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Wahl-Erfolg: Darum konnten BiW in Bremen und Bremerhaven so zulegen

Mehrere Personen klatschen und schwenken Fähnchen.
Bild: dpa | Philip Dulian

Die Bürger in Wut (BiW) haben bei der Bremer Bürgerschaftswahl stark zugelegt, in Bremerhaven liegen sie auf Platz zwei. Woher kommen die Stimmen und was bedeutet das Ergebnis?

Wie fallen erste Reaktionen auf das BiW-Ergebnis aus anderen Parteien aus?

Besonders das Bremerhavener Ergebnis schockiert viele Parteivertreter. Im Land haben die BiW nach Hochrechnungen aus der Wahlnacht 7,1 Prozentpunkte zugelegt, in Bremerhaven fällt das Plus mit 15 Prozentpunkten sogar zweistellig aus. Die dortige CDU-Bürgerschaftsabgeordnete und Spitzenkandidatin Christine Schnittker sagt, die Partei müsse sich jetzt Gedanken machen, wie man auf die Protestwähler reagiere.

Das Ziel war stärkste Kraft zu werden, genauso wie in Bremen. Das haben wir nicht erreicht. Jetzt müssen wir gucken, inwieweit da Protestwähler eine Rolle gespielt haben und genau schauen, warum die bei uns nicht ihr Kreuz gemacht haben, wenn sie gegen Rot-Grün protestieren wollten.

Die Abgeordnete der CDU, Christine Schnittker.
Christine Schnittker, Spitzenkandidatin für die CDU in Bremerhaven

Für den Bremerhavener SPD-Spitzenkandidat Martin Günthner ist klar, dass die BiW am rechten Rand Stimmen gesammelt habten.

Es ist so, dass es in Bremerhaven immer starke Ergebnisse für rechtsradikale und rechtsextreme Parteien gab, teilweise schon in den 1950er-Jahren. Und die Bürger in Wut, die ja immer so tun, als wären sie eine konservative Partei, sammeln hier offenbar komplett die rechtsradikalen Wählerinnen und Wähler der AfD ein. Die sind rechtsoffen und das zeigt dieses Ergebnis dann auch.

Was, wenn wir Sie wählen, Herr Günthner?
Martin Günthner, Spitzenkandidat für die SPD in Bremerhaven

Auch von den Linken (6,1 Prozent in Bremerhaven) ist zu hören, man müsse jetzt klarer Kante gegen Rechts zeigen. Das sagt auch Sülmez Çolak von den Grünen (13 Prozent in Bremerhaven).

Ich glaube auch, dass einige Wähler aus anderen Parteien dorthin gewandert sind und auch einige Nichtwähler die BiW gewählt haben. Was mir persönlich sehr wichtig ist, dass wir in der Bremischen Bürgerschaft mit allen demokratischen Parteien klare Kante gegen Rechts deutlich zeigen müssen in den nächsten vier Jahren.

Eine Frau lächelt in die Kamera.
Sülmez Çolak, Spitzenkandidatin für die Grünen in Bremerhaven

Was sind Gründe für den Erfolg der Bürger in Wut?

Den Bürgern in Wut ist es offensichtlich gelungen, frustrierte und unzufriedene Menschen zu erreichen. Dabei haben sie mit Themen wie Zuwanderung, innerer Sicherheit und Autoverkehr gepunktet. Für den BiW-Gründer und Bremerhavener Spitzenkandidat Jan Timke ist klar, dass seine Partei auch bei CDU, SPD und anderen Stimmen abgegriffen haben.

Wir waren Sammelbecken für Unzufriedene, das ist richtig. Ob das nun alles Protestwähler sind, da kann man auch nochmal unterscheiden. Aber grundsätzlich sind wir eine konservative Wählervereinigung und ich glaube, wir haben ganz viele Konservative für uns gewinnen können, die eben nicht mehr mit der CDU zufrieden waren.

Jan Timke ist Vorsitzender und Mitbegründer der 2004 gegründeten rechtspopulistischen Wählervereinigung Bürger in Wut (BIW).
Jan Timke, Spitzenkandidat für die BiW in Bremerhaven

Inhaltlich gibt es in Bremerhaven Vorwürfe, die Landesregierung kümmere sich zu wenig um die Stadt. Eingestürzte Kajen, der kollabierte Molenturm – Themen, für die der Senat zuständig ist. Aber auch Arbeitsplatzabbau und fehlende Perspektiven im Hafen oder ein mangelndes Sicherheitsempfinden zählen für manche Menschen in Bremerhaven dazu.

Hinzugekommen sind Wählerinnen und Wähler der AfD, die gewechselt sind, weil diese bei der Bürgerschaftswahl nicht antreten durfte. Laut Infratest Dimap haben zwei Drittel der BiW-Wählerinnen und -wähler gesagt, dass sie von den anderen Parteien enttäuscht sind.

Von wem konnten die BiW bei dieser Wahl konkret profitieren?

Am meisten erwartungsgemäß von der AfD: 7.000 AfD-Wähler machten ihr Kreuz landesweit bei den BiW – die AfD durfte ja nicht antreten. Von der CDU kamen 3.000 Wählende zu den BiW, von der SPD 1.500. Interessant: Auch vom anderen Ende der politischen Skale wechselten Wählerinnen und Wähler zu den BiW: Von den Linken und den Grünen waren es jeweils 500.

Auch bei den Nichtwählern konnten die Bürger in Wut mobilisieren. Hier überzeugten sie 2.000 Menschen davon, ihre Stimme doch für sie abzugeben. Unter den Erstwählern erhielten die BiW Stimmen von 500 Menschen. Übrigens wendeten sich auch Wählerinnen und Wähler von den BiW ab. 500 Wahlberechtigte wanderten zur SPD. Die 1.000 anderen Abwanderungen sind Verstorbene und Weggezogene. Dies sind die Landeszahlen – in den beiden Städten könnten die Wanderungsbewegungen ziemlich abweichen. Zahlen hierzu liegen aber noch nicht vor.

Was bedeutet die starke BiW-Position jetzt für die künftige Regierung?

Parteiforscher wie Andreas Klee von der Uni Bremen gehen davon aus, dass die BiW das Tagesgeschäft massiv beeinflussen wird. Schließlich kommt sie zum ersten Mal in Fraktionsstärke in die Bürgerschaft. Es sei eine größere inhaltliche Spaltung innerhalb des Parlaments zu erwarten, weil die politischen Ränder noch weiter auseinandergegangen seien.

In der Vergangenheit waren die BiW auch schon mehrere Male erfolgreich mit Klagen, zum Beispiel gegen den Bremerhavener Magistrat – etwa als es um die mangelnde Informationspolitik und Stellenbesetzungen ging. Wie auch immer die neue Regierung aussieht: Es wird spannend werden, wie sich die Lage im Parlament mit den BiW entwickelt.

Bürger in Wut verzeichnen bei Bürgerschaftswahl deutlichen Zuwachs

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 15. Mai 2023, 8:40 Uhr