Wie Wasserstoff bei der Verkehrswende in Bremen schon heute hilft

Lkw-Antrieb mit Wasserstoff – Eine Bremer Erfolgsgeschichte?

Bild: dpa | Rupert Oberhäuser

Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft, Forschungsprojekte dazu gibt es viele. Schon heute rollen Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb über Bremens Straßen.

Ein E-Laster mit Brennstoffzelle, dessen Antrieb keine Abgase außer Wasserdampf ausstößt — solche Lkw baut das Unternehmen Enginius, das an diesem Mittwoch in Bremen das 100. Exemplar an einen Kunden übergibt. Im Lastenverkehr kommt die Wasserstofftechnologie, die unter den richtigen Umständen als besonders umweltfreundlich gilt, immer mehr zum Einsatz. Auch im Bremer Straßenverkehr wird Wasserstoff heute schon verwendet.

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Etwa im Linienverkehr bei Bremerhaven Bus: Drei Wasserstoffbusse sind seit Jahresbeginn unterwegs, beispielsweise auf der Hafenliner-Linie. Zusammengerechnet fuhren sie laut Vorstand Robert Haase seit Februar insgesamt circa 80.000 Kilometer. Vier weitere Wasserstoffbusse sollen in Kürze einsatzbereit sein, drei Gelenkbusse sind in der Ausschreibung und könnten Ende 2024 geliefert werden. Insgesamt hat das städtische Unternehmen 80 Busse.

Der erste Wasserstoffbus in Bremerhaven von draußen.
So sieht einer der Wasserstoffbusse in Bremerhaven aus. Bild: Radio Bremen

Bei einer ersten Probefahrt zeigte sich: Die Fahrt ist ruhiger und leiser, der Bus gleitet mehr und rumpelt weniger. Mit den neuen Bussen gibt es aber auch Probleme: Wegen technischer Mängel fielen die Busse für den Linienverkehr mehrfach aus. Diese seien zusammen mit dem portugiesischen Hersteller Caetano nach und nach behoben worden, so Haase. Aus diesem Grund seien auch die vier weiteren Busse noch nicht auf den Straßen unterwegs. Bei ihnen müssten die Mängel vom Hersteller vor der Inbetriebnahme ausgemerzt werden, bevor die Garantie zu laufen beginne. "Das ist ärgerlich", sagt Haase zu der Verzögerung, aber auch Caetano treffe der Fachkräftemangel. Die Busse sollen nun jedoch zeitnah abgenommen und für den Linienverkehr freigegeben werden.

Noch werden die Wasserstoffbusse bei einer mobilen Station auf dem Betriebshof betankt, der grüne Wasserstoff wird angeliefert. Doch grüner Wasserstoff soll dort bald selbst produziert werden. Auf einem Gelände, das an den Betriebshof an der Straße "Zur Hexenbrücke" angrenzt, entsteht derzeit eine Wasserstofftankstelle. Teil davon ist auch ein Elektrolyseur, der mit dem Strom einer Windkraftanlage Wasserstoff produziert, sowie Kompressoren, die den Stoff für den Tankvorgang verdichten. Für das Vorhaben hat das Unternehmen Hy City Bremerhaven, das das Projekt leitet und die Tankstelle später betreiben wird, 2023 den Bremer Umweltpreis gewonnen.

Symbolischer Spatenstich war im April, im Sommer sollte die Tankstelle fertiggestellt sein. Doch es kommt zu Verzögerungen. Der Elektrolyseur befinde sich derzeit im Bau, sagt Andreas Wellbrock, Geschäftsführer von Hy City Bremerhaven. "Anfang 2024 wird die Tankstelle voraussichtlich in Betrieb genommen", sagt Wellbrock. Der Bau der Wasserstofftankstelle dauere im Gegensatz zu herkömmlichen Tankstellen nicht lange, weil bei ihnen das Erdreich nicht vor austretenden Kraftstoffen geschützt werden muss. "Aufwendige Tiefbauarbeiten sind deshalb nicht notwendig", so Wellbrock.

