Interview

Schlichtung im öffentlichen Dienst? Damit rechnet Bremens Schlichter

Bild: Radio Bremen | Immo Maus

Wird der langwierige Tarifkonflikt nun beendet? Die Schlichter haben einen Schiedsspruch erarbeitet. Der Bremer Hans-Henning Lühr erklärt die Details im Interview.

Die Schlichtungskommission im Tarifkonflikt für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen hat einen Schiedsspruch vorgelegt. Sie schlägt einen Sockelbetrag von 200 Euro mehr und eine anschließende Erhöhung um 5,5 Prozent sowie einen Inflationsausgleich in Höhe von insgesamt 3.000 Euro vor – das haben die Tarifparteien am Samstag mitgeteilt. Für die Arbeitgeberseite war der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt aktiv. Von der Arbeitnehmerseite wurde der ehemalige Bremer Finanzstaatsrat Hans-Henning Lühr als Schlichter eingesetzt. Im Interview mit buten un binnen erläutert er das Konzept und schätzt die Erfolgsaussichten ein.

Beide Seiten waren im Vorfeld so weit auseinander, dass man die Verhandlungen abgebrochen hat. Wie schwer war es da, einen Schiedsspruch zu finden?

Die Tarifverhandlungen sind gescheitert und dann haben die Arbeitgeber die Schlichtung angerufen. Ich habe es aber als sehr konstruktiv empfunden. Denn beide Seiten wollen vermeiden, dass ein riesiger, flächendeckender und unbefristeter Streik im Sommer kommt. Deswegen bestand ein großer Einigungswillen. Nur das Zusammenfinden war eben schwierig, um die Sache voranzubringen.

Und wie haben Sie es als Vorsitzender der Schlichtungskommission dann geschafft, dass Bewegung in die Sache kommt?

Ich habe versucht, die vier maßgeblichen Punkte in dieser Tarifrunde zu kombinieren. Da ist die Frage, welche Funktion hat der Staat in Krisen und zur Unterstützung? Der zweite Punkt ist die Inflation, weil die Menschen sollen von ihrer Arbeit ja leben können. Der dritte Punkt ist, dass der öffentliche Dienst einen riesigen Fachkräftemangel hat. Für bestimmte Funktionen bekommt man keine Leute mehr. Und der vierte Punkt ist die Frage: Was kann man sich in der aktuellen Haushaltssituation leisten?

Ich habe versucht, diese Punkte zusammenzubringen. Die Gewerkschaften haben stärker auf den sozialen Aspekt gesetzt und gesagt, die unteren Lohngruppen können nicht mehr von 2.300 Euro leben. Man brauche einen erheblichen Aufschlag, der die Inflation ausgleicht. Die Arbeitgeberseite sagt dagegen, man brauche vor allem in den Kommunen auch hochqualifizierte Mitarbeiter wie Informatiker und Bauingenieure. Und das Bundesfinanzministerium sagt: Wir haben kein Geld.
Man hat jetzt also versucht einen Mix zu finden, der die Sachen kombiniert.

Wie soll das aussehen?

Es gibt einen Sockelbetrag. Und auf diesen Sockelbetrag werden 5,5 Prozent aufgesetzt. Das wirkt sich in der Struktur dann eben so aus, dass es in den untersten Lohngruppe 15 Prozent mehr Geld gibt und in der obersten acht Prozent. An diesem Modell haben wir seit Mittwoch rumgeschraubt. Kann man noch ein halbes Prozent absenken, kann man noch ein halbes Prozent draufgeben? Und dann kommt die Stunde der Informatiker, die dann alles ausrechnen.

Der Staatssekretär vom Bundesfinanzministerium guckte nur auf seinen Laptop und sagte: 'Brauchst nicht weiter reden. Das können wir uns nicht leisten!'. So wurde überlegt.

Hans-Henning Lühr, Schlichter

Wenn jetzt der Sockel um 200 Euro angehoben wird und dann 5,5 Prozent oben drauf, dann ist das doch für die oberen Gehaltsgruppen sehr viel mehr Geld als für die unteren Gehaltsgruppen?

Ja, aber auf der anderen Seite geht es ja auch darum, eine prozentuale Erhöhung für unten zu schaffen. Man hat deshalb für die unterste Lohngruppe noch den Mindestbetrag von 340 Euro eingesetzt. Zu dieser Lohngruppe gehören Küchenhilfen in Krankenhäusern oder Menschen, die bei der Straßenreinigung beschäftigt sind.

Glauben Sie, dass dieser Schiedsspruch zu einer Einigung führen wird?

Wir haben eine Abstimmung gemacht. 24 der insgesamt 26 Mitglieder der Schlichtungskommission haben dafür gestimmt. Finanzministerium, Innenministerium, Kommunen und Gewerkschaften halten es also für ein tragfähiges Konzept. Das sehe ich schon als Erfolg des Schlichtungsverfahrens an.

Aber die Forderung war immens höher und die Gewerkschaften wild entschlossen. Rechnen Sie am kommenden Samstag mit Zuspruch?

Ich gehe davon aus, dass es eine Einigung gibt. Das letzte Angebot in der Tarifverhandlung lautete sieben oder acht Prozent und 300 Euro. Mit dem jetzigen Ergebnis würde das übertroffen.

Warum sind Sie eigentlich gefragt worden, ob Sie Schlichter werden wollen?

Die Gewerkschaften haben jemanden gesucht, der vom Fach ist und sich in den verschiedenen Segmenten auskennt – also die kommunale Ebene wie auch Ebene darüber. Das würde ich jetzt für mich durchaus mal reklamieren. Man brauchte eben jemand, der auch im Management eine lange Erfahrung im öffentlichen Dienst hat.

Nun waren Sie lange Finanzstaatsrat in Bremen, daher die Frage: Ist so eine Erhöhung überhaupt zu wuppen für den Haushalt?

Da muss man differenzieren. Das ist ein sehr kostenintensiver Abschluss. Aber auch Georg Milbradt, mein Kommissionskollege und ehemaliger Ministerpräsident von Sachsen, hat gesagt, man brauche eine Investition in die Zukunft des öffentlichen Dienstes. Und so sehe ich das auch, als eine Zukunftsinvestition in den öffentlichen Sektor.

"Streik" steht auf Schildern, die in den Bussen der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) hängen. Die Gewerkschaft Verdi hat die BSAG-Mitarbeiterzu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen.

Das ist der Schlichtungsplan im Tarifstreit im öffentlichen Dienst

Bild: dpa | Sina Schuldt

Autor

  • Holger Baars
    Holger Baars Autor

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 15. April 2023, 19:30 Uhr