Interview

Deshalb war Bremen auch schon vor 200 Jahren ein beliebtes Reiseziel

Historische Luftaufnahme vom Stadtzentrum Bremen, 1934
So sah Bremens Panorama im Jahr 1934 aus. Bild: dpa | arkivi

Bremen war schon immer ein beliebtes Reiseziel. Das zeigen auch historische Reiseführer, die jetzt in einer Ausstellung in Bremen zu sehen sind.

Die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen präsentiert vom 11. Oktober 2023 bis zum 14. Januar 2024 historische Reiseführer in der Ausstellung "Bilder einer Stadt. Bremen in alten Reiseführern". Die Kuratorin Maria Hermes-Wladarsch hat die Ausstellung konzipiert.

Ein Foto von Dr. Maria Hermes-Wladarsch
Maria Hermes-Wladarsch verantwortet den Bereich der historischen Sammlungen an der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen. Bild: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Warum gerade Reiseführer, Frau Hermes-Wladarsch?

In der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen befindet sich eine recht umfangreiche Sammlung historischer Reiseführer zu Bremen. Mit diesen Reiseführern habe ich mich im Zuge der wissenschaftlichen Bearbeitung unserer Bestände befasst. Dabei fiel mir auf, dass es generell wenig Forschung und keine Ausstellungen zu dem Thema gab. Reiseführer sind ja auf Aktualität ausgelegt und werden dann oftmals entsorgt. Ich habe daher die Geschichte der Reiseführer zu Bremen erstmals erforscht und 2016 bereits einen Beitrag im Bremischen Jahrbuch dazu veröffentlicht. So entstand die Idee zur Ausstellung.

Was gibt es in der Ausstellung zu sehen?

Die Ausstellung beschäftigt sich mit Reiseführern zu Bremen und damit, was diese ausmacht. Die ausgestellten Reiseführer reichen vom 19. Jahrhundert bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Mit dabei ist der erste Reiseführer Bremens, der 1839 im Schünemann Verlag erschienen ist. Auch Karten und Stadtpläne sind ausgestellt. Dies ist für Besucherinnen und Besucher der Ausstellung besonders interessant, da sie sehen können, wie sich die Stadt entwickelt hat.

Historischer "Wegweiser durch Bremen und Umgebung"
Der älteste Reiseführer Bremens aus dem Jahr 1839 Bild: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Wie kam es zur Entstehung der Reiseführer?

Um 1800 begaben sich vor allem junge Männer aus dem Bürgertum und dem Adel auf lange Bildungsreisen. Ziel dieser Reisen war, im Sinne humanistischer Bildung die Sitten, Gebräuche und Kulturen (auch innerhalb der deutschen Lande) möglichst vollständig kennenzulernen. Das änderte sich in den 1830er Jahren zunehmend. Es waren immer noch männliche, bürgerliche Reisende, aber sie verfügten über ein begrenztes zeitliches und finanzielles Budget. Ab dann galt also "das Ziel ist das Ziel" und nicht mehr der Weg. Diese Entwicklung ist eng mit der Entstehung der Eisenbahn verknüpft, auf die wir auch in der Ausstellung eingehen.
In diesem Zuge kamen die Reiseführer auf. Anders als lange Verschriftlichungen von Reisen waren diese sehr effizient und fokussierten sich auf die verschiedenen Sehenswürdigkeiten.

Die Reiseführer nahmen dem Reisenden – der jetzt als Tourist bekannt war – einen bedeutenden Teil der Planung ab.

Ein Foto von Dr. Maria Hermes-Wladarsch
Dr. Maria Hermes-Wladarsch

Was waren damals die Höhepunkte der Stadt?

