So geht es nach der großen Mosaic-Expedition weiter

Vier Personen stehen in orangefarbenen Schutzanzügen auf dem Eis und graben ein Loch.
Tausende Proben sammelten die Forscher im Eis – die gilt es nun auszuwerten. Bild: Alfred-Wegener-Institut | Lianna Nixon

Sie war die größte Arktis-Expedition aller Zeiten – und nun? Was haben die Wissenschaftler herausgefunden? Drei Forscher aus Bremerhaven berichten.

Büroarbeit steht auf dem Tagesplan von Meereisphysiker Marcel Nicolaus. Vor ein paar Wochen lotste der Mitarbeiter des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) noch einen Tauchroboter unter das arktische Meereis hindurch. Er ist einer von rund 400 Wissenschaftlern, die bei der einjährigen Mosaic-Expedition viele Tausende Daten und Proben gesammelt haben. Das Ziel: Einen Meilenstein in der Klimaforschung zu setzen. Mitte Oktober ist das letzte internationale Forschungsteam mit der "Polarstern" wieder in Bremerhaven eingetroffen.

Ein Mann sitzt vor einem Monitor.
Aus dem Eis ging es für Marcel Nicolaus zurück an seinen Schreibtisch. Bild: Radio Bremen | Martina Niemann

Zurück zu Hause muss Nicolaus jede Menge Daten auswerten. Eines der Unterwasservideos läuft gerade auf seinem Computerbildschirm. Es zeigt, wie sich der Tauchroboter unter dem Eis seinen Weg sucht. Mithilfe des Tauchroboters konnten die Forscher das Eis von unten vermessen, für eine Art topografische Karte vom Meereis. "Wenn man das über ein Jahr macht, kann man sehr gut verfolgen, welche Eistypen stärker schmelzen", erklärt er. Auch die Veränderung des Eises über das gesamte Jahr analysiert er. Diese Daten sind wichtig, um Klimamodelle zu verbessern.

Eis spielt eine wesentliche Rolle, ist aber bislang sehr rudimentär dargestellt in Klimamodellen. Ein Grund, warum Prognosen so weit auseinandergehen.

Marcel Nicolaus, Meereisphysiker

Viele interessiert nun: Was genau hat er herausgefunden? Was bedeuten die Forschungsergebnisse für uns? So schnell geht das aber nicht, macht er klar. "Wir haben nun fünf, zehn oder auch zwanzig Jahre Datenauswertung vor uns." Was klar ist: Das Eis schmilzt. Nach der Rückkehr Mitte Oktober zeichnete Expeditionsleiter Markus Rex ein düsteres Bild: Der Klimawandel sei in der Arktis hautnah spürbar.

Folgen für das Leben im Meer

Ein Mann steht mit warmer Kleidung im Eis.
Das Highlight für Benjamin Rabe: als nach monatelanger Finsternis wieder die Sonne aufging. Bild: Benjamin Rabe

Datenauswerten ist jetzt auch das Alltagsgeschäft von Meereswissenschaftler Benjamin Rabe. Es sind Daten von Messgeräten, die rund um die "Polarstern" im Eis aufgestellt wurden. "Wir haben verschiedene Geräte innerhalb von 40 Kilometern vom Schiff ausgebracht. Die messen Salzgehalt und Temperatur in den obersten paar Hundert Metern des Ozeans", erklärt er.

Seine Daten bringt er nun in Zusammenhang mit all den anderen Messwerten aus der Arktis. "Sodass man ein dreidimensionales Bild von dem kriegt, was da passiert", sagt Rabe. Er erhofft sich genauer sagen zu können, wie sich der arktische Ozean verändert und welche Folgen das für das Leben im Meer hat.

Proben sind in aller Welt verteilt

Alle Messungen, wissenschaftliche Informationen und Daten der Mosaic-Expedition laufen gebündelt zusammen in einem zentralen Mosaic-Speicher. Auch Clara Hoppe hat Zugriff auf den Server. Die Biologin erforscht, wie sich das Ökosystem in der Zentralarktis im Jahresverlauf verändert. Ihr Fokus liegt auf Planktonarten wie zum Beispiel Mikroalgen – winzig kleine Algen, die man mit bloßem Auge nicht sehen kann. Um sie zu untersuchen, filtert sie Wasserproben. "Wir wissen natürlich, wenn es ganz dunkel ist, da können die Pflanzen im Winter keine Fotosynthese machen. Trotzdem gehen wir davon aus, dass das Ökosystem nicht komplett tot ist in dieser Zeit, sondern da passieren Dinge. Und diese Prozesse aufzulösen, das ist eine wichtige Frage", erklärt Hoppe.

Eine Frau guckt auf Behälter mit Wasser.
Clara Hoppe untersucht Wasserproben. Bild: Alfred-Wegener-Institut | Rene Bürgi

Tausende Wasser- und Eisproben lagern gefiltert und eingefroren in den Laboren in Bremerhaven, aber auch in Norwegen oder Japan, den Heimatländern der verschiedenen Forscher. Die Auswertung wird dauern, sagt Hoppe. Am Ende erhofft sie sich aber Antworten auf die Frage, wie wichtig das Meereis für das Ökosystem ist und wie viel CO2 im Meer gespeichert werden kann.

Ich bin sehr gespannt auf die Daten, aber es ist jetzt nicht so, dass es mich stört, dass es noch dauert.

Clara Hoppe, Biologin

Einmaliger Datensatz

Marcel Nicolaus hofft, dass man sich auch noch in vielen Jahren an diese besondere Forschungsreise erinnert: "Ich denke, das Beste, was bleiben kann, ist, wenn in 20 Jahren mal jemand sagt: 'Hey, das haben die doch damals auf der Mosaic-Expedition gemessen.' Aber er ist sich ziemlich sicher, dass das auch so kommen wird: "Dieser gebündelte Datensatz, das wird sicherlich ein Datensatz für Wissenschafts- und auch für Menschengenerationen, der in der Form einmalig ist."

* Das Gespräch wurde vor dem Teil-Lockdown aufgezeichnet.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 16. Oktober 2020, 19:30 Uhr

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