Traum geht in Erfüllung: Ukrainerin arbeitet nun in Bremens Finanzwelt

Yana Makhovska in ihrem Büro
Yana Makhovska aus Odesa schaut in ihrem neuen Büro aus dem Fenster und blickt auf die Passanten auf der Straße. Bild: Radio Bremen

Yana Makhovska wollte schon immer nach Deutschland kommen. Lange gelang es ihr nicht. Jetzt geht ihr Traum in Erfüllung – aber um welchen Preis?

Yana Makhovska aus Odessa schaut aus dem Fenster ihres neuen Büros und blickt auf die Passanten auf der Straße. Die Frau hört nicht auf zu lächeln, während sie einen Rundgang durch ihr neues Büro macht.

Das ist mein Lieblingsbüro! Schauen Sie, wie schön es hier ist! Ich bin verliebt in Bremen. Vom ersten Tag an habe ich gemerkt, dass ich hierher gehöre. Mein Büro liegt in der Nähe der Weser, im touristischsten Viertel Bremens, im Schnoor.

Yana Makhovska aus der Ukraine
Yana Makhovska

Im Alter von 28 Jahren hat Yana Makhovska schon drei Hochschulabschlüsse von der Universität ihrer Heimatstadt Odessa in ihrer Tasche: einen in Ingenieurwesen, einen in IT und einen in Wirtschaft. Obendrein hat sie ein Zertifikat über Deutschkenntnisse auf C1-Niveau.

Vollzeitstelle in der Bremer Finanzverwaltung

Nach der Flucht aus ihrer Heimatstadt aufgrund der russischen Militärangriffe beginnt sie online sofort mit der Arbeitssuche. Weil sie so qualifiziert ist, kann sie aus verschiedenen Stellenangeboten auswählen. Seit fünf Monaten hat Makhovska nun eine offizielle Vollzeitstelle in der Bremer Finanzverwaltung. Der Arbeitsvertrag ist unbefristet. Die Probezeit endet im Oktober, und Makhovska weiß schon jetzt, dass sie auch in Zukunft hier arbeiten wird.

Die Mitarbeiter bleiben lange in diesem Unternehmen. Die meisten von ihnen arbeiten schon seit mehr als 19 Jahren hier. Ich bin begeistert, dass ich hier arbeite. Im August dieses Jahres feierte das Unternehmen sein 75-jähriges Bestehen. Das Ereignis wurde vom Präsidenten der Handelskammer, Eduard Dubbers-Albrecht, gewürdigt – was viel über den Ort aussagt, an dem ich arbeite.

Yana Makhovska aus der Ukraine
Yana Makhovska

Alles, was Makhovska für eine Anstellung benötigte, waren ihre Bildungsabschlüsse, ein Sprachzertifikat und eine Arbeitserlaubnis für Deutschland. Die Aufgaben an ihrem neuen Arbeitsplatz in Bremen sind zu 80 Prozent dieselben wie in der Ukraine: Überwachung von Kreditverträgen, Korrespondenz mit Banken, Liquiditätsberichte und Cash Management.

Der Job erlaubt es ihr bereits, für sich selbst zu sorgen und sogar ein wenig in die Zukunft zu planen: "Ich bezahle meine Wohnung und mein Essen selbst, fahre fast jedes Wochenende in die nächstgelegenen Städte, spiele Tischtennis, gehe ins Fitnessstudio, spare und plane, einen Autokredit aufzunehmen."

Ein Leben in Deutschland ist schon lange ihr Traum

Ein Job und ein Leben in Deutschland sind seit ihrer Kindheit Makhovskas Träume, die sie schon lange anstrebt. Aber sie hätte nie gedacht, dass dieser Traum zu einem solchen Preis in Erfüllung gehen würde.

Yana Makhovska und ihr Mann Mykhailo aus der Ukraine stehen an einem Ufer
Yana Makhovska und ihr Verlobter Mykhailo aus der Ukraine stehen an einem Ufer. Bild: Yana Makhovska

Trotz des Glücks sich ihren Traum erfüllt zu haben, wird Makhovska ständig von Gedanken an die Ukraine und an ihre engsten Angehörigen eingeholt, die dort geblieben sind. Kurz vor Ausbruch des Krieges wollten sie und ihr Verlobter Mykhailo ihre Hochzeit zu Ende planen. Die beiden haben sich an der Universität kennengelernt und die Hochzeit hätte im April stattfinden sollen. Das Restaurant war schon bestellt, der Fotograf genauso und die Gäste eingeladen.

Wir sind seit 10 Jahren zusammen, haben die Hochzeit immer wieder verschoben, erst das Coronavirus, dann etwas anderes. Wer hätte gedacht, dass es einen Krieg geben würde? Also vertage nie das Leben.

