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Arzttermin verpasst, Friseur sitzen gelassen: So teuer kann das werden

Eine Friseurin schneidet einer Kundin die langen Haare.

Friseurtermin verschwitzt, Arzt versetzt: Wann es in Bremen teuer wird

Bild: dpa | Jan Woitas

Sogenannte "No-Shows", also das "Nicht-Erscheinen", sorgt für finanzielle Verluste bei Unternehmen. In Bremen wollen Friseure jetzt ein Ausfallhonorar.

Sie habe sich "kräftig erschrocken", als sie ihre eigenen Bücher auswertete, sagt Sabrina Menke. "26 Prozent meiner Kundinnen und Kunden sind 2022 trotz Termin nicht erschienen. Fünf Prozent davon haben noch nicht einmal abgesagt", erzählt die Inhaberin eines Findorffer Friseursalons und stellvertretende Obermeisterin der Friseur-Innung Bremen weiter. Den Schaden, der ihr dadurch entstanden sei, beziffert sie auf 13.000 Euro.

Um zu verhindern, dass sie auch in den kommenden Jahren hohe Verdienstausfälle hinnehmen muss durch Kunden, die sie versetzen, stellt Menke jetzt ihr Kassensystem um. Zumindest für die Online-Terminbuchungen möchte sie eine Anzahlung einführen. Auch hat sie Ausfallhonorare in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) verankert, die fällig werden, wenn ein Kunde, ohne abzusagen, nicht erscheint. "Das machen inzwischen immer mehr Kollegen in unserer Branche so", sagt Menke dazu.

Ärzte hätten auch gerne Ausfallhonorare

Die Friseurinnen und Friseure Bremens setzen damit zumindest teilweise durch, was etwa die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Bremen für ihre Mitglieder ebenfalls gern durchsetzen würde: dass zahlen muss, wer trotz Termin nicht erscheint. Doch ist dieses Vorgehen überhaupt erlaubt? buten un binnen hat sich zu dieser wie zu anderen Fragen rund um sogenannte "No Shows" schlaugemacht.

Die Friseurin Sabrina Menke steht vor ihrem Salon
Führt Anzahlungen bei Online-Buchungen ein: Friseurin Sabrina Menke. Bild: Radio Bremen | Marie Roters

Ist es ein Zufall, dass zuletzt so viele Kunden von Sabrina Menke ihren Friseurtermin verschwitzt haben, oder kämpfen auch andere Unternehmen und Branchen vermehrt mit Verdienstausfällen durch "No Shows"?

Ja, haben sie. Es handelt sich um ein weit verbreitetes Phänomen, das nicht nur Friseure, sondern viele Dienstleister betrifft. So teilt Karen Stroink aus dem Innenressort mit, dass voriges Jahr ein Fünftel der im Bremer Bürgeramt gebuchten Termine nicht wahrgenommen worden sind, in der ersten Hälfte des laufenden Jahres seien es 13 Prozent gewesen. Dabei erhielten alle Kunden des Bürgerservice, wenn möglich, am Vortag ihres Termins zur Erinnerung eine Email oder auch SMS vom Bürgeramt.

Auch Thorsten Lieder, Geschäftsführer der Gastro Gemeinschaft Bremen, berichtet von zahlreichen Tischen, die Kunden gerade in der Corona-Zeit gebucht hätten, ohne tatsächlich zu erscheinen. "Durch Zufall haben wir auch festgestellt, dass einige Leute bei mehreren Gaststätten zugleich online Tische reserviert hatten, offenbar um sich dann kurzfristig zu entscheiden, wo sie hingehen wollen – natürlich sehr zum Schaden der übrigen Gaststätten."

Und Christoph Fox, Sprecher der Kassenärztliche Vereinigung (KV) Bremen, sagt, dass Patienten vom ersten Quartal 2021 bis zum zweiten Quartal 2022 21 Prozent der über die Terminservicestelle der KV Bremen gebuchten Termine nicht wahrgenommen hätten. Besonders hart hat es den Zahlen der KV zufolge solche Ärztinnen und Ärzte getroffen, für deren Besuch man grundsätzlich keine Überweisung braucht. So haben etwa Patientinnen und Patienten von Allgemeinärzten 36 Prozent ihrer Termine ungenutzt verstreichen lassen. Die KV Bremen fordert daher, dass künftig die Krankenkassen No-Show-Gebühren von ihren Patienten eintreiben.

Ein leeres Wartezimmer beim Zahnarzt
Das leere Wartezimmer einer Zahnarztpraxis. Je nach Patientenstamm werden Zahnärzte in Bremen sehr unterschiedlich häufig versetzt, teilt die Zahnärztekammer mit. Bild: dpa | Carsten Rehder

Angenommen, ich habe einen Termin beim Friseur und erscheine nicht. Muss ich zahlen, wenn ich eine Rechnung über ein Ausfallhonorar erhalte?

