Streit bei den Bremer Grünen: "Es gibt hier zu viel Beifall"

Grüne stimmen für Koalitionsverhandlungen – und verabschieden Stahmann

Bild: dpa | Focke Strangmann

Minus 5,5 Prozentpunkte bei der Bürgerschaftswahl: Wie sehr das Wahlergebnis die Bremer Grünen noch schmerzt, zeigt sich an den Diskussionen auf der Landesmitgliederversammlung.

"Lieber nicht, hier gibt es zu viel Beifall in diesem Raum!" Karoline Linnert, die ehemalige Fraktionsvorsitzende und Finanzsenatorin der Bremer Grünen hat gerade erst zu ihrer Rede auf der Landesmitgliederversammlung am Samstag angesetzt, als sie diese Worte nach ein paar Klatschern sagt. Und sie wird die Worte – fast mantraartig – wiederholen, immer dann, wenn Applaus aufzukommen droht.

Ihre Botschaft ist eindeutig: Sie findet, die Grünen in Bremen müssen pragmatischer werden. Sie müssen wieder zugänglicher sein für alle Schichten in der Gesellschaft. Menschen überzeuge man mit Argumenten, Respekt und gutem Handwerk und nicht, "indem man mit einer Haltung durch die Welt stapft: Wir haben recht, wir sind die Guten und die anderen haben es eben einfach noch nicht gemerkt."

Es klingt wie eine Grundsatzkritik. Aber Linnert, die in einer Urwahl die Spitzenkandidatur zur Bürgerschaftswahl 2019 gegen Maike Schaefer verloren hatte, ist nicht die einzige, die hart mit der eigenen Partei ins Gericht geht. "Es ist uns in den vier Jahren nicht gelungen, in die Stadt hinein zu wirken", sagt zum Beispiel auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Henrike Müller. Eine grundsätzliche Erneuerung der Grünen fordert auch die scheidende Sozialsenatorin Anja Stahmann. "Die Grünen müssen sich erneuern, die Grünen müssen sich neu erfinden", sagte Stahmann bei der Landesmitgliederversammlung am Samstag.

Richtungsstreit in vollem Gange

In den Augen vieler Grüner ist Maike Schaefer das Gesicht zur Wahlniederlage – und die Verkehrspolitik das Thema, durch das die Grünen Stimmen verloren haben. Die Partei habe zu sehr auf die eigene Klientel geschaut, zu viel Politik für die eigenen Stadtteile gemacht, kritisiert Karoline Linnert. Die Grünen müssten stärker über den Konflikt zwischen Mitte und Peripherie reden.

Ist es wirklich rational, sich in der politisch unglaublich schwierigen Gestaltung der Innenstadt so festzufressen, während in der Peripherie die Fahrradwege zum Teil gar nicht mehr befahrbar sind?

Karoline Linnert, Grünen-Mitglied und ehemalige Bremer Finanzsenatorin

Kritik an der grünen Verkehrspolitik kommt auch von Anja Stahmann: "Bei der Verkehrspolitik haben wir die Leute oft vor den Kopf gestoßen und nicht auf eine mitnehmende Politik gesetzt."

Maike Schaefer
Maike Schaefer musste sich auf der Landesmitgliederversammlung der Bremer Grünen starker Kritik stellen. Bild: dpa | Focke Strangmann

Maike Schaefers Verkehrspolitik also als einziger Grund für die Wahlniederlage? Das will die zurückgetretene Mobilitätssenatorin im Gespräch mit buten un binnen so nicht auf sich sitzen lassen: "Ich glaube, der Verlust an Stimmen hat viele Gründe." Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und CDU, das Heizungsgesetz und nicht zuletzt der Fall Graichen hätten einen Anteil an den Wahlverlusten: "Wir hatten im März noch Prognosen von 19 Prozent und sind dann in kürzester Zeit abgestürzt."

In ihrer Amtszeit sei Schaefer in einem Zwiespalt gewesen: "Von einigen aus der Partei immer weiter getrieben zu werden und auf der anderen Seite eben auch Teile der Stadtgesellschaft, die dafür nicht die Akzeptanz gezeigt haben." Schaefer findet, dass sie einen pragmatischen Mittelweg geliefert habe. Nun müssten sich die Grünen eben für eine Richtung entscheiden.

Diesen Zwiespalt hat diese Partei im Moment und den muss sie für sich dann einmal klären: Wohin soll die Reise gehen?

Maike Schaefer, Spitzenkandidatin der Grünen bei der Bürgerschaftswahl 2023 und ehemalige Mobilitätssenatorin

Schaefer kritisiert mangelnde Unterstützung

Schon bei der Landesmitgliederversammlung wurde Maike Schaefer nur mit einem mäßigen Ergebnis von 72,8 Prozent der Stimmen zur Spitzenkandidatin im Bürgerschaftswahlkampf gewählt. Auch damals gab es schon Kritik an ihrer Person, zum Beispiel an der Kommunikation von Schaefer und ihrem Ressort.

Sie selbst hat sich im Wahlkampf mehr Unterstützung von ihrer Partei gewünscht, sagt Schaefer zu buten un binnen. Sie habe dem Parteivorstand gesagt, dass sie nicht Spitzenkandidatin werden müsse. Dann habe sich aber keine andere gefunden, "und dann erwarte ich schon, dass eine Partei geschlossen hinter der Spitzenkandidatin steht."

Wenn es Kritik an einer Person gibt, dann muss auch jemand anderes den Mut haben, selbst auch zu kandidieren. Das ist nicht passiert.

Maike Schaefer, Spitzenkandidatin der Grünen bei der Bürgerschaftswahl 2023 und ehemalige Mobilitätssenatorin

Ihr Mandat als Bürgerschaftsabgeordnete will Schaefer jedenfalls behalten. Sie habe viele Personenstimmen bekommen, "viele E-Mail aus ganz Deutschland, die mir nicht nur Respekt zollen, sondern auch erwarten, dass ich meine Politik, für die ich stehe, auch weiter mache. Wenn nicht mehr als Senatorin, dann mit einem Mandat."

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 27. Mai 2023, 19:30 Uhr