Dieser Bremer soll den Tarifstreit lösen: Wer ist Hans-Henning Lühr?

Hans-Henning Lühr blickt in die Kamera

Verdi kritisiert das Scheitern der Tarifverhandlungen

Bild: dpa | Mohssen Assanimoghaddam

Ex-Finanzstaatsrat Hans-Henning Lühr soll als Schlichter nach einer Lösung in den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst suchen. Er gilt als Experte für Kompromisse und Kekse.

Wenn bei den Tarifverhandlungen ein Teilnehmer zum Keksteller greift, sollte er damit rechnen, dass Hans-Henning Lühr ihn aufmerksam beobachtet. Der 72-jährige Bremer hat das Buch "Management by Biscuits" (Verwaltung durch Kekse) geschrieben, in dem er seine Erkenntnisse über Kekse in Dienstbesprechungen zusammenfasst. Auf 64 Seiten teilt Lühr die Keks-Esser darin in unterschiedliche Kategorien ein: Der Spitzfinger, der Schaufelbagger, der Zwischenlagerer.

Die Idee zu dem Buch ist einzigartig und naheliegend zugleich. Denn Hans-Henning Lühr, von allen nur Henning genannt, hat unzählige Besprechungen erlebt und in denen standen eben unzählige Teller mit Gebäck auf dem Tisch.

Lühr war jahrelang in Bremens Verwaltung tätig

Kekse stehen auf dem Schreibtisch, Mann im Hintergrund
Ein Klassiker: In vielen Unternehmen steht bei Sitzungen Gebäck auf dem Tisch. Bild: dpa | Christin Klose

Sein ganzes Arbeitsleben hat Lühr in der Verwaltung verbracht. Zuletzt war er 17 Jahre lang Staatsrat im Bremer Finanzressort. Dienst nach Vorschrift war noch nie sein Ding. Neben seinem Buch über Kekse hat er sechs Kochbücher geschrieben, unter anderem das "Internationale Grünkohlkochbuch". Aber auch Werke über Digitalisierung und Innovation in der Verwaltung stammen von ihm.

Lühr hat im zweiten Bildungsweg Rechtswissenschaften, Betriebswirtschaft und Geschichte studiert, ist außerdem Diplom-Verwaltungswirt. Die Ausbildung für den Öffentlichen Dienst verglich er mal mit einem Flohzirkus:

Flöhe können ja zwei, drei Meter hoch springen. Aber wenn man eine Glasplatte drauflegt und die Flöhe immer dagegen springen, dann kommen sie irgendwann nur noch 15 Zentimeter hoch. Genau das habe ich auch an der Verwaltung immer kritisiert. Wir brauchen Leute, die bereit sind, einen Fehler zu machen.

Hans-Henning Lühr

Die Schwerfälligkeit und der fehlende Pragmatismus in der Verwaltung hätten ihm manchmal Sorgen bereitet, erzählt er. Manchmal habe er zu Kollegen im Scherz gesagt: "Wenn das die Lösung sein soll, will ich mein Problem zurück."

Er gilt als Wegbereiter für Kompromisse

Der Wille zur pragmatischen Lösung hat ihm auch in Tarifverhandlungen geholfen. Er war an nahezu 100 Abschlüssen beteiligt und gilt als harter Verhandler – im klammen Bremen eine wichtige Voraussetzung, um mit Gewerkschaften über Geld zu sprechen. Gleichwohl loben ihn Weggefährten für seine Fähigkeit, scheinbar unvereinbare Positionen zusammenzubringen.

So sagte der Bremer Finanzpolitiker Jens Eckhoff von der CDU mal über das SPD-Mitglied Lühr: "Henning Lühr ist in der Lage, Kontakte zu schmieden, Menschen zusammenzubringen. Und er ist in der Lage Kompromisse zu machen."

Lühr steht als Schlichter vor schwieriger Aufgabe

Das sind gute Eigenschaften für jemanden, der jetzt eine Einigung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern aushandeln soll, nachdem sie sich bislang nicht auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt haben.

Und die Fähigkeit zum Kompromiss ist wohl auch der Grund, warum die Gewerkschaft ausgerechnet jemanden zum Schlichter ernannte, der bislang immer die Arbeitgeberseite vertrat.

Ein Interview will Lühr nicht geben, bevor es einen Tarifabschluss gibt. Er wolle sich nicht in den Vordergrund drängen. Er lässt aber durchblicken, dass angesichts der verhärteten Positionen wohl eine unkonventionelle Lösung nötig sei. Es brauche einen kreativen Ansatz. Wie genau der aussieht, ist aber noch unklar.

Lühr ist zwar in Pension, aber voll aktiv

2020 ging Henning Lühr in Pension. Langweilig ist ihm nicht. Unter anderem lehrt er an der Hochschule Bremen zum Thema eGovernment. Da geht es um den Einsatz von IT, darum Verwaltung schneller zu machen. Darüber hinaus wird er immer noch gerufen, wenn es brenzlig wird.

Als es beispielsweise im Jahr 2021 Rassismus-Vorwürfe gegen die Bremische Wohnungsgesellschaft Brebau gab, wurde die Geschäftsführung freigestellt. Der Verwaltungsrat brauchte jemanden, den er für zuverlässig und vertrauenswürdig hielt, um die Geschäfte kommissarisch zu führen. Es übernahm: Henning Lühr.

Er freue sich auf die Aufgabe, einen Kompromiss im Tarifstreit zu finden, sagt Henning Lühr. Skeptisch ist er nur, was seine Keksforschung angeht. Neuerdings werde bei Besprechungen immer häufiger Obst gereicht.

Mehr zu den Tarifverhandlungen:

Autor

  • Jan Meier-Wendte Autor

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Rundschau am Mittag, 30. März 2023, 12 Uhr