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Traditionsschiffe: Was sie kosten – und was sie Bremerhaven bringen

So aufwendig ist die Sanierung des Feuerschiffs "Elbe 3"

Bild: dpa | Imagebroker/Wilfried Wirth

Traditionsschiffe sind aus dem Stadtbild Bremerhavens kaum wegzudenken. Gleichzeitig sind sie teuer. Wie teuer, kann man an diesen vier Beispielen erkennen.

In Bremerhaven liegen viele Traditionsschiffe, für Liebhaber sind sie echte Sehenswürdigkeiten. Doch der Erhalt der historischen Fahrzeuge ist teuer. Wie hoch sind die Kosten und wie sehen die Gewinne durch Besuche und Veranstaltungen aus?

Auf der einen Seite schlagen Reparatur- und Personalkosten oft mit Tausenden Euro zu Buche, bei regelmäßigen Instandhaltungen schießen die Ausgaben in die Höhe, oft über 100.000 Euro. Nicht selten muss die Stadt zumindest teilweise dafür aufkommen. Im Jahr 2022 und 2023 haben Bremen und Bremerhaven beispielsweise 600.000 Euro für den Betrieb und Erhalt der historischen Pötte im Museumshafen bewilligt. Immer wieder braucht es zudem anlassbezogene Zuschüsse, etwa für Reparaturen, wie die Pressestelle des Magistrats bestätigt.

Auf der anderen Seite stehen die Einnahmen durch den Marketing-Effekt und Tourismus, sie sind aber schwer zu beziffern. Für die Bremerhavener Tourismusgesellschaft sind die Schiffe "für Bremerhaven unbezahlbar wertvoll". Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2018 seien 45 Prozent der Stadtbesucher und -besucherinnen "maritim-touristisch" aktiv. Aber wie viel genau kostet der Erhalt eines historischen Schiffes? Und welchen immateriellen Wert haben sie? buten un binnen hat sich vier Beispiele aus Bremerhaven angeschaut.

1 Das Museumsschiff "Gera"

Museumsschiff Gera im Fischereihafen von Bremerhafen
Das Museumsschiff Gera kann auch mithilfe digitaler Besuchsleiter besichtigt werden. Bild: dpa | Rolf Kosecki

Das Museumsschiff Gera ist ein historisches Schiff, das ein Museum beherbergt. Die Gera ist der letzte erhaltene, deutsche Seitentrawler. Das Schiff wurde Ende der 50er-Jahre auf der Peene-Werft gebaut. Bereits in den 60ern sind allerdings die damaligen Seitentrawler durch modernere Hecktrawler abgelöst worden. Heute können die Menschen das noch vollausgestattete Schiff in Bremerhaven besichtigen und mehr über den damaligen Fischfang und das Leben auf Hochsee vor über 50 Jahren erfahren.

Infografik üder die Schiffskosten von Museumsschiff Gera 40.000€ Personalkosten 20.000€ Einnahmen 40.000€ Materialien, Werkzeuge, Versicherungen usw. Museumsschiff Gera
Bild: Radio Bremen Quelle: Historisches Museum Bremerhaven/Förderkreis

*Die Zahlen wurden aufgerundet und beziehen sich auf das Jahr 2022.

Das Historische Museum Bremerhaven und dessen Förderkreis betreuen das Schiff. Die Kosten, die für den Erhalt der Gera im Jahr 2022 angefallen sind, belaufen sich auf fast 40.000 Euro. Dabei sind unter anderem Werkzeuge, Heizöl, Versicherungen und Rechnungen enthalten. Hinzu kommen knapp 40.000 Euro an Personalkosten für den Betrieb des Schiffsmuseums, die vom Förderkreis getragen werden.

Fast 20.000 Euro konnte der Förderkreis im vergangenen Jahr an Einnahmen durch Eintrittskarten und ähnliche Erlöse erhalten. Etwa 7.000 Menschen besuchen jedes Jahr das Schiff in der Öffnungssaison, in der Regel vom April bis Oktober. Jedes Jahr finden außerdem an etwa zehn Tagen Veranstaltungen und Aktionen statt.

Finanzielle Defizite beim Museumsbetrieb erstattet der Magistrat in Bremerhaven. Etwa 44.000 Euro zur Finanzierung des Schiffes geben ebenfalls die Stadt Bremerhaven und die Fischerhafen-Betriebsgesellschaft hinzu, jeweils zur Hälfte. Damit sind die Erhalt- und Betriebsausgaben ohne Personalkosten gedeckt. Etwa 4.000 bis 5.000 Euro davon werden jährlich für Wartungen und Reparaturen zurückgelegt. Denn alle sechs bis acht Jahre sind gut 200.000 Euro für die sogenannten Dockungen erforderlich. Teilweise müssen diese allerdings über zusätzliche, öffentliche Mittel finanziert werden.

