen. Statt einer ersatzlosen Streichung fordern einige Meinungsmelder zum Beispiel alternative Lösungen wie Verschiebungen auf einen späteren Zeitpunkt.

Lieber kleine Locations wählen und notfalls in eine größere Halle ausweichen. Das Publikum geht in Vorkasse, dem gegenüber finde ich es unverschämt, Veranstaltungen abzusagen, wenn nicht genügend Gewinn rüberkommt.

58-jähriger Meinungsmelder aus Bremen

Banger Blick in die Zukunft

Und das Problem könnte in Zukunft noch größer werden. Denn einerseits steht nun der Herbst und damit die Indoor-Saison an. Und niemand kann einschätzen, wie sich die Corona-Situation in den kommenden Monaten entwickeln wird.

Hinzu kommt, dass auch für die Veranstalter die Betriebskosten wie Heizung, Strom und Personal steigen. Gleichzeitig laufen aktuell die Corona-Hilfsprogramme für die Kulturszene aus. Das könnte dazu führen, dass auch die Tickets in Zukunft teurer werden, sagt eine Sprecherin von Koopmann Concerts – was wiederum noch mehr Menschen vom Kauf abhalten könnte.

Veranstalter fordern Unterstützung

Um die Folgen dieser Entwicklung aufzufangen, fordern die Bremer Veranstalter weitere staatliche Hilfen. Das Thema der Unterstützung für die Kulturbranche wird auch schon in drittem Entlastungspaket der Bundesregierung erwähnt, es sollen Gelder fließen. Olli Brock hat eine weitere Idee, wie Unterstützung aussehen könnte:

Ideal wäre so eine Art Schutzschirm – gerade auch für die kleinen Clubs, weil auch dort hauen die Energiekosten natürlich rein. Sowohl bei Gas als auch Strom gibt es massive Erhöhungen und die Clubs haben eh schon zu kämpfen – mit Leuten, die gar nicht zu den Konzerten erscheinen.

Olli Brock, Agentur Hafensänger

"Kultur ist wichtig"

Dass die Kulturbranche vom Staat – und damit letztendlich aus Steuermitteln – unterstützt wird, begrüßt auch ein Großteil der Meinungsmelder. 60 Prozent geben den Entlastungszahlungen einen "Daumen hoch", nur 17 Prozent lehnen die Zahlungen ab.

Auch wenn ich kein regelmäßiger Theatergänger bin, halte ich Kultur für wichtig für Gesellschaft und Bildung.

62-jähriger Meinungsmelder aus Niedersachsen

Ein weiterer Meinungsmelder schaut vor allem auf die letzten Jahre, in denen gerade der Kultursektor stark unter der Corona-Zeit gelitten habe: "Da ist Unterstützung ganz wichtig, damit die Lichter nicht für immer ausgehen."

Weitere Informationen:

Autorinnen und Autoren

Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, 15. September 2022, 7:10 Uhr