Fragen & Antworten

Darum geht es im Streit der Verkehrsminister in Bremerhaven

Bild: Radio Bremen

Noch haben sich die Verkehrsminister nicht auf einen 9-Euro-Ticket-Nachfolger geeinigt. Gelingt Bund und Ländern in Bremerhaven heute am letzten Konferenztag der Durchbruch?

In Bremerhaven beginnt der letzte Tag der zweitägigen Verkehrsministerkonferenz (VMK) unter dem Vorsitz Bremens. Ob sich die Minister im Streit um das 9-Euro-Nachfolgeticket einigen konnten, wird sich gegen Mittag zeigen – dann wollen die Verkehrsminister ihre Ergebnisse vorstellen. Im Fokus des Treffens stehen eine Folgeregelung für das 9-Euro-Ticket und der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Nachdem es zuvor keine Einigung gab, war kurz vor Konferenzbeginn ein mögliches 49-Euro-Modell bekannt geworden. Alle Seiten wollen eine Lösung, doch die Vorstellungen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und den Ländern gehen noch auseinander.

Worin sind sich Bund und Länder bereits einig?

Einig ist man sich darin, dass es mit Blick auf den Klimaschutz eine Regelung geben muss. Deshalb ist nach Informationen von buten un binnen auch geplant, das neue Ticket "Klimaticket Deutschland" zu nennen. Erste Untersuchungen zum 9-Euro-Ticket haben allerdings gezeigt, dass dadurch bisher nicht mehr Leute ihr Auto stehen gelassen haben. Es sind demnach zusätzliche Fahrten mit dem Zug unternommen worden und die meisten für private Wege. Die Verkehrsminister erhoffen sich nun, dass es mehr Neukunden gibt und das Ticket auch eine deutliche Wirkung aufs Klima haben wird.

Wie soll ein Nachfolge-Ticket funktionieren?

Es sieht ganz nach einem 49-Euro-Ticket aus. So steht es in einem Entwurf für die VMK in Bremerhaven. Demnach soll es im Jahresabo erhältlich sein, personalisiert und bundesweit im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gültig. Unklar ist aber noch, wann es eingeführt werden soll. Dem Vernehmen nach könnte sich dies noch mehrere Monate hinziehen – im Gespräch ist offenbar März 2023. Bisher waren Preise zwischen 49 und 69 Euro in der Diskussion gewesen. Greenpeace und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatten hingegen ein 29-Euro-Ticket gefordert, weil sich viele Menschen die 49-Euro-Regelung nicht leisten könnten.

Streit gibt es um die Finanzierung – was sind die Positionen von Bund und Ländern?

Der Bund hat klargemacht: 1,5 Milliarden Euro kann er bereitstellen – mehr nicht. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagt, an der Schuldenbremse dürfe nicht gerüttelt werden. Deshalb will er nicht mehr Geld für das Ticket und den Nahverkehr geben. Im Streit um die Kosten fordert Lindners Parteikollege Bundesverkehrsminister Wissing von den Ländern, ein eigenes Finanzierungskonzept für den ÖPNV. Er warnte sie davor, nur nach mehr Geld vom Bund zu rufen und Dinge zu verknüpfen. Schließlich sei der Nahverkehr zuerst eine Aufgabe der Länder. Sie sollen mindestens den gleichen Betrag zahlen.

Das wollen die Länder jedoch nur tun, wenn der Bund die Zuschüsse für den Nahverkehr aufstockt. Laut Wissing müssten die Länder auch schauen, wie sie die Abläufe im ÖPNV besser und digitaler gestalten könnten, um Geld zu sparen.

Was kann das Ticket, ist es ein wirklich digitales Ticket und überwinden wir damit auch die bisher sehr hohen Vertriebskosten? Die Länder haben im Moment Vertriebskosten von zwei Milliarden Euro im Jahr. Das muss besser werden, und daran messe ich dann am Ende auch, ob der Bund einem solchen Ticket zustimmen kann oder nicht.

Ein Mann blickt an einer Kamera vorbei.
Volker Wissing, Bundesverkehrsminister (FDP)

Die Länder drohen damit, Strecken ganz einstellen zu müssen, wenn sie nicht deutlich mehr Zuschüsse bekommen. Unterdessen steigt der Druck auf die Minister, eine gemeinsame Lösung zu finden. Bund und Länder müssten sich endlich einigen, erklärt ein Bündnis aus Gewerkschaften und Umweltorganisationen. Um die Mobilitätswende voranzubringen, müssten sie "jetzt das Geld bereitstellen".

Wie wahrscheinlich ist es, dass es in Bremerhaven eine Einigung für ein Nachfolge-Ticket gibt?

Es ist schon sehr wahrscheinlich, dass man sich bei der VMK zumindest darauf verständigt, dass das neue Modell als 49-Euro-Ticket kommt. Aber ob die Finanzierung dann auch schon steht, das ist die große Frage. Es dürften die Grundlinien abgesteckt werden. Vieles wird in den nächsten Monaten noch geregelt werden müssen.

Die Länder fordern mit einer Erhöhung sogenannter Regionalisierungsmittel mehr Geld für den ÖPNV – mit welcher Begründung?

Diese Regionalisierungsmittel sind das Geld, das der Bund den Ländern für den öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung stellt – also für Bus und Bahn. Grundsätzlich steht der Nahverkehr unter der Regie der Länder. Der Bund muss ihn aber mitfinanzieren. Die Länder heben die steigenden Energiekosten hervor, aber auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Sie wollen möglichst viel herausholen. Sonst würden sogar Streckenschließungen drohen, sagt Bremens Mobilitätssenatorin Maike Schäfer (Grüne), die auch Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz ist.

Wir brauchen vom Bund nicht nur die Zusage, dass er ein Anschlussticket zur Hälfte mitfinanziert, sondern eben auch die Regionalisierungsmittel. Es nützt nichts, wenn man am Ende einen günstigen Tarif hat und trotzdem Leistungen abbestellt werden müssen. Wir brauchen erstmal Geld, um den Status Quo überhaupt erhalten zu können.

Die Umweltsenatorin Maike Schäfer.
Maike Schäfer, Bremer Mobilitätssenatorin (Grüne)

Beim 9-Euro-Ticket ist der ÖPNV an seine Grenzen gekommen – welche Pläne gibt es zur Modernisierung?

Es gibt bei der Bahn seit Jahren einen großen Investitionsstau. Auch Regionalstrecken im Nahverkehr sind stark betroffen. Neue Gleise, Züge und Busse sind nötig. Nach aktuellen Gutachten benötigen Nahverkehrsunternehmen bis zum Jahr 2030 etwa 48 Milliarden Euro zusätzlich, um die EU-Klimaziele zu erreichen. Woher die kommen sollen, ist unklar. Die Länder fordern auch hier wesentlich mehr Hilfe vom Bund. Und sie kritisieren: Die Schiene soll nach dem Bundeshaushalt 2023 mit zwei Milliarden Euro unterstützt werden, der Straßenausbau auf den Fernstrecken hingegen mit 2,8 Milliarden Euro.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 12. Oktober 2022, 19:30 Uhr