Fragen & Antworten

Tarifverhandlungen: Darum geht es in der 4. Runde

Ein Demonstrant steht mit einem Signalhorn vor Demonstranten der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mit Plakaten am Hauptbahnhof
Im öffentlichen Dienst gehen die Gehälter weit auseinander. (Archivbild) Bild: dpa | Sina Schuldt

Die Tarifparteien im öffentlichen Dienst kommen am Samstag zu Verhandlungen zusammen. Bremens Schlichter Hans-Henning Lühr rechnet mit einer Einigung.

Um 12 Uhr am Samstag geht es los: Die Tarifparteien im öffentlichen Dienst verhandeln weiter. Dieses Mal über den Vorschlag der Schlichtungskommission, der unter dem Vorsitz des Bremers Hans-Henning Lühr formuliert wurde. Zu dem Schlichterspruch sagt Lühr selbst: "Der Mix ist ein fairer Interessenausgleich, für den natürlich auch viel Geld in die Hand genommen werden muss." Wie die Tarifparteien das bewerten, ist offen – eine Woche lang haben sie intern beraten. Doch fest steht: Kommt es auch dieses Mal nicht zu einer Einigung, drohen unbefristete Streiks. Wir fassen die Ausgangslage zusammen.

Wie sieht der Vorschlag der Schlichter an die Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus?

Die Beschäftigten sollen in mehreren Schritten mehr Geld bekommen. Der Vorschlag beinhaltet

  • einen Inflationsausgleich von insgesamt 3.000 Euro, steuerfrei
  • eine Erhöhung der Gehälter um 200 Euro im Monat, das ist der sogenannte Sockelbetrag. Und dann eine Erhöhung um 5,5 Prozent. Erreicht die Erhöhung trotzdem nicht 340 Euro, soll sie auf 340 Euro festgesetzt werden
  • Die Zahlungen und Erhöhungen erfolgen nicht sofort, sondern:
  • Im Juni gibt es eine erste Zahlung für den Inflationsausgleich von 1.240 Euro. Danach soll es monatlich, von Juli bis Februar 2024, jeweils 220 Euro geben
  • Die Gehälter sollen mit Sockelbetrag und 5,5 Prozent ab 1. März 2024 erhöht werden

Ein Streitpunkt war auch die Laufzeit. Was schlagen die Schlichter hier vor?

Die Laufzeit soll 24 Monate betragen, allerdings rückwirkend ab Januar 2023. So die Schlichtungsempfehlung. Akzeptieren die Tarif-Parteien diesen Vorschlag, würden Arbeitgeber und Arbeitnehmer frühestens im Januar 2025 erneut zu Tarifverhandlungen zusammenkommen.

Wie weit ist das von den Forderungen der Gewerkschaft entfernt?

Von der ersten Forderung ist das weit entfernt. Die Gewerkschaft und der Beamtenbund wollten 10,5 Prozent mehr Lohn und mindestens 500 Euro mehr. Die Laufzeit sollte ein Jahr betragen, also schon nach einem Jahr wollten sie wieder neu über die Gehälter verhandeln. Die Arbeitgeber hatten zuletzt, also in der dritten Verhandlungsrunde, nach eigenen Angaben acht Prozent für eine Laufzeit von 27 Monaten angeboten. Außerdem einen monatlichen Mindestbetrag von 300 Euro und einen steuerfreien Inflationsausgleich in Höhe von 3.000 Euro.


Wieso ist der Vorschlag der Schlichter mit 5,5 Prozent ein guter Vorschlag für die Arbeitnehmer, wenn die Arbeitgeber vorher schon acht Prozent angeboten hatten?

Die Mischung des Schlichtungsvorschlags macht aus Sicht von Hans-Henning Lühr aus den widerstreitenden Interessen einen sinnvollen Kompromiss. Es wird also an mehreren Schrauben gedreht. Den Gewerkschaften war es wichtig, die unteren Einkommensgruppen besonders zu stärken. Deshalb forderten sie mindestens 500 Euro mehr, das wäre für die Geringverdiener im öffentlichen Dienst teils eine Erhöhung von deutlich mehr als 20 Prozent gewesen.

Die Schlichter schlagen nun vor, alle Gehälter ab März mit dem sogenannten Sockelbetrag von 200 Euro zu erhöhen. Dann sollen die Einkommen um 5,5 Prozent weiter angehoben werden. So bekämen die meisten Beschäftigten in den untersten Gehaltsgruppen, zum Beispiel in Entgeltstufe 2, zwischen 12,8 und 14,9 Prozent mehr Lohn; in der obersten Gehaltsgruppe dagegen etwa zwischen 8,1 und 9,7 Prozent.

Die Schlichter schlagen auch vor, dass alle Beschäftigten mindestens 340 Euro mehr Lohn am Ende haben sollen. Klappt das über den Sockelbetrag und die 5,5 Prozent?

Für die meisten schon. Aber das haut nicht für alle so hin. Die Beschäftigten in der untersten Entgeltgruppe 1 und ein kleiner Teil in Entgeltgruppe 2 verdienen so wenig, dass die Maßnahmen nicht ausreichen, um eine Gehaltserhöhung von 340 Euro zu erreichen. Das würde dann auf 340 Euro festgelegt, wenn sich die Tarifparteien auf den Schlichterspruch einigen. Davon betroffen sind Hilfskräfte, zum Beispiel in Küchen.

Was passiert, wenn sich Gewerkschaft und Bund sowie Kommunen wieder nicht einigen?

Einigen sich die Verhandlungs-Parteien nicht, kann es zur Urabstimmung der Gewerkschaften kommen. Hierbei stimmen alle Mitglieder, die von dem Tarif betroffen sind, darüber ab, ob sie das Angebot akzeptieren oder ablehnen wollen. Entscheiden sich die Mitglieder gegen das Angebot, kann es unbefristete Streiks geben, um die Umsetzung der Forderungen zu erzwingen.

Wie wahrscheinlich ist eine Einigung?

Klar ist das noch nicht. Aber es gibt Anzeichen für eine Einigung. Denn in der Schlichtungskommission haben 24 von 26 Mitgliedern der Empfehlung zugestimmt. Darunter auch elf Mitglieder der Arbeitgeberseite. Nur zwei Arbeitgebervertreter waren in der Kommission gegen den Kompromissvorschlag. Zusammengesetzt ist die Kommission jeweils zur Hälfte aus Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Auch Hans-Henning Lühr geht von einer Einigung aus, auch, weil das Finanzministerium, Innenministerium, die Kommunen und Gewerkschaften den Schlichterspruch für ein tragfähiges Konzept hielten. Die Verhandlungen starten am Samstag um 12 Uhr.

Schlichter empfehlen im Tarifstreit mehr Einkommen und Einmalzahlung

Bild: Radio Bremen

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Autorin

  • Autorin
    Birgit Reichardt Redakteurin und Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 15. April 2023, 19:30 Uhr