Was das Land Bremen von Geld aus der Europäischen Union hat

EU-Flagge vor dem Rathaus, Dom und Landtag in Bremen (Montage)
Alleine in das Projekt "Außerbetrieblichen Ausbildungsverbünde" sind nach Angaben aus dem Sozialressort von 2020 bis heute rund 52 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) nach Bremen geflossen – nur ein Beispiel, wie die EU Projekte ermöglicht, die es so sonst nicht geben würde. Bild: dpa | Friedemann Kohler/Caro/Bastian

Bremen hat kaum Geld, aber die EU. Diese Mittel nützen auch Bremen. Wie sehr – das zeigen zwei Beispiele aus der Bremer Arbeitswelt und der Integration von Migranten.

Fast 240 Millionen Euro Fördermittel erhält das Land Bremen in der Zeit von 2021 bis 2027 von der Europäischen Union. Nicht berücksichtigt sind dabei Mittel für die Forschung und für Studierenden, auch nicht die fast 1,2 Milliarden Euro, die Bremen zusammen mit Niedersachsen und Hamburg für die Entwicklung des ländlichen Raums von der EU erhält.

Doch: Was macht Bremen mit dem Geld aus Brüssel? Und: Inwiefern ist Bremen darauf angewiesen? buten un binnen erklärt anhand zweier sozialer Großprojekte, wie Bremen von Mitteln der EU profitiert:

1 Außerbetriebliche Ausbildungsverbünde

Männer beim Pflanzen von Grünpflanzen auf sandigem Boden
Auch für Gartenbau-Berufe haben die Außerbetrieblichen Ausbildungsverbünde Azubis ausgebildet. Bild: Berufliche Bildung Bremerhaven GmbH

In der Corona-Zeit ging es notgedrungen los. "Wir mussten etwas machen, weil die Schulen geschlossen waren und die Betriebe keine Praktikanten annahmen. Die gesamte Berufsorientierung für junge Menschen lag lahm", blickt Andreas Nowacki zurück. Nowacki ist der Geschäftsführer der Beruflichen Bildung Bremerhaven GmbH.

Um trotz geschlossener Schulen und Betriebe junge Menschen fachgerecht ausbilden zu können, riefen Nowacki und sein Team zusammen mit einigen Bildungs- und Beschäftigungsträgern im Mai 2020 die so genannten Außerbetrieblichen Ausbildungsverbünde ins Leben. Die Idee dahinter: Man imitiert in entsprechend professionell ausgestatteten Werkstätten und Büroräumen Ausbildungsbetriebe, um hier jungen Menschen zu einer Berufsausbildung zu verhelfen, die sie andernorts nicht hätten machen können: Friseure, Elektroniker, Metallbauer, Gartenbauer, Bürokaufleute und Verkäufer, um nur einige Beispiele zu nennen. Insgesamt geht es um mehr als 30 handwerkliche, kaufmännische und technische Berufe.

Zunächst, ab Mai 2020, gab es das Projekt ausschließlich in Bremerhaven, ab Oktober 2020 landesweit. Waren es 2020 90 Azubis, denen die Außerbetrieblichen Ausbildungsverbünde zu einem Ausbildungsplatz verhalfen, so profitierten 2021 150 neue Azubis von dem Projekt. 2022 waren es wieder 90, 2023 70 neue Azubis. "In der Spitze hatten wir 319 Ausbildungsplätze belegt, derzeit sind es 231", sagt Nowacki.

Ausbildungsverbünde hoffen auf weiteres Geld

Rund 52 Millionen Euro sind nach Angaben aus dem Sozialressort von 2020 bis heute aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) in die Außerbetrieblichen Ausbildungsverbünde geflossen. Mehr Geld aus dem ESF wird es wohl nicht geben für das Projekt – mit schlimmen Folgen, findet Nowacki: "Das Problem ist, dass es noch immer viele mit Ausbildungsplätzen unversorgte Menschen aus der Corona-Zeit gibt."

Aus diesem Grund seien sich die Kammern und Berufsverbände einig darin, dass die Außerbetrieblichen Ausbildungsverbünde auch künftig die Möglichkeit bekommen müssten, weitere Azubis auszubilden. "Letztlich ist mir ist egal, woher das Geld kommt", sagt Nowacki dazu: "Hauptsache, es kommt." Dass es der Beruflichen Bildung Bremerhaven GmbH dank des ESF überhaupt möglich gewesen ist, das Projekt zu starten und Jahre lang am Laufen zu halten, das sei "von unschätzbarem Wert für Bremerhaven, für Bremen und die ganze Region", fügt er hinzu.

2 Gateway Bremen

Ursprünglich ging es bei "Gateway" (auf Deutsch: Tor) "nur" um junge, unbegleitete Flüchtlinge. Inzwischen richtet sich das Projekt des Zentrums für Schule und Beruf beim Deutschen Roten Kreuz Bremen an alle Neuzugewanderten in Bremen und in Bremerhaven. "Gateway steht für niedrigschwellige Beratungsangebote. Wir können flexibel auf die aktuellen Bedarfe reagieren", sagt dazu Markus Saxinger vom Roten Kreuz.

Etwa 6,8 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) fließen laut Sozialressort seit 2022 bis 2024 in "Gateway", für das es drei Vorgängerprojekte gab. "Ohne das Geld aus der EU gäbe es das Projekt gar nicht“, sagt Saxinger zur Bedeutung der EU-Mittel und skizziert grob, was "Gateway" alles leistet:

  • Bei der Sprachberatung erklären die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gateway Zugewanderten in Bremen wie in Bremerhaven auf Deutsch, Englisch, Türkisch, Französisch und Spanisch, welche Sprachkurse sich in ihrem Stadtteil weshalb am besten für sie eignen. 858 Personen haben dieses Angebot von Gateway im Jahr 2023 genutzt..
  • Kursangebote: Gateway versteht sich zwar als Bindeglied in bestehenden Strukturen und zwischen bereits vorhandenen Kursen. Dennoch bietet Gateway auch eigene Kurse an, darunter Deutschkurse für Menschen mit Beeinträchtigungen sowie Jugendintegrationskurse mit sozialpädagogischer Betreuung. An letztgenannten haben Saxinger zufolge bisher 227 Personen teilgenommen..
  • Unter der Dachzeile Clearing Point – Sans Papiers berät Gateway Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere – ebenfalls in verschiedenen Sprachen. Wie Saxinger mitteilt, haben allein von Juni bis Ende des Jahres 2023 33 Personen diese so genannte Legalisierungsberatung genutzt..
  • Bei der quartierbezogenen Beratung unterstützt Gateway Geflüchtete im arbeitsfähigen Alter dabei, auf dem Arbeitsmarkt Tritt zu fassen. Die Unterstützung reicht von der von der Anmeldung für die Schule über die Suche nach Ausbildungsplätzen bis hin zum Umgang mit den Behörden. Voriges Jahr hat Gateway laut Saxinger 405 Personen neu in diese Beratung aufgenommen..

Zwar läuft die Finanzierung Gateways zum Jahresende aus, wie Nina Willborn aus dem Sozialressort mitteilt. Sie sagt aber auch: "Es wird also auf jeden Fall eine Nachfolge geben." Das gelte zumindest für Teilbereiche. Derzeit klärten die zuständigen Stellen, darunter das Deutsche Rote Kreuz, das Sozialressort, das Bundesamt für Migration und Flüchtliche sowie das Jobcenter, wie die Finanzierung künftig aussehen könne.

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Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 29. Mai 2024, 19:30 Uhr