2 Der Kutter "Astarte"

Traditionssegler Astarte in Bremerhaven bei schönem Wetter
Der Kutter Astarte ist 120 Jahre alt. Bild: Radio Bremen | Nils Fricke

Die Astarte ist ein Finkenwerder Kutter, der von der Schiffergilde Bremerhaven betreut wird. Schiffe dieser Art waren bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf der Nordsee im Einsatz. Nach und nach wurden sie jedoch von den Dampfern vertrieben. Die Astarte, Baujahr 1903, diente zuletzt als Forschungsschiff. Die Gilde kaufte sie Ende der 70er-Jahre und ließ sie restaurieren. Heute fährt sie immer wieder über Ost- und Nordsee. Vor allem Jugendlichen soll dabei die traditionelle Seemannschaft und deren Herkunft nähergebracht werden.

Infografik üder die Schiffskosten von Kutter Astarte 50.000€ Reparaturen/ Betriebskosten 10.000€ Ausbildung/ Versicherung Kutter Astarte 30.000€ Einnahmen
Bild: Radio Bremen Quelle: Schiffergilde Bremerhaven

Für den Erhalt und Betrieb der Astarte sind im Jahr etwa 50.000 Euro notwendig, 47.000 davon allein für Reparaturen, wie die Schiffergilde erläutert. Hinzu kommen 10.000 Euro für Ausbildung und Versicherungen. Alle fünf Jahre ist eine Instandhaltung erforderlich und sie schlägt mit 100.000 Euro zu Buche.

Durch Segeltörns und Tagesfahrten bringt die Astarte im Jahr etwa 30.000 Euro an Einnahmen. Die Differenz zu den Kosten ist teils durch öffentliche Zuschüsse und teils durch Spenden und Mitgliederbeiträge gedeckt.

Etwa 1.000 Menschen fahren jährlich mit der Astarte, etwa 40 Tagestörns und zehn mehrtägige Fahrten sind es im Jahr. Die Crew arbeitet ehrenamtlich. Doch selbst mit Teilnahmegebühren von 85 Euro pro Segel- und 65 Euro pro Tagestörn ist es schwierig, die Kosten wieder einzufangen. "Es ist überhaupt nicht leicht", bestätigt Schatzmeisterin Angela Rats von Abel. Immer wieder muss der Verein öffentliche Zuschüsse beantragen, teilweise in Höhe von mehreren Tausend Euro. 80.000 Euro hätten zuletzt Anpassungen zu den neuen Sicherheitsregeln gekostet.

3 Der Dampf-Eisbrecher "Wal"

Der Dampf-Eisbrecher "Wal" liegt in Bremerhaven
Der alte Dampfer Wal ist heute immer noch Verkehrstüchtig. Bild: Magistratspressestelle | Johanna Geimer

Der Dampf-Eisbrecher "Wal" ist ein restauriertes Museumsschiff, fährt aber immer noch. 1938 hat er seinen Dienst als Eisbrecher im Nord-Ostsee-Kanal angetreten. 1990 kam er nach Bremerhaven. Heute wird er von der Schiffahrts-Compagnie Bremerhaven betrieben. Immer wieder geht der Wal auf Törns, Hafenfeste und Veranstaltungen. Die Wal lässt die Atmosphäre der alten Dampfer-Fahrten wieder aufleben. Wie viele Menschen das Schiff jedes Jahr besichtigen ist unklar, pro Hafenfest sind es jedoch um die 1.000.

Infografik üder die Schiffskosten von Dampf-Eisbrecher Wal 142.500€ Jährliche Instandhaltung 85.500€ Treibstoffkosten Dampf-Eisbrecher Wal 71.000€ Einnahmen
Bild: Radio Bremen Quelle: Schiffahrts-Compagnie Bremerhaven e. V.

Etwa 142.500 Euro kostet die jährliche Instandhaltung des Eisbrechers, hinzu kommen im Schnitt um die 85.500 Euro für den Treibstoff. Gut 71.000 Euro nimmt die Schiffahrts-Compagnie durch Fahrten, Bewirtung und Merchandising jährlich ein. Die restlichen Kosten müssen je zur Hälfte durch private Zuwendungen wie Sponsoring oder Spenden und durch öffentliche Zuschüsse gedeckt werden.

Vor allem für außergewöhnliche Reparaturen, für die weit mehr als 100.000 Euro anfallen können, müssen externe Quellen gefunden werden. "Die Wal ist ein sehr altes Schiff mit einer sehr komplexen Technik", erläutert der Vereinsvorsitzende, Rüdiger Pallentin. Ersatzteile seien schwer zu finden. So wie für die meisten anderen Traditionsschiffe in Deutschland sei es praktisch unmöglich, Betrieb und Erhalt alleine durch eigene Einnahmen zu finanzieren. Aber Traditionsschiffe machten "den Menschen eine Freude", sagt Pallentin. Wären sie nicht da, würden bei Hafenfesten kaum Besucher kommen.

