Warum Spargel in Bremen gerade so billig ist

Bild: picture alliance/dpa | Uli Deck

Die Ernte ist gut, die Qualität hervorragend – eigentlich ein gutes Jahr für Spargel und Erdbeeren. Doch die Landwirte blicken mit Sorge auf die Saison.

"Wir waren die Gewinner in der Pandemie", sagt Fred Eickhorst von der Vereinigung der Spargel- und Beerenanbauer in Niedersachsen mit Blick auf die vergangenen beiden Jahre. Die Kunden hätten große Supermärkte eher gemieden und vermehrt regionale Erzeuger angefahren, Restaurants waren geschlossen, es wurde zu Hause gekocht. Das hatte zur Folge, dass Hofläden und Verkaufsstände häufig ausverkauft waren. Doch dieses Jahr ist alles anders.

Spargel billiger als letztes Jahr

Alles wird teuer – Heizkosten, Kraftstoff, Nahrungsmittel. Nur der Spargel nicht. Die Lage in der Ukraine lässt die Menschen vorsichtig und sparsamer werden.

Reihen mit grünem Spargel auf einem Feld.
Die Sonne setzt die Photosynthese in Gang, dadurch bildet sich der Pflanzenfarbstoff Chlorophyll. Bild: Radio Bremen

Es werden verstärkt No-Name-Produkte gekauft, hochpreisige Lebensmittel werden eher, laut Eickhorst, zurzeit in den Regalen stehen gelassen. Spargel und Erdbeeren sind so deutlich weniger nachgefragt. Das weiße Stangengemüse ist kein Grundnahrungsmittel, es ist im Grunde ein Luxusprodukt. Die Nachfrage bestimmt den Preis und der ist zur Zeit niedrig.

Die Saison begann mit recht hohen Verkaufspreisen, doch schnell kam die Ernüchterung für die Anbauer. Das Angebot ist groß, die Nachfrage in diesem Jahr zu gering. Die Direktvermarkter, die ihre Ernte in eigenen Hofläden oder Ständen verkaufen, haben die Preise noch selbst in der Hand.

Eine Frau in einem Verkaufsstand überreicht einer Kundin eine Schale Erdbeeren.
Die Nachfrage nach regionalem Spargel und Erdbeeren ist zu gering. Bild: Radio Bremen | Martin von Minden

Dort sind sie ähnlich zu den vergangenen Jahren. Beim Verkauf über Händler auf Wochenmärkten oder gar Großhändler für Supermarktketten, sieht es hingegen ganz anders aus. Hier ist der Preisdruck enorm. Das große Angebot setzt die Anbauer unter Druck: Die Händler geben den Preis vor. "Wenn man dann verkaufen will, muss man das mitmachen", sagt Spargelbauerin Anja Holste aus Martfeld, "Sonst nimmt man seine Ware wieder mit nach Hause." Im Großmarkt wird der Spargel für weniger als die Hälfte des Preises im Hofladen verkauft.

30 Prozent der Flächen werden nicht mehr abgeerntet

Bremens einziger Spargelbauer ist Hajo Kaemena, er verkauft seine Ware ausschließlich an eigenen Ständen. "Ich würde lieber aufhören, zu ernten, als zu Dumpingpreisen zu verkaufen", sagt der Landwirt aus Bremen-Oberneuland. Noch kann er das Wachstum seines Spargels mit Folien verlangsamen oder beschleunigen und so auf die Nachfrage reagieren. Sonja Alfkens aus Harpstedt ist ebenfalls Direktvermarkterin und musste schon die Ernte auf einigen Feldern beenden.

Die Entscheidung, eine Fläche aus der Ernte zu nehmen, ist nie leicht.

Sonja Alfkens, Spargelanbauerin aus Harpstedt
Sonja Alfkens, Spargelanbauerin aus Harpstedt

"Das ganze Jahr arbeiten wir auf die drei Monate hin, wo wir endlich Spargel ernten können und dann einen Teil nicht ernten zu können ist natürlich total bitter", sagt sie. Laut Fred Eickhorst wurden in Deutschland bereits 30 Prozent der Anbauflächen aus der Produktion genommen.

