Interview

Letzter Bremer Drogist lieferte Helenenstraße einst "Arbeitsanzüge"

Letzte inhabergeführte Drogerie Bremens schließt

Bild: Radio Bremen | Kristian Klooß

Dem 83-jährigen Wolf Blank gehört Bremens letzte inhabergeführte Drogerie. Ende November schließt er – allerdings nicht aus Altersgründen. Dies ist seine Geschichte.

Herr Blank, Ende November schließen Sie Ihr Geschäft. Freuen Sie sich mit 83 auf den Ruhestand?

Nee, ich kann Ihnen sagen, dass ich mich so ein bisschen übers Kreuz gelegt fühle. Das Haus hat den Eigentümer gewechselt. Und der neue Eigentümer hat mir jetzt gesagt, dass er die bisherige Miete so nicht beibehalten kann. Da habe ich gesagt, er soll dann eine Miete festlegen, die man gut vertragen kann, die reell ist. Und dann würde ich auch noch weitermachen. Da sagte er, er müsse das Haus aber vollkommen renovieren, neue Zimmer, neue Fenster, ein extra Eingang. Das sei so viel. Er bräuchte jetzt statt der bisherigen 1.100 Euro 3.000 Euro. Da habe ich ihm gesagt, so wird das nix. Dann höre ich auf.

Damit endet für Sie eine 65-jährige Berufstätigkeit als Drogist. Ihre Ausbildung hatten Sie noch beim Vater des späteren Bürgermeisters Henning Scherf absolviert.

Ja, der hat damals meine Drogistenprüfung abgenommen. Damals gab es ja noch ganz wenig Drogeriemärkte. Wir hatten damals rund 75 Drogisten pro Jahrgang. Heute gibt es das gar nicht mehr. Wir haben damals mit Engelzungen bei Herrn Rossmann in Hannover vorgesprochen, dass der Drogistinnen ausgebildet. Der wollte aber nur Verkäuferinnen für den Einzelhandel ausbilden. Die waren im Portemonnaie billiger.

Inzwischen gibt es praktisch nur noch große Drogerieketten wie Rossmann oder DM, die in Bremen dominieren. Wie haben Sie sich da über die Jahre behauptet?

Die Sachen, die Rossmann, DM oder Schlecker hatten, die hatten wir auch. Nachher merkten wir aber, da lagen wir falsch. Ich kaufte vielleicht einen Karton mit zwölf Flaschen Haarspray. Gleichzeitig kaufte der Kollege Rossmann eine Lkw-Ladung. Da konnte er andere Preise anbieten. So haben wir damit angefangen, uns auf die Dinge zu konzentrieren, die Drogerieketten nicht hatten und wo die Leute fragten, wo kriege ich das denn?

Chemikalien zum Beispiel, Mittel zur Schädlingsbekämpfung, da müssen Mitarbeiter in Drogeriemärkten erst eine Prüfung ablegen, um die verkaufen zu dürfen. Oder Gesundheitsmittel und Tees.

Was sind denn die Bestseller gewesen?

Mein Vorgänger, von dem ich die Kilia-Apotheke 1990 übernommen habe, hatte Wert auf eine gute Teeauswahl gelegt. Und da haben wir bis heute ganz beliebte Mischungen gemacht. Ob das nun Blasen- und Nierentee ist, Brust- und Hustentee oder Leber- und Gallentee. Die bekommen wir aus dem Harz. Das war immer unser Renner. Ich habe gerade vor einer Stunde noch eine Dame im Laden gehabt, die mich gefragt hat: Wenn Sie nun gar nicht mehr da sind, können Sie mir zumindest das Rezept geben, wieviel von welcher Sorte da drin ist?

Neben Tees haben Sie auch reichlich Produkte, die nicht unbedingt in jedem Standardhaushalt verwendet werden: Salzsäure, professionelle Unkrautvernichter und Insektengifte. Haben Sie sich bei manchen Kunden auch mal gefragt, warum braucht der jetzt zehn Liter davon?

Teeregal in der Kilia-Drogerie von Wolf Blank
Teemischungen wie diese aus dem Harz sind stets die Bestseller in der Kilia-Drogerie gewesen. Bild: Radio Bremen | Kristian Klooß

Nein. Als Drogist hatte ich dafür ja eine Prüfung abgelegt. Ich musste also immer genau wissen, was will der Mann mit dieser Ware. Und welche Mengen braucht er. Und wenn da jetzt ein Handwerker reinkam, der mir sagte, er braucht jetzt zehn Liter Salzsäure oder 20 Liter Aceton, dann weiß ich genau, wofür die das brauchen. Die machen da keine Dummheiten mit. Die müssen zum Beispiel ihre Waren damit reinigen.

Eine gute Beratung ist einfach das wichtigste. Schon als Kind bin ich ja als Flüchtling aus Königsberg nach Bremen gekommen. Ich bin dann als Jugendlicher in die Gärten der Bauern gegangen und habe da gearbeitet. Da hatte ich bald den Bogen raus, wie Johannesbeeren gepflückt, Unkraut gezupft oder Brennnesseln ausgegraben werden müssen. Daher habe ich diesen grünen Daumen und kenne mich bei solchen Dingen gut aus.

Was raten Sie denn zum Beispiel bei einem aktuellen Thema wie Bettwanzen?

Auch die gab es damals schon. Als Flüchtling weiß ich, wie das ist, wenn man Bettwanzen hatte. Da kriegst du heute bei uns eine Flasche Schädlingsbekämpfungsmittel mit. Und wenn du morgens aufstehst, dann legst du altes Zeitungspapier um das Bett rum und sprühst das da drauf. Dann kannst du das später wieder wegnehmen, ohne dass es mit dem Bett oder der Bettwäsche in Berührung gekommen ist.

Haben Sie denn auch bekannte Stammkunden?

Ja, da gab es schon welche. Die kehren hier aber heute nicht mehr ein. Wen Sie und andere Bremerinnen und Bremer vermutlich kennen, ist Kurt Zech. Kurtchen Zech wurde früher in Gröpelingen immer von seiner Mama zu mir geschickt, um was zu holen. Herr Blank, ich muss für meine Mama Nonschalank-Seife kaufen, sagte er dann.

Was für Seife?

Nonschalank.

Ach so, Nonchalance…(Anm. d. Red.: Eine Seifen-Marke, die vor allem früher sehr bekannt war.)

…ja. Kurtchen hat das damals noch etwas anders ausgesprochen. Neben der Familie Zech gab es noch den ein oder anderen bekannten Namen damals in Gröpelingen. Hier im Viertel dann nicht mehr so, das ging ja auch er erst 1990 los.

Wie hat sich das Viertel denn seither aus Ihrer Sicht verändert?

Viel hat sich da nicht getan. Das einzige, was sich verändert hat, ist die Helenenstraße. Damals gab es Damen, das waren Damen. Die kamen dann rüber und sagten: Herr Blank, ich brauche Arbeitsanzüge.

Arbeitsanzüge?

(Er lacht.) Das war damals die höfliche Formulierung für Kondome. Ich habe denen dann gesagt, selbstverständlich. Ich habe die hier aber jetzt nicht fertig abgepackt. Ich bringe die nachher rüber. Wir haben dann ein Klingelzeichen abgemacht und dann habe ich denen die Ware gebracht. Das gibt es zwar heute auch noch ab und zu. Damals waren das aber auch mal reifere Damen, die inzwischen selbst im Ruhestand sind. Wir grüßen uns zum Teil heute noch, wenn wir uns auf der Straße sehen.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 27. November 2023, 19:30 Uhr