Yana Makhovska

Endlich wieder zusammen

Nach einem langen halben Jahr der Trennung sieht Yana Makhovska ihren Geliebten endlich wieder – sie sind nun zusammen in Bremen. Der Verlobte von Makhovska ist Seemann. Er hat es geschafft auszureisen, weil er eine Operation am Knie benötigt: "Als wir uns nach einem halben Jahr wieder trafen, habe ich sehr geweint. Ich konnte ihn nicht eine Sekunde lang gehen lassen. Ich habe mir eine kleine Auszeit von der Arbeit genommen, um bei ihm zu sein, weil ich ihn so sehr vermisst habe. Auch wenn ich nur neben ihm liege und eine Serie schaue, ist das eine wahre Freude."

Yana Makhovska und ihr Ehemann Mylhailo aus der Ukraine
Yana Makhovska und ihr Ehemann Mykhailo aus der Ukraine. Bild: Yana Makhovska

Es war ihr Verlobter, der darauf bestand, dass Makhovska die Ukraine verlässt, als der Krieg begann. Er sagte damals, ihr ganzer Lebensweg führe sie nach Deutschland. Von der ersten Schulklasse an lernt Makhovska intensiv Englisch und Deutsch. Sie bewirbt sich drei Jahre lang für ein Studium an deutschen Universitäten und wird dreimal abgelehnt.

Sie schrieben mir, dass ich zwar gut und klug sei, aber sie bereits Studenten aus 86 Ländern angenommen hätten, und die Ukraine steht nicht auf dieser Liste. Im folgenden Jahr gab es Probleme mit dem Visum. Und im dritten Jahr ist es meine Schuld gewesen, weil ich die Unterlagen anscheinend zu spät geschickt hätte. Ich dachte, ich habe mich nun dreimal beworben – es ist also doch nicht mein Schicksal, in Deutschland zu studieren und zu leben.

Yana Makhovska aus der Ukraine
Yana Makhovska

Nachdem sie sich von ihrem Traum, an einer deutschen Universität zu studieren, verabschiedet hatte, schreibt sich Makhovska a an der Staatlichen Polytechnischen Universität in Odessa ein. Für drei Fakultäten gleichzeitig: das "Institut für Informationssicherheit, Radioelektronik und Telekommunikation", das "Institut für Wirtschaft und IT" und das dritte "Ukrainisch-Deutsche Institut Informatik", wo Yana aufgrund ihrer Prüfungsleistungen sofort für ihr Zweitstudium angenommen wird.

Sie will weiter Deutsch studieren und wählt deshalb eine solche Fakultät. "Alle normalen Studenten hatten drei bis vier Prüfungen in einem Semster, aber ich hatte zwölf. Das war eine Herausforderung. Gleichzeitig war ich Leiterin des Gewerkschaftsbüros und beteiligte mich aktiv an der Organisation von Veranstaltungen und Freizeiten für Studenten."

Yana Makhovska bei der Arbeit vor dem Rechner
Yana Makhovska bei der Arbeit vor dem Rechner. Bild: Radio Bremen | Anna Chaika

In der Ukraine arbeitet Makhovska in einem großen internationalen Unternehmen, das in den Bereichen Logistik, Umschlag und Weiterverkauf von Getreide und Ölfrüchten tätig ist. Jetzt ist sie froh, dort viel gelernt zu haben, was sie nun in Bremen anwenden kann.

Auch Makhovskas Verlobter ist parallel zur seiner Behandlung auf der Suche nach einem Job. Aber der Rest von Makhovskas Familie ist noch in Odessa. Sie kommunizieren per Videochat und sprechen ständig über den Krieg. Sie freuen sich über die Erfolge der Ukraine und leiden mit allen, die ihr Zuhause oder sogar ihr Leben in diesem Krieg verloren haben.

Ich schaue mir keine Fotos aus meinem alten Leben, meinem Haus in Odessa an. Sobald ich sie ansehe, tut es sofort weh. Ich lese zwar jeden Tag die Nachrichten, aber auch das tut weh. Ich hätte nie gedacht, dass es möglich ist, so Hass zu empfinden, denn es ist so ein starkes Gefühl. Aber jetzt fühle ich ihn, weil viele menschliche Schicksale darunter leiden.

Yana Makhovska aus der Ukraine
Yana Makhova

Trotz der Trauer und des Leides um ihre Heimat sieht Makhovska ihre Zukunft in Deutschland. Stück für Stück baut sie sich ihr Leben von Grund auf auf. Schließlich war es schon immer ihr Traum – nur den Weg dahin, hat sie sich anders vorgestellt.

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Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 2. August 2022, 19.30 Uhr