4 Die "Schulschiff Deutschland"

Das Schulschiff Deutschland, Teil der Hafenwelten, in Bremerhaven
Auf dem damalige Schulschiff können die Besucher sogar übernachten. Bild: dpa | Jochen Tack

Die "Schulschiff Deutschland" ist sicherlich eines von Bremerhavens berühmtesten Schiffen. An Bord können Besucher und Besucherinnen nicht nur ein kleines Museum besichtigen, das ursprüngliche Inventar bestaunen und an Veranstaltungen teilnehmen, sondern auch übernachten. Der Deutsche Schulschiff-Verein, der es betreut, vermietet seine Räume ebenfalls für Familienfeste, Trauungen und ähnliche Feiern.

Infografik üder die Schiffskosten von Schulschiff Deutschland 200.000€ Personalkosten 100.000€ Waren, Instandhaltung usw. Schulschiff Deutschland 240.000€ Einnahmen
Bild: Radio Bremen Quelle: Deutscher Schulschiff-Verein

*Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2022.

Durch diese breite Palette an Angeboten erzielt das Schiff etwas höhere Einnahmen als andere historische Boote. Etwa 240.000 Euro waren es 2022. Davon entfielen 80.000 auf Eintrittskarten und weitere 80.000 auf Übernachtungen. Der Rest entstand aus dem Verkauf von Artikeln, Vermietungen und so weiter.

Hoch sind allerdings ebenfalls die Kosten: Gut 300.000 Euro betrugen sie 2022. Für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gab man nach Angaben des Vereins 200.000 Euro aus, Betriebskosten wie Wasser, Strom und Gas trugen mit 30.000 Euro ebenso dazu bei. Der Rest ging für den Wareneinkauf, die Versicherungen, Reparaturen und sonstige Kosten drauf. Durch Mitgliederbeiträge und Spenden kamen etwa 60.000 Euro zusammen, sodass das Schiff das Jahr mit einer schwarzen Null abschließen konnte.

Der immaterielle Wert

Aus den genannten Beispielen wird klar, dass der Erhalt historischer Schiffe kostspielig ist. Gleichzeitig haben diese einen Wert, der sich schwer in Zahlen fassen lässt. Marketing-Effekte für die gesamte Stadt, etwa. Denn die Schiffe sind nach Angaben der Bremerhavener Tourismusgesellschaft für für viele Menschen ein Besuchsgrund. Fast die Hälfte der Touristen engagiert sich demnach in Aktivitäten, die mit den Pötten zu tun haben: Sie besichtigen sie, besuchen Veranstaltungen und Feiern oder übernachten gar dort. 4,6 Millionen Tagesgäste gab es in Bremerhaven 2021.

Traditionsschiffe stehen für Bremerhaven. Eines der drei Profilthemen, mit denen das Tourismusmarketing Bremerhavens aktiv ist, ist folgerichtig das Thema Hafenerlebnis.

Dörte Behrmann, Erlebnis Bremerhaven (Gesellschaft für Touristik, Marketing und Veranstaltungen)
Blick in die Werkstatt der Schiffergilde Bremerhaven
In der Werkstatt der Schiffergilde werden alte Boote repariert. Bild: Radio Bremen | Nils Fricke

Hinzu kommen der Ruf und das Profil der Stadt. Bei Veranstaltungen wie den Schiffertagen, den Maritimen Tagen oder der Sail Bremerhaven spielten auch Traditionsschiffe eine große Rolle, sagt die Sprecherin der Tourismusgesellschaft Dörte Behrmann. "Seit Langem hat sich Bremerhaven den Ruf als 'Hauptstadt der Windjammer' erarbeitet." Außerdem habe das hier ansässige Deutsche Sail-Training-Komitee dafür gesorgt, dass das sogenannte Sail Training auf Traditionsschiffen zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde, was wiederum der Stadt bundesweite Aufmerksamkeit brachte.

Die historischen Schiffe halten ebenfalls wie eine Art Zeitzeugnisse die maritime Tradition der vergangenen Jahrhunderte am Leben, und zwar durch Ausstellungen, Rekonstruktionen der damaligen Ausstattung und des Lebens auf See, historische Fahrten oder multimediale Angebote. Auf der Gera können Besucher beispielsweise in einer Datenbank über Fischereischiffe recherchieren, die zwischen 1885 und 1990 in Bremerhaven und Geestemünde beheimatet waren.

Zwischen hohen Regalen stehen mehrere Objekte und ein Boot.

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Bild: Heidi Ulrich

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Autorin

  • Serena Bilanceri
    Serena Bilanceri Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. Juni 2023, 19:30 Uhr