Das hängt von verschiedenen Faktoren ab, sagt Marja Sterk, Verbraucherrechtsexpertin der Verbraucherzentrale Bremen. Grundsätzlich muss die Zahlung eines Ausfallhonorars vorab zwischen dem Friseur und mir verabredet worden sein, beispielsweise durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Doch das allein reicht nicht.
Der Friseur muss mich auch, spätestens bei Vertragsabschluss, ausdrücklich auf den Inhalt der AGB hingewiesen haben. "Ein deutlich sichtbarer und lesbarer Aushang im Geschäft kann genügen. Bei einer Online-Terminvereinbarung muss zum Beispiel die Möglichkeit vorhanden sein, vor der verbindlichen Terminbuchung die AGB zu lesen, diese auszudrucken und letztlich mit einem Klick zu bestätigen", erklärt Sterk.
Im Streitfall müsse der Friseur zudem nachweisen, dass mir mein Termin bekannt gewesen ist und ich ihn nicht rechtzeitig abgesagt habe, obwohl ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Zudem muss dem Friseur tatsächlich ein Schaden entstanden sein, weil er meinen Termin nicht anderweitig hat vergeben können.

Muss ich zahlen, wenn ich einen Arzt oder auch einen Zahnarzt versetze?

Bei Arztpraxen sind Ausfallhonorare für verpasste oder abgesagte Termine nur in Ausnahmefällen zulässig, sagt Sterk. Sie fügt aber hinzu, dass es hierzu unterschiedliche Gerichtsurteile gebe. Eine entscheidende Rolle für die rechtliche Bewertung spiele der Aufwand und der Umfang des Termins und die Frage, ob ich abgesagt habe. Sterk rät Patientinnen und Patienten, Termine möglichst nicht nur telefonisch, sondern schriftlich oder per Email abzusagen – um im Zweifelsfall die Absage nachweisen zu können.

Eine Kellnerin mit Mundschutz bedient Gäste in einem gastronomischen Garten (Archivbild)
Eine Kellnerin bedient in der Corona-Zeit Gäste. Gerade während der Pandemie mussten viele Gastwirte erleben, dass Kunden Tische bestellten, ohne zu erscheinen. Bild: Imago | Future Image

Was passiert, wenn ich einen Tisch in einem Restaurant für zehn Personen bestelle und nicht erscheine: Hat der Gastwirt dann einen Anspruch auf eine Entschädigung von mir?

Das hängt von der Art der Reservierung ab, sagt Sterk: Bei einer einfachen Tischreservierung kann eine sogenannte No-Show-Gebühr nur dann berechnet werden, wenn diese im Vorfeld rechtswirksam in den AGB vereinbart worden ist."

Anders liegen die Dinge, wenn ich ein spezielles Menü mit vorher festgelegtem Preis gebucht habe. Denn dann liegt ein sogenannter Vorvertrag vor. Unabhängig von den AGB kann der Gastwirt nun, sofern ich nicht erscheine, einen "Vertrauensschaden" geltend machen.

Die Rechtslage ist das eine, die Praxis das andere. Was geschieht im Regelfall, wenn ich Termine verfallen lasse, ohne abzusagen?

Auch das hängt von den Umständen ab. Friseurin Sabrina Menke berichtet, dass sie meist nicht von Stammkunden, sondern von Erstkunden versetzt werde. Meist schicke sie diesen Kunden dann über einen Paylink eine Rechnung. "Wer nicht zahlt, bekommt keinen Termin mehr bei uns", sagt sie. Weiterreichende Konsequenzen habe sie bislang allerdings noch nicht gezogen. Menke glaubt, dass sich viele Menschen einfach nicht bewusst seien, was für einen großen Schaden sie anrichten, wenn sie eine Unternehmerin wie sie, die noch dazu auch Angestellte bezahlen muss, einfach sitzen ließen.

Ähnlich die Lage in der Gastronomie. Gastro-Gemeinschafts-Geschäftsführer Thorsten Lieder schließt zwar nicht aus, dass der eine oder andere Wirt Gästen, die ihn versetzt haben, eine Rechnung stellt. Er sagt aber auch: "Die meisten machen es nicht. Sie wollen niemanden dauerhaft verlieren, sind froh über diejenigen, die kommen." Umso mehr, als derzeit viele Wirte Existenzängste hätten.

Das gilt für Zahnärzte zwar in aller Regel nicht. Trotzdem sagt Jörg Bauer, Hauptgeschäftsführer der Zahnärztekammer Bremen: "Auch wenn ein Zahnarzt überzeugt davon ist, dass er einen Anspruch auf ein Ausfallhonorar hat, wird er die Rechnung in den meisten Fällen nicht schreiben." Denn letztlich wollten auch Zahnärztinnen und Zahnärzte ihre Patienten nicht verlieren. Zudem sei das Schreiben zumal kleiner Rechnungen oft mit einem unverhältnismäßig großen bürokratischen Aufwand verbunden. "Also mit noch mehr Ärgernissen", wie Bauer sagt.

Bremer Unternehmensverband: Corona-Folgen sind noch nicht überwunden

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Nachmittag, 7. September 2023, 14.40 Uhr