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Gefahr durch Terror-Organisation Islamischer Staat?

Seit Monaten beobachten die Behörden eine Zunahme von islamistischer Propaganda und befürchten, dass die Gefahr von Anschlägen wieder steigt. So ist die Lage in Bremen und Bremerhaven.

Neue Gefahr durch Terror-Organisation Islamischer Staat?

Bild: dpa | ZUMAPRESS.com/Dabiq

Wie groß ist die Anschlagsgefahr aktuell?

"Im vergangenen Jahr sind nahezu jeden Monat Personen festgenommen worden, die versucht haben, Anschläge in Deutschland zu begehen", sagt Hazim Fouad, Islamwissenschaftler beim Bremer Verfassungsschutz. Die Aktivität des IS sei aktuell so hoch wie seit Jahren nicht. Das zeige sich in der Zunahme von Propaganda im Internet, aber auch an vereitelten Anschlägen.

Rund um Weihnachten stand etwa der Kölner Dom unter massivem Polizeischutz. Die Behörden waren auf ein Netzwerk von Männern aufmerksam geworden, die einen Anschlag mit einem Auto geplant haben sollen. Die Gefahr, dass sich "insbesondere Einzelpersonen motiviert fühlen, in eigener Zuständigkeit einen Anschlag zu begehen", sei aktuell höher als noch vor ein paar Jahren, sagt Fouad.

Besteht diese Gefahr auch für Bremen und Bremerhaven?

"Wir haben keine konkreten Hinweise darauf, dass es in Bremen oder Bremerhaven zu Anschlägen kommt", sagt Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Aber es gebe eine "latente Gefahr, mit der wir umgehen müssen".

Wie schnell sich junge Menschen radikalisieren können, zeigte sich kürzlich an einem Beispiel aus Bremerhaven. Ein 18-jähriger Tschetschene hatte im Internet Kontakt zum IS aufgenommen – und schließlich von Bremerhaven aus eine Chatgruppe auf dem Messengerdienst Telegram angeleitet. Gemeinsam mit einem 16-Jährigen aus Nordrhein-Westfalen hatte er konkrete Pläne für einen Anschlag gefasst, allerdings konnte die Polizei zugreifen, bevor es zu der Tat kam. Im Oktober verurteilte das Oberlandesgericht Hamburg den Bremerhavener zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten.

Warum nimmt die Gefahr durch den IS aktuell wieder zu?

Zwar hat der IS aktuell nicht mehr die Bedeutung wie noch vor zehn Jahren, als auch von hier Menschen nach Syrien ausgereist sind, um sich der Terrororganisation anzuschließen. 33 Erwachsene und Jugendliche aus Bremen waren es laut Innenbehörde insgesamt.

Zuletzt hat insbesondere der afghanische Ableger, der sogenannte IS-PK, wieder Auftrieb bekommen. In Afghanistan hat er ein Rückzugsgebiet gefunden, von dem aus er operieren kann – und sucht nun in Europa Menschen, die bereit sind, Anschläge zu begehen. Diese Rekrutierung verläuft ausschließlich über das Internet. So war es auch bei dem 18-jährigen IS-Mitglied aus Bremerhaven. Er bekam seine Anweisungen über Telegram direkt aus Afghanistan. "Vor zehn Jahren konnten wir uns auf bestimmte Personen konzentrieren, von denen wir wussten, wo sie sich treffen", so Innensenator Mäurer. "Heute treffen sich die Täter nicht mehr räumlich, sondern im Internet. Das macht es so schwierig."

Wie radikalisieren sich junge Menschen?

Das hat oft erstmal gar nichts mit Politik oder Religion zu tun. Die Jugendlichen sind vielleicht auf der Suche nach Identität, so wie es viele in diesem Alter sind. "Auch eine Krise im familiären Bereich kann ein Auslöser sein", sagt Jonas Wodarz von Kodex, dem Bremer Kompetenzzentrum für Deradikalisierung und Extremismusprävention. Die Ideologie kann jungen Menschen in solchen Situationen Bedeutung verschaffen, darüber bekommen sie Anerkennung. Ein Thema wie der Nahost-Konflikt führt zudem zu einer hohen Emotionalisierung, für die insbesondere Jugendliche empfänglich sind. "So versucht auch der IS, die allgemeine Stimmungslage für seine Propagandazwecke zu nutzen", sagt Verfassungsschützer Fouad.

Welche Erfolge haben Aussteigerprogramme?

In Bremen gibt es seit 2018 das Programm Kodex. Es kümmert sich neben Rechtsextremisten sowie Personen aus der Reichsbürger- und Querdenker-Szene auch um Islamisten, die bereits mit Polizei oder Justiz in Konflikt geraten sind. Denn selbst wenn die Menschen erstmal zu Haftstrafen verurteilt werden, so wie der 18-Jährige aus Bremerhaven, kommen sie irgendwann wieder frei.

Die Berater versuchen deshalb mit den Menschen ins Gespräch zu kommen – Gespräche, die sich oft über Jahre hinziehen, sagt Jonas Wodarz. "Wir fragen dann zum Beispiel: Ist das wirklich das Leben, das du dir vorgestellt hast?" Bei manchen Personen verändere sich mit zunehmendem Alter die Perspektive. Familie oder Job treten in den Vordergrund – und die extremistische Ideologie verblasst. Andere wiederum blieben noch lange ein Thema für die Sicherheitsbehörden.

  • Bremer IS-Rückkehrerin steht in Hamburg vor Gericht

    Laut Anklage war die 34-jährige überzeugte Anhängerin der Terrormiliz Islamischer Staat.

Autor

  • Steffen Hudemann
    Steffen Hudemann Autor

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. Februar 2024, 19:30 Uhr