Als am Bunker Valentin ein junges Kurden-Paar brutal ermordet wurde

Passfotos von Serif Alpsozmann und Ayse Dizim
Noch nie habe er eine so sinnlose Quälerei gesehen, sagt ein Kommissar. Bild: Radio Bremen / Harald Jo Schwörer | Montage

Der "Bunkermord" vor 20 Jahren ist eines der abscheulichsten Verbrechen, das in Bremen je begangen worden ist. Der mutmaßliche Drahtzieher kam bisher ungestraft davon.

Der Morgennebel hängt über der Weser. Hinterm Deich erreicht die Sonne langsam den U-Boot-Bunker Valentin, ein graues Beton-Ungetüm aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Platzwart vom nahen Campingplatz "Kap Hoorn" macht sich am frühen Morgen des 24. August 1999 auf den Weg, Brötchen für die Urlauber zu holen. Ein ganz normaler Sommertag – bis er auf dem gepflasterten Weg am Bunker einen umgekippten Rollstuhl entdeckt. Daneben liegt ein junger Mann in einer Blutlache. Zweimal richtet er sich noch auf. Dann ist er tot.

Ein brutales Verbrechen

Die Gerichtsmediziner werden später bei der Obduktion feststellen, dass der Mann mindestens elf Mal mit einem harten, schweren Gegenstand auf den Kopf geschlagen worden ist. Er hat mehrere Schädelbrüche, Gehirnquetschungen und eine Gehirnblutung erlitten. Außerdem ist er getreten und mindestens zwei Mal mit einem Auto überfahren und dabei mitgeschleift worden. Er hat Abschürfungen am ganzen Körper. Mehrere Zähne sind ausgeschlagen, mehrere Rippen gebrochen. Die Polizei entdeckt wenig später im Schlick hinter dem Weserdeich eine Schleifspur, die zu sie zu einer toten Frau führt. Jemand hat ihr Gesicht so lange in den Schlick gepresst, bis sie erstickt ist. Die Toten werden schnell identifiziert. Es sind Ayse Dizim, 18 Jahre alt, und Serif Alpsozman, 23.

Am Tag danach verkündet Kripochef Eckard Mordhorst, dass zunächst gegen die Angehörigen der getöteten Ayse ermittelt werde, weil ihr Vater die Beziehung zu Serif vehement abgelehnt habe. Der Verdacht bestätigt sich nicht.

Eine Liebe, die nicht sein darf

Ayse Dizim schiebt Serif Alpsozman im Rollstuhl auf einer PKK-Demo
Ayse Dizim und Serif Alpsozman bei einer PKK-Demo 1999 in Berlin. Bild: Radio Bremen

Alpsozman ist ehemaliger Kämpfer der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Er ist bei Auseinandersetzungen mit der türkischen Polizei oder Armee angeschossen worden und deshalb querschnittgelähmt. Für die PKK ist er ein Ghazi, ein Kriegsheld, mit dem die Partei gerne Propaganda betreibt. Alpsozman kommt in Bremen unter bei einer kurdischen Familie. Und es passiert, was nicht passieren darf: Der Ghazi verliebt sich in die Tochter des Hauses. Für die Familie geht das gegen die strenge Familienehre und die Regeln der Gastfreundschaft, und für die PKK gegen die ebenso strenge Parteidisziplin.

Ayse Dizim und Serif Alpsozman stehen also unter einem gewaltigen Druck – aber sie lassen sich ihre Liebe nicht verbieten. Gegen den Willen von Familie und Partei heiraten sie heimlich nach kurdischem Ritus und ziehen in eine eigene Wohnung in Bremen-Huckelriede. Dort leben sie sehr zurückgezogen hinter vorgezogenen Gardinen und heruntergelassenen Rollläden. Das junge Liebespaar hat Todesangst. Zu recht, wie sich bald herausstellt. Ende August werden sie abgeholt und in eine Wohnung nach Osterholz-Scharmbeck gebracht. Ganz in der Nähe treffen sich hochrangige PKK-Funktionäre. Die späteren Ermittlungen ergeben: Dort ist wohl ihr Todesurteil gefällt worden. Mitten in der Nacht fahren ihre Bewacher mit ihnen zum Bunker Valentin. Am Morgen sind Serif Alpsozmann und Ayse Dizim tot.

PKK-Funktionär entkommt ungestraft

Die eigentlichen Täter werden schnell ermittelt und Ende August verhaftet. Es sind kurdische Jesiden und sie gehören zum Fußvolk der PKK in Deutschland. Einer gesteht die brutale Tat. Doch zu den Hintergründen schweigt er. Dann wird zufällig bei einer Verkehrskontrolle ein PKK-Funktionär verhaftet. Beim Verhör sagt er aus, dass der ehemalige Gebietsverantwortliche für Bremen mit dem Decknamen Servet hinter dieser Tat stehe. Staatsanwalt Uwe Picard geht von nun ab von einem Auftragsmord aus. Wegen eines Machtkampfes in der PKK? Oder weil der Volksheld, der Ghazi im Rollstuhl, gegen die Parteidisziplin verstoßen hat? Das wird nie ganz geklärt.

Justizpanne: Tathelfer beim Bunkermord bisher ungestraft (2015)

Bild: Radio Bremen

Die vier Täter wandern bis zu 15 Jahre ins Gefängnis. Der mutmaßliche Drahtzieher Abidin K., Deckname Servet, dagegen ist frei. Und ist damit wie vom Erdboden verschluckt. Alle Fahndungen bleiben erfolglos. Und Männer, die mutmaßlich das Auto zur Verfügung stellten und hinterher Spuren beseitigten, kommen ganz um einen Prozess herum. 2014 deckt Radio Bremen auf: Die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen diese vier Männer blieb mehr als 14 Jahre unbearbeitet beim Bremer Landgericht liegen. Und dann war es zu spät für einen Prozess.

Serif Alpsozmann und Ayse Dizim wurden auf dem Osterholzer Friedhof begraben. Nebeneinander. Kein Stein, kein Name erinnert an sie. Die Gräber sind überwuchert.

Beitrag hören:

Autor

  • Jochen Grabler
    Jochen Grabler Redakteur und Autor

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Die Chronik, 24. August 2019, 6:20 Uhr

Archivinhalt