Interview

AWI-Experte zur Weltklimakonferenz: "Täter-Opfer-Bild hilft wenig"

Ein Mann mit Brille und Krawatte blickt in die Kamera.
Bild: dpa | Frederic Kern/Geisler-Fotopress

Der Klimagipfel in Ägypten geht wohl in die Verlängerung – zu uneins sind die Länder. Der Bremerhavener Forscher Hans-Otto Pörtner sieht die gesamte Menschheit in der Verantwortung.

Zwei Wochen wurde bei der UN-Klimakonferenz COP27 in Scharm el Scheich in Ägypten über das Klima diskutiert und nach Lösungsmöglichkeiten zum Thema Erderwärmung gesucht. Am Freitagnachmittag sollte sie planmäßig enden. Es sieht jedoch danach aus, als ob die Konferenz in eine Verlängerung geht – denn zu groß ist die Uneinigkeit unter den Teilnehmenden, was gemeinsame Linien betrifft. Verhandelt wird etwa noch über Ausgleichszahlungen für Klimaschäden wie Dürre, Stürme oder Meeresspiegelanstieg. Hans-Otto Pörtner ist Klimaforscher am Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven und war noch bis Mittwoch in Ägypten – so lautet seine Einschätzung zum Klimagipfel.

Mit welchem Gefühl kehren Sie von der Weltklimakonferenz zurück?

Was unsere persönlichen Aktivitäten angeht, mit unserer Aufgabe, die Politik über wissenschaftliche Erkenntnisse zu Auswirkungen des Klimawandels, Klimaziele und Anpassung zu informieren, sind wir eigentlich sehr zufrieden. Wir haben das getan, was wir uns vorgenommen haben.

Was man aus dem Verhandlungsbereich gehört hat und auch zum Teil selbst verfolgen konnte, ist weniger befriedigend. Weil sich eigentlich atmosphärisch und strategisch kein Durchbruch zeigt.

Viele arme Länder leiden besonders unter dem Klimawandel, für den wenige reiche Länder verantwortlich sind. Für Klimaschäden werden nun Ausgleichszahlung gefordert – welche Lösungen gibt es da?

Da sind verschiedene Modelle diskutiert worden. Aber zunächst möchte ich in Frage stellen, dass wir ein Täter-Opfer-Bild weiterverfolgen, was in den Diskussionen auch dominiert. Die gesamte Menschheit, die fossile Energieträger nutzt und zu den Emissionen beiträgt, ist hier aufgerufen, eine gemeinsame Verantwortung zu tragen.

Das Bild Täter-Opfer hilft wenig. Und das Bild, dass die Industriestaaten die Täter sind, hilft meiner Ansicht nach auch nicht, um diese Konfliktlage richtig aufzulösen. Wir brauchen eine Strategie der gemeinsamen Verantwortung, wo jeder einen Beitrag leistet. Da kann der Beitrag zu den Emissionen historisch und aktuell eine Orientierung sein.

Der Schutzschirm, der von der Bundesregierung vorgetragen wurde, ist ein Hilfsmodell. Ein Schutzschirm soll ja eigentlich schützen, bevor etwas passiert. Und hier geht es um eine Art Versicherungsmechanismus, der Eintritt, wenn etwas passiert ist. Solch ein Mechanismus mag eine Rolle spielen, muss aber auch im Gesamtbild beteiligt sein. Das heißt, wir brauchen eigentlich eine Verknüpfung der verschiedenen Aspekte: Den Ausgleich von Schäden, die eingetreten sind. Und ganz vorneweg Bemühungen, das Klimaziel – das 1,5-Grad-Ziel – einzuhalten. Wo die Skepsis immer weiter steigt, ob das überhaupt noch zu schaffen ist.

Man konnte das Gefühl bekommen, es wurde daneben gar nicht mehr so richtig besprochen, wie das 1,5-Grad-Ziel doch noch zu erreichen wäre. Ist das auch Ihr Eindruck?

Das ist auch mein Eindruck. Für das 1,5-Grad-Ziel müsste man jährliche Emissionsreduktionen in einer Größenordnung von sieben Prozent erreichen. Wir wissen alle, dass sich das momentan nicht abzeichnet. Hier muss man ran. Man muss im Prinzip dort eine Zeitenwende auslösen. Dafür würde der Begriff Zeitenwende durchaus anwendbar sein. Man braucht drastische Maßnahmen und je länger wir warten, desto drastischer muss die gesellschaftliche Mobilisierung sein. Man denkt ja schon fast an Notstandsgesetzgebungen und ähnliches, um hier endlich Umsteuerung zu erreichen.

Gleichzeitig gibt es positive Entwicklungen. Die Partnerschaften zwischen Ländern, wo Industrieländer Entwicklungsländern helfen wollen, aus den Fossilen auszusteigen. Das sind durchaus positive Zeichen. Aber da muss auch mit großer Dynamik vorangegangen werden.

Wie lautet aktuell Ihr kurzes Fazit?

Sprechen ist immer wichtig und sich aufeinander einstellen ist wichtig. Aber man muss auch die Spieler im Hintergrund mal exponieren, die da weiter ihre Strategien fahren.

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Bild: Radio Bremen

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Autorinnen und Autoren

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 18. November 2022, 9:10 Uhr