Infografik

Mehr Geld für bessere Versorgung? So begründen Ärzte den Streiktag

Ein Patient wird in einem Kernspintomografen untersucht (Symbolbild)
Teure Anschaffungen wie Kernspintomographen steigern die Kosten für Arztpraxen. Ohne angemessene Honorare können diese sich das nicht mehr leisten, argumentieren sie. Bild: dpa | Bernd Wüstneck

Wie bedroht ist die medizinische Versorgung in Bremen, Bremerhaven und umzu? Und wieviel verdienen Ärzte eigentlich? Diese Zahlen geben Antworten.

"Kaputtgespart" und "ausgeblutet", so beschreibt der Verband der niedergelassenen Ärzte den Zustand der Praxen in Deutschland. Die Ärztinnen und Ärzte warnen daher an diesem Montag vor einer drohenden Unterversorgung.

Für Bremen, Bremerhaven und umzu existiert diese den statistischen Daten der Kassenärztlichen Vereinigung zufolge schon heute.

Hausärzte-Versorgungsquote in Bremen, Bremerhaven und umzu

Bedarfsplanung Hausärzte < 70 71–80 81–90 91–100 101–110 111–120 ≥ 120 B r emen 105,6 B r emerh a v en 96,9 Sulingen Oldenbu r g Cuxh a v en Sy k e
Quelle: KV Bremen, KV Niedersachsen, Stand 2022

Angestrebt wird dabei eine Versorgungsquote von 110 Prozent, was im Land Bremen einer rechnerischen Versorgung von 1.616 Patienten pro Arzt entspricht. So sollen auch kurzfristige Ausfälle und Spitzen abgefedert werden. In der Stadt Bremen liegt die Quote der Kassenärztlichen Vereinigung zufolge allerdings aktuell nur bei 105,6 Prozent. In Bremerhaven sind es sogar nur 96,9 Prozent.

Noch problematischer sei es, wenn einzelne Stadtteile betrachtet würden, sagt der Bremer Ärztesprecher Stefan Trapp, der eine Kinderarztpraxis in Bremern-Huchting betreibt. "So gibt es beispielsweise in der Überseestadt bislang keine Kinderärzte", sagt er. Auch die Schließung von Hausarztpraxen wie zuletzt in Woltmershausen, führe zum Teil dazu, dass Patienten wegen der hohen Auslastung der in Woltmershausen und umzu ansässigen Praxen auf Ärztinnen und Ärzte in entfernten Stadtteilen ausweichen müssten.

Im Bremer Stadtteil Woltmershausen droht der Hausärztemangel

Bild: Radio Bremen

Noch schwieriger ist die Hausärzteversorgung in vielen umliegenden Gemeinden des Landes Bremen. So gibt die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen beispielsweise für an Bremerhaven grenzende Gemeinden wie Schiffdorf und Loxstedt eine Versorgungsquote von 71,8 Prozent an. Nördlich Bremerhavens liegt die Versorgung in der Gemeinde Geestland bei 86,3 Prozent.

Auch im Süden der Stadt Bremen ist die Hausärzte-Versorgung auf dem Land dünn. In den Gemeinden rund um Syke liegt sie bei nur 73,4 Prozent. Noch südlicher in Sulingen und umzu sogar nur bei 69,5 Prozent.

Zur Einordnung: Ab einer Quote von unter 75 Prozent gilt eine Gemeinde der Kassenärztlichen Vereinigung zufolge als "unterversorgt".

Bremer Ärzte versorgen das Umland mit

Die Folge der flächendeckenden Versorgungslücken, die vor allem auf dem Land existieren, bekommen auch Bremer Ärztinnen und Ärzte zu spüren.

Wir merken das ganz konkret bei uns in der Praxis.

Ein Mann mit grauen Haaren, Bart und Brille sitzt vor einem Monitor und schaut in die Kamera.
Kinderarzt in Bremen-Huchting

"Anfragen sind sogar schon aus Wilhelmshaven gekommen, weil dort keine neuen Patienten mehr angenommen werden", sagt der Kinderarzt Stefan Trapp, der sich in Bremen-Huchting niedergelassen hat. Schon jetzt versorge seine Praxis auch Patientinnen und Patienten aus angrenzenden niedersächsischen Gemeinden wie Stuhr oder Delmenhorst mit.

Streit mit Lauterbach um Honorare

Patienten am Empfang einer Arztpraxis (Symbolbild)
Viele Ärzte in Bremen, Bremerhaven, aber vor allem im ländlichen Raum umzu, haben keine Kapazitäten mehr für neue Patienten. Bild: dpa | Klaus Rose

Die Debatte um die Forderung der Ärzteverbände nach einer besseren Finanzierung sei zuletzt an der eigentlichen Problematik vorbei geführt worden, sagt Trapp. So hatte sich unmittelbar vor dem Protesttag der Ärzteschaft Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) über die Internet-Plattform X (früher Twitter) zur Forderung nach mehr Geld geäußert. "Am Brückentag schließen viele Praxen, wie die Apotheker wollen auch sie mehr Geld. Im Mittel (Median) verdienen sie aber nach Abzug aller Kosten um die 230.000 Euro pro Jahr", schrieb Lauterbach dort. Und er stellte die Frage: "Soll der Beitragssatz für Arbeitnehmer steigen, damit das Honorar weiter steigt?"

Der Virchowbund, der federführend zum Protesttag aufgerufen hatte, kam hier zu anderen Summen. Statt des von Lauterbach genannten "Praxisüberschusses" von 230.000 Euro nennt der Verband einen entsprechenden Betrag von 172.903 Euro im Jahr. Das Nettoeinkommen niedergelassener Ärzte liege, abzüglich Altersvorsorge, Kranken- und Pflegeversicherung sowie Einkommenssteuer, bei 85.555 Euro.

10,2 Prozent gefordert, 3,85 Prozent bekommen

Trapp wiederum betont, dass die Kosten der Praxen nur zu einem kleinen Teil auf die Honorare der niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen zurückzuführen seien. Stattdessen würden die Praxen unter hohen Energiekosten und Inflation ächzen. "Wir haben auch die Situation, dass unser Personal gute Tarifsteigerungen bekommen hat, auch zurecht", sagt Trapp. Und dies würde in Praxen den Großteil der Personalkosten ausmachen.

Zuletzt hätten die Ärztinnen und Ärzte – erstmals seit langer Zeit – wieder zweistellige Honorarzuwächse von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gefordert. Doch von der Forderung von 10,2 Prozent sei am Ende nur eine Steigerung um 3,85 Prozent übrig geblieben. "Anders als bei den Kliniken wurden die Preise der in den Praxen ambulant erbrachten Leistungen von den Krankenkassen seit über zehn Jahren immer unterhalb der Inflationsrate angepasst", sagt Trapp. "Unter diesen Bedingungen können wir die steigenden Kosten nicht mehr erwirtschaften und notwendige Zukunftsinvestitionen bezahlen."

HNO-Ärzte streiken: Bremer Mutter will nicht länger auf OP warten

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 2. Oktober 2023, 19:30 Uhr