Gladbecker Geiseldrama: Opfer und Angehörige

Die Familie de Giorgi am Grab von Emanuele.
Die Familie de Giorgi am Grab von Emanuele. Bild: Radio Bremen

Welche Folgen hat die Geiselnahme für die Opfer und deren Angehörige? Radio-Bremen-Reporter Holger Baars sprach mit dem Vater des ermordeten 15-jährigen Emanuele de Giorgi und dessen kleiner Schwester, die mit im Bus saß. Lange nach der Entführung ringen sie noch um Fassung. Auch eine damals siebenjährige Geisel blickt zurück.

Aldo de Giorgi
Aldo de Giorgi trauert um seinen Sohn Emanuelle. Bild: Radio Bremen

Alles, was der Familie von Emanuele de Giorgi bleibt, ist die Erinnerung und die Trauer. Dazu kommt Wut, wenn der Vater an den Tag zurückdenkt, als sein Sohn starb. Ohne seine Frau und seine Kinder hätte er sich damals fast zu einer Dummheit hinreißen lassen. Aldo de Giorgi spürte Hass und wollte die Ermordung seines Sohnes rächen, der in dem Bremer Linienbus von den Gladbecker Geiselnehmern erschossen wurde. Emanuele wollte seine kleine Schwester Tatjana schützen. Schon an der Haltestelle in Huckelriede drohte der Entführer Hans-Jürgen Rösner, die Neunjährige zu töten. Als später an der Raststätte Grundbergsee seine Freundin von der Toilette nicht zurückkehrte, rastete sein Komplize Dieter Degowski aus und richtete die Waffe auf Tatjana. Ihr Bruder Emanuele warf sich dazwischen.

Tatjana de Giorgi
Tatjana de Giorgi leidet heute noch an Schlafstörungen. Bild: Radio Bremen

Ob sein Tod hätte verhindert werden können, wenn die Polizei anders gehandelt hätte, wenn ein Notarztwagen vor Ort gewesen wäre oder die Journalisten sich nicht ins Geschehen eingemischt hätten, bleibt fraglich. Die Bremer Staatsanwaltschaft untersuchte später den Fall und stellte fest, dass die Kaperung des Busses hätte verhindert werden können. Kritisiert wurde vor allem der Führungsstab der Polizei. Die Gangster wollten verhandeln, aber die Polizei lehnte ab. Zudem überschritten Journalisten ihre Rolle als Beobachter. Sie kümmerten sich nicht um die Absperrungen rund um die Haltestelle und belagerten den Bus.

Jonny Bastian Pillar schaut auf zwei Monitore
Jonny Bastian Pillar sieht sich 30 Jahre später an, wie er als Siebenjähriger im entführten Bus saß. Bild: Radio Bremen

Im Bus saß damals auch der siebenjährige Jonny Bastian Pillar zusammen mit seiner Mutter und seiner Cousine. Sie kehrten gerade von einer Beerdigung zurück. Als er sich 20 Jahre später auf dem Videomaterial wiedererkennt, erinnert er sich, dass er zunächst nicht begriffen hatte, wie gefährlich die Situation war. Erst als seine Mutter ihn zu sich holte und anfing zu beten, war die Angst groß. Ähnlich erging es den anderen 30 Fahrgästen. "Keiner wusste, was als nächstes passieren würde", berichtet Pillar. Als Kind fuhr er dann lange Zeit nicht mehr mit dem Bus. Er glaubt aber, dass es für die Erwachsenen damals schlimmer war.

Ein Interview während der Tat, während die Geiseln bedroht werden, das war neu, das gab es noch nicht. In entspannter Atmosphäre plauderte der Gewalttäter mit den Journalisten und ließ sich als Medienstar inszenieren. Daraus zog der Deutsche Presserat Konsequenzen: Er verbietet Interviews während einer Geiselnahme und eigenmächtige Vermittlungsversuche von Journalisten. So steht es seitdem im Pressekodex, der für die Medienbranche gilt.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. August 2013, 19:30 Uhr