Ausreichend Erntehelfer trotz Krieg in der Ukraine

Zu Beginn der Saison hatten viele Landwirte Bedenken, ob sie in diesem Jahr ausreichend Erntehelfer bekommen würden, da die meisten Saisonkräfte aus Polen und Rumänien und damit aus direkten Nachbarländern der Ukraine stammen.

Spargelstecher bei der Arbeit.
Spargelstechen ist ein Knochenjob, der auf den Rücken geht. Wer schnell genug arbeitet, verdient sich Zuschläge zum Lohn. Bild: Radio Bremen | Martin von Minden

Diese Sorgen haben sich allerdings nicht bestätigt. Viele erfahrene Mitarbeiter der letzten Jahre sind wieder zurück auf die Höfe gekommen. Ein großes Problem hatten die Landwirte im März 2020, als ein Einreiseverbot die Helfer aus Osteuropa fernhielt. Sogar mit Sonderfliegern wurden anfangs Saisonkräfte ins Land geholt, ehe die Einreisebeschränkungen wieder gelockert wurden.

Corona ist kaum noch ein Thema für die Landwirte. Die Auflagen zur Eindämmung der Pandemie sind weitestgehend aufgehoben, trotzdem bleiben die Spargelbauern vorsichtig. Ein Corona-Ausbruch in der Erntezeit könnte das vorzeitige Ende der Saison bedeuten.

Keine Chance mitzuhalten

Mit großer Sorge blicken die Spargelanbauer in die Zukunft. Steigende Energiekosten, Düngemittel werden teurer, der gesetzliche Mindestlohn steigt im Oktober auf zwölf Euro. Da müsse der Preis steigen, nicht fallen, um am Markt bestehen zu können. Erste kleinere Spargelproduzenten haben ihre Produktion schon eingestellt, man sei gegen Importe aus europäischen Nachbarländern mit deutlich geringerem oder gar keinem Mindestlohn nicht mehr konkurrenzfähig, so Eickhorst.

"Jeden Tag aufs Neue hat der Verbraucher an der Theke die Entscheidung, ob ihm Regionalität und Saisonalität wichtig ist", sagt der Vorstandssprecher der Vereinigung. Sonja Alfkens vermisst die Rückendeckung in Lebensmittelhandel: "Früher wurde in der Spargelsaison hauptsächlich deutscher Spargel verkauft, das ist dieses Jahr anders.“ Die Konkurrenz kommt aus Spanien und Griechenland. "Da haben wir keine Chance mitzuhalten", sagt sie.

Hajo Kaemena sitzt zwischen Reihen von Erdbeerpflanzen.
Hajo Kaemena hofft, dass die Sonne nicht zu sehr scheint, damit nicht zu viele Erdbeeren gleichzeitig erntereif sind. Bild: Radio Bremen | Martin von Minden

Aber auch das Wetter bereitet dem Bremer Spargelbauern Hajo Kaemena Kopfschmerzen: "Die Wetterkapriolen der letzten Jahre sind ein Problem. Es ist viel zu heiß, viel zu lange viel zu trocken." Den größten Wasserbedarf hat der Spargel nach dem 24. Juni, wenn er ungehindert Weiterwachsen darf. Dann sammelt er Kräfte für das nächste Jahr. Eine Spargelpflanze wird im Anbau acht bis zehn Jahre genutzt.

Die Erdbeersaison steht noch am Anfang, aber auch hier werden die Preise von den Supermärkten sehr niedrig angesetzt. Die deutschen Erzeuger werden mit billigerer Importware nicht mithalten können. Laut Landwirtin Sonja Alfken haben die Supermarktzentralen den Verkaufspreis auf 2 Euro für 500 Gramm Erdbeeren festgelegt – ein Schleuderpreis, auch wegen der Billigkonkurrenz aus dem Ausland. Für die Erdbeerbauern bleibe dann nur etwa ein Euro übrig. Im Münsterland hat ein Landwirt aus Protest seine Erdbeeren abgemäht und will lieber Mais anpflanzen.

Autor

  • Martin von Minden
    Martin von Minden Autor

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 29. Mai 2022, 19.30 Uhr