Wasserstofftankstelle auch für private Nutzung

Das Betanken der Busse soll an der neuen Tankstelle deutlich schneller gehen, acht bis zehn Minuten soll ein Tankvorgang dann dauern. Eine Tankfüllung der Busse reicht für 400 Kilometer und somit für den regulären Betrieb im Bremerhavener Linienverkehr. Die neue Tankstelle bekommt laut Wellbrock zwei Zapfsäulen, eine mit 700 bar Druck für Pkw und eine weitere mit zwei Hähnen mit jeweils 350 bar Druck zum Betanken der Busse. Dann werde es möglich sein, täglich 64 Busse mit jeweils 25 Kilogramm Wasserstoff zu betanken. Wenn das nicht reiche, seien die Kapazitäten vor Ort ausbaufähig. Zur Einordnung: Mit einem Kilogramm Wasserstoff kann ein Pkw rund 100 Kilometer zurücklegen, bei einem Linienbus sind es circa 25 Kilometer. Ein Kilogramm Wasserstoff kostet circa zehn bis 15 Euro.

Eine Wasserstoff-Tankstelle
Wasserstofftankstellen gibt es in Deutschland noch nicht viele. Bild: dpa | Marcus Brandt

Die Tankstelle in Bremerhaven wird öffentlich sein – jeder mit einem Wasserstoff-Auto kann dann dort tanken. So eine Gelegenheit gibt es in Bremen auch an der Tankstelle in Tenever an der Osterholzer Heerstraße. Daten zur Nutzung der Wasserstofftankstelle veröffentlicht der Betreiber H2 Mobility nicht, wie er auf Anfrage mitteilte. Die Region sei allerdings "attraktiv für eine weitere Wasserstofftankstelle – insbesondere für Nutzfahrzeuge".

Doch wer fährt in Bremen und Bremerhaven privat ein Wasserstoffauto? Für Bremen gibt es bei der Zulassungstelle keine Daten zu Wasserstofffahrzeugen, heißt es auf eine Anfrage an die Bremer Verkehrsbehörde. In Bremerhaven gebe es keinen Pkw mit Wasserstoffantrieb.

Fehlende Infrastruktur hält Bürger von Kauf ab

Es gibt allerdings eine hohe zweistellige Zahl von Menschen, die sich für den Kauf eines Wasserstoffautos interessieren. Das sagt Claas Schott vom Bremerhavener Verein H2BX, der auch den Beinamen "die Wasserstofflotsen" trägt. Bislang gebe es nur wenige serienreife Wasserstoffautos, Grund für ihre Zurückhaltung sei weniger der hohe Preis – teure Autos gebe es auch ohne Wasserstoffantrieb. "Es gibt genügend Leute, die sich einen Tesla kaufen", sagt Schott. Vielmehr liege es an der fehlenden Infrastruktur.

Wasserstoff als Treibstoff für Fahrzeuge – ist das sinnvoll? Das komme auf die Umstände an, sagt Carsten-Wilm Müller, emeritierter Professor für Verkehrswesen und Städtebau an der Hochschule Bremen. Wenn wie in Bremerhaven mit den Offshore-Windparks genügend Strom vorhanden sei, man daraus grünen Wasserstoff herstelle und diesen auch vor Ort verbrauche, dann sei der Einsatz ökologisch sinnvoll, erklärt Müller. Den Wasserstoff über weite Strecken zu transportieren, sei hingegen ineffizient.

Wasserstoff tanken geht schneller als das Laden einer Batterie

Vor allem bei großen Verbrauchern wie Lkw könne sich der Einsatz von Wasserstoff lohnen, sagt Müller. Batterien aufzuladen dauert oft lange, Wasserstoff kann aber wie Benzin in nur wenigen Minuten nachgetankt werden. Der Einsatz von Wasserstoff könne sich so also auch bei einem überschaubaren Netz von Wasserstofftankstellen lohnen.

Doch die Technologie ist noch in der Erprobungphase, sagt Müller. Bei den E-Autos sei es vor zehn Jahren nicht anders gewesen. Auch damals hätten die Skeptiker am Erfolg gezweifelt. Unter den richtigen Rahmenbedingungen wie in Bremerhaven könne der Einsatz sich jedoch lohnen. "Ich finde es wichtig, dass man mit solch einem guten Beispiel anfängt", so Müller.

Wenn der Einsatz von Wasserstoff in Bremerhaven wirklich funktioniert, ist das ein gutes Signal, um etwas zu ändern.

Carsten-Wilm Müller, Verkehrsexperte

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 1. November 2023, 19:30 Uhr