In Bremen war es auf jeden Fall immer die Altstadt innerhalb der ehemaligen Stadtmauern. Dazu gehörten dann der Roland, das alte Rathaus und die alte Stadtbibliothek – quasi der Vorläufer der heutigen Staats- und Universitätsbibliothek. Damals befand die sich noch direkt am Hauptbahnhof, wo heute Überseemuseum und Cinemaxx stehen.
Mit der Zeit wurden auch der Bürgerpark und die modernen Seiten Bremens mit den Häfen und der Industrie interessanter. Im letzten Viertel des Jahrhunderts erscheint schließlich Bremerhaven in den Reiseführern.
In allen Reiseführern finden sich Rundgänge, die Bremen genau darauf reduzieren. Es finden sich Darstellungen, wo man hingehen soll, wenn man wenig Zeit hat, und es werden konkrete Adressen genannt, wie der Bleikeller, Ratskeller oder auch private Adressen.

Private Adressen?

Ja genau, mit dem konkreten Hinweis zur Besichtigung: An diese Person kannst du dich wenden, wenn du den St. Petri Dom besichtigen möchtest. Für den Fall, dass man außerhalb der Öffnungszeiten kommt, wird dann auch die Privatadresse angegeben. Das würde es so heute sicherlich nicht geben.
Für die Besucherinnen und Besucher war diese Form der individuellen Ansprache sicher sehr gut. Doch durch diese genauen Angaben wurden die Führer sehr schnell vergänglich. Aber es ist spannend zu sehen, wie sich zum Beispiel auch die Öffnungszeiten verändert haben, die Reiseführer werden somit zu einer wertvollen Quelle zur Kulturgeschichte der Stadt Bremen.

Historischer Stadtführer von Bremen auf Englisch "Guide through Bremen" mit gezeichnetem Roland.
Einer der ersten englischen Reiseführer zu Bremen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Bild: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Wie hat sich denn die Darstellung von Bremen allgemein im Laufe der Zeit verändert?

Prinzipiell kann man sagen, dass es sich bei den Reiseführern zunächst um eine Selbstdarstellung des Bürgertums handelt. Abgebildet werden die traditionellen Werte der Stadt.
Rein bildlich haben die Medien sich mit der Zeit verändert. Der erste Reiseführer kommt vollständig ohne Bilder aus – es handelt sich nur um Text und trotzdem stellt es Bremen dar. Später kamen dann Zeichnungen hinzu und Ende des 19. Jahrhunderts wird die Fotografie eingesetzt.
Die Darstellung der Sehenswürdigkeiten ist aber immer sehr ähnlich: Der Roland wird immer aus derselben Perspektive gezeigt, das Rathaus immer von vorne, immer ist die Bremer Schlachte zu sehen und so weiter.
Trotzdem ist es aber auch so, dass viele Bilder und gerade Karten auch sehr lange verwendet wurden und demzufolge nicht immer aktuell waren. Beim Bürgerpark ist es z.B. immer die grüne Darstellung, die noch im 20. Jahrhundert verwendet wurde und die heute auch die Pläne des Parks ziert. Auch dieser Plan wird in der Ausstellung gezeigt.

Historischer Lageplan des Bremer Bürgerparks mit Legende.
Darstellung des Bremer Bürgerparks Bild: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen

Hatten die Reiseführer einen Einfluss darauf, welche Orte in Bremen heute besonders beliebt sind?

Ich denke, dass sie auf jeden Fall einen Einfluss darauf hatten. Orte, die ausgeklammert wurden, sind dann auch nicht so bekannt geworden. Genauso wurden Orte, die schon beliebt waren, noch beliebter.

Warum lohnt sich die Ausstellung?

Sie lohnt sich, weil man Bilder sehen kann, die man so noch nicht gesehen hat. Man kann sehen, wie die eigene Stadt sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Und die Ausstellung bietet auch eine gedankliche Anregung: Was ist mir selbst in meiner Stadt wichtig? Das finden die meisten Menschen spannend, wenn man sich selbst in Beziehung setzen kann und sich die eigene Stadt auf diese Weise aneignet.

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    Alina Fischer Autorin