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BSAG-Vorstand im Gespräch: "Scheitert die Verkehrswende, Herr Harder?"

"Scheitert die Verkehrswende, Herr Harder?"

Bild: Radio Bremen | Christof Kette

Thorsten Harder ist Vorstand bei der BSAG und spricht mit Felix Krömer über eine mögliche 9-Euro-Ticket-Nachfolge, die geplante Verkehrswende und Gewalt in Bremer Straßenbahnen.

Bremen will die Verkehrswende. Damit die Bürgerinnen und Bürger ihre Autos stehen lassen und mehr Bus und Bahn fahren, muss der öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) allerdings attraktiver werden. Das setzt ein besseres Netz, eine engere Taktung und bezahlbare Fahrkarten voraus. Die BSAG kämpft jedoch mit Personalmangel, fallenden Fahrgastzahlen und steigenden Energiekosten sowie einem Fuhrpark mit vielen Dieselbussen.

Über die daraus resultierenden Herausforderungen spricht buten-un-binnen-Moderator Felix Krömer mit dem technischen Vorstand der BSAG, Thorsten Harder.

1 Ist das gelante 9-Euro-Nachfolgeticket zu teuer?

Felix Krömer spricht im Interview ab Minute 8:13 die Pläne der Bundesregierung an, ein neues Einheitsticket einzuführen, das das 9-Euro-Ticket künftig ersetzen könnte. Nach bisherigen Plänen der Ampelkoalition soll es allerdings zwischen 49 und 69 Euro im Monat kosten.

Ein E-Bus der BSAG.
5 E-Busse wie dieser fahren derzeit für die BSAG. 70 sollen es bald sein. Bild: Radio Bremen

"Es ist zwar nicht die gleiche Entlastung, die wir mit dem 9-Euro-Ticket gesehen haben", sagt auch BSAG-Vorstand Harder. Allerdings müsse hier unterschieden werden zwischen Menschen, die in ihrer Freizeit Bus und Bahn nutzten sowie Menschen, die täglich pendelten. Für die könne das durchaus attraktiv sein. In diesem Zusammenhang verweist Harder auf das neu eingeführte TIM-Ticket für Schüler, Azubis und Freiwilligendienstleistende – TIM stehe dabei für "täglich immer mobil". Die Kosten: 30 Euro im Monat oder 360 Euro im Jahr. Da werden uns gerade die Türen eingerannt, sagt er. "Wir haben erstmals seit langem Schlangen vor dem Kundencenter." Fast 10.000 Anträge seien es im ersten Monat schon gewesen.

Auch die jüngsten Veränderungen beim Job-Ticket spricht er ab Minute 9:21 an. Dies sei vor allem vor dem Hintergrund von Veränderungen währende der Corona-Pandemie geschehen.

2 Was spricht für einen kostenlosen ÖPNV?

"Wir haben heute einen nutzerfinanzierten ÖPNV, das macht aus meiner Sicht Sinn", sagt Harder. Für ihn sei in dieser Diskussion ein andere Punkt wichtiger. "Wir brauchen erst ein anderes Angebot", sagt der BSAG-Vorstand. Erst wenn dies da sei, dann könne auch über die Preisgestaltung gesprochen werden. ÖPNV sei im Übrigen überall in Deutschland teuer. Allerdings gebe es auch viele neue Ansätze zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs. Die aus seiner Sicht interessantesten nennt Harder ab Minute 17:02 Uhr.

Das eigene Angebot auszuweiten sei eines der großen Ziele der BSAG. "Wir haben das Ziel, innerhalb der nächsten zehn Jahre 50 Prozent mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen", sagt Harder. Der Plan: Das Angebot soll in elf Stufen ausgebaut werden. "Das heißt in den meisten Bereichen engere Taktung", sagt Harder. Wie das gelingen soll, erklärt er ab Minute 34:32.

3 Wie geht der Ausbau der E-Flotte voran?

Ein weiteres großes Ziel, dass die BSAG im Zuge der Verkehrswende verfolgt, ist der Ausbau der E-Bus-Flotte. Zwar habe die BSAG jüngst die Freigabe für eine Investition von 96 Millionen Euro für 50 E-Busse erhalten. Die Anschaffung der Busse allein reiche allerdings nicht aus. Auch die komplette E-Infrastruktur müsse angepasst werden. Das reiche von der Umrüstung sämtlicher Betriebshöfe bis zur Ladeinfrastruktur. Warum bislang erst fünf E-Busse durch Bremen fahren und Wasserstoff derzeit kein Thema ist, erklärt der BSAG-Vorstand ab Minute 30:57. Wobei er auch Rückschläge einräumt.

Wir sind an der ein oder anderen Stelle auch mal an die Wand gelaufen.

Thorsten Harder, Technikvorstand der BSAG

4 Sollte die Straßenbahn bald durch die Martinistraße rollen?

Felix Krömer geht auch auf die Diskussion um die Verlegung der Straßenbahn aus der Obernstraße in die Martinistraße ein. BSAG-Vorstand Harder hält von dieser Idee allerdings nichts.

Verkehrspolitisch kann ich sagen, die optimale Lösung ist, wenn wir in der Obernstraße bleiben.

BSAG-Vorstand Thorsten Harder

Er begründet dies damit, dass nur durch die Haltestellen in der Obernstraße die Anbindung an die Innenstadt angemessen gewährleistet sei. "Wir werden deutlich längere Laufwege in Kauf nehmen müssen, wenn wir die Straßenbahn in die Martinistraße verlegen." Eine Verlegung würde darüber hinaus einen hohen zweistelligen Millionenbetrag kosten. Warum diese Kosten nicht vom Bund übernommen werden würden, sondern an Bremen hängen blieben, erklärt er ab Minute 40:00.

5 Wie geht die BSAG mit Gewalt in Bussen und Bahnen um?

Angesprochen auf die Auswirkungen des Angriffs auf eine Transfrau in einer Bremer Straßenbahn der Linie 4 sagt Harder, dass ihn und die anderen BSG-Mitarbeitenden das tief schockiert und bewegt habe. "Alle sind willkommen bei uns und jeder muss sich sicher fühlen können – dafür arbeiten wir." Das gelte genauso für die Fahrerinnen und Fahrer.

Als konkretes Beispiel für den Umgang mit diesen Themen nennt Harder den internen Arbeitskreis Sicherheit bei der BSAG. "Wir schauen sehr genau drauf, wie entwickelt sich das", sagt Harder. Wobei es tatsächlich von 2017 bis 2021 zu einer Verdoppelung jener Fälle gekommen sei, wo Fahrgäste Schwierigkeiten mit dem Personal oder mit anderen Fahrgästen hatten. Warum Corona in vielen dieser Fälle eine Rolle gespielt hat, erläutert Harder ab Minute 49:10.

Bremer Abgeordnete diskutieren über Gewalttaten in Bussen und Bahnen

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. September 2022, 19